Gerhard Köpf
DAS VERHÄLTNIS ZUR ZEIT UND DIE “VERGEGENKUNFT” IN GERHARD KÖPFS PROSA
DOKTORA TEZİ
Hüseyin KAHRAMANLAR
DANIŞMAN
Prof. Dr. Gertrude DURUSOY
İZMİR-2004
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung 8
2. Das Verhältnis zur Zeit in „Piranesis Traum“ 20
3. Aspekte der „Vergegenkunft“ 41
3.1. Diskrepanz in der Zeitauffassung 42
3.2. Widerstand durch Erzählen 60
4. Der poetische Gegenentwurf 82
4.1. Erzählen als Inbegriff der „Vergegenkunft“ 83
4.2. Lesen als Weg zum Humanen 104
5. Schlußfolgerungen 128
Literaturverzeichnis 134
Vorwort
Mit Gerhard Köpfs Romanen wurde ich während der Doktorandenseminare von Prof. Dr. Gertrude Durusoy vertraut und das führte mich dazu, dass ich mich entschloß, diesen Autor und seine Prosa zum Gegenstand meiner wissenschaftlichen Untersuchung zu wählen, obwohl es kein einfaches Unternehmen ist, Forschungen zu einem zeitgenössischen Schriftsteller durchzunehmen. Hier will ich Frau Durusoy meinen Dank für ihre geduldige und pertinente Betreuung aussprechen.
Besonders bin ich der Türkischen Akademie der Wissenschaften (TUBA) dankbar, die mir an der Gerhard Mercator – Universität Duisburg ein siebenmonatiges Stipendium gewährt hat, ohne das meine Untersuchung nicht zustande gekommen wäre.
Während meines Aufenthalts hat mich Prof. Dr. Herbert Kaiser wissenschaftlich betreut, wofür ich ihm zu Dank verpflichtet bin, was sich vielleicht in einigen Zeilen nicht ausdrücken läßt, aber meine Arbeit durchzieht.
Dem Schriftsteller Prof. Dr. Gerhard Köpf gilt mein besonderer Dank für die wertvollen Gespräche, die ich jetzt mit seinen Werken fortsetze.
Meiner Frau und meinem Sohn bin ich auch dankbar, dass sie mir Verständnis während dieser langjährigen Untersuchung erwiesen haben.
Bu tez, Türkiye Bilimler Akademisi (TÜBA) tarafından Sosyal Bilimlerde Yurtiçi - Yurtdışı Bütünleştirilmiş Doktora Burs Programı kapsamında Yurtiçi ve Yurtdışı Araştırma Bursu sağlanarak desteklenmiştir.
Die Abkürzungen
AaA Annäherungen ans Allgäu
ÄuA Ästhetik und öffentliche Anästhesie
B Borges gibt es nicht
DB Drei Blindbände
dG „....der Geschlagene kann überhaupt nichts repräsentieren.“
EwB Ein wunderbares Beispiel für die Kraft der Poesie
H Heimat
HL Die Preisfrage: Hat die Literatur Kritik nötig?
HM Die Hemingway- Melodie
HuK Hund und Katz und Maus, Schnecke, Butt und Ratte
I Innerfern
IeS In extremer Schräglage
IS Im Schlaraffenland oder wie ich in Heinrich Manns Roman ....
Ks Komm, stirb mit mir ein Stück
LdN Lob der Nacherzählung
MaT Mein amerikanischer Traum
MdWG Die Metaphoras der Witwe Gonzáles
MLK Maria Luise Kaschnitz
MvL Das Märchen vom Lesen mit Schneidbrenner
N Nurmi oder die Reise zu den Forellen
PT Piranesis Traum
S Die Strecke
SJSN „Sagt Ja, Sagt Nein, Getanzt mueß sein“
SuN Vom Schmutz und vom Nest
VdW Die Vorzüge der Windhunde
VrE Vom republikanischen Einzelgänger
ZiK Zwitter im Korsett
1. Einleitung
Die ökologischen Umweltkatastrophen, Umweltschäden und die Aufrüstung, die atomare Gefahr, die das menschliche Leben beenden kann, waren in den 80er und 90er Jahren die Themen, die die Schriftsteller zum Nach- und Umdenken über die Kunst, die Literatur, die Stellung des Schriftstellers und seine Einstellung zu den politischen Ereignissen zu verändern zwangen. Ralf Schnell nennt die Schriftstellergeneration, die der Kunst, dem Schreiben die Aufgabe beimaßen, solche Verhältnisse zu bekämpfen, die Widerstandsgruppe: „Die literarische Entwicklung der achtziger Jahre soll [...] mit dem Begriffspaar “Widerstand” und “Post-historie” gefasst werden.“ [1] Schnell zählt Peter Weiss, Wolfgang Hildesheimer, Günter Grass, Klaus Modick und Gerhard Köpf dieser Schriftstellergruppe zu, in deren Haltungen sich Widerstand gegen den Zeitgeist offenbart. [2]
Einer der bedeutendsten Vertreter dieser Schriftsteller ist Günter Grass. Den bedrohten Zustand der Gegenwart faßt er mit folgender Aussage auf: „Wir leben in einer Welt, von der wir erstma1s nicht mehr wissen, ob sie weiterleben wird. Der uns vertraute Tod innerhalb dieser Welt ist tot, weil die Fortsetzung ihrer Geschichte in Frage steht. Vor uns steht der Tod der Welt selbst und damit das Ende des so schwer erziehbaren Menschengeschlechts, das schließlich doch bloß dem Götzen der Dummheit und der Machtgier huldigt.“[3]
Köpfs Auffassung weicht von derjenigen Grass’ nicht ab: „Der ökonomisch-technische Fortschritt geht Hand in Hand mit schwerwiegenden ökologischen Mängeln, gleichzeitig wächst die Rüstung zu einem vielfachen Overkill-Potential.“ (Ks, 167) Die Menschheit lebt seiner Auffassung nach „im Zeitalter permanenter Kriege und technisch subtileren wie auch legalisierten Mordes“ (MLK, 23).
Gerhard Köpf gehört zu den Schriftstellern, die sich mit den bestehenden Umständen auseinandergesetzt und diese durch ihr Schreiben zu beeinflussen versucht haben. Er erlebt die bestehenden Umstände in seiner Heimat als bedrohlich: „Und während junge Menschen auf dem Land zwischen düsterer Bewahrung des Ererbten, Heimatabendtourismus und Landfriedenssuche ihren Standort finden wollen, werden Viehställe zu Diskotheken verkümmert, das Land zum Vorgärtchen der Metropole: umstellt von kunstfördernder Rüstungsindustrie. Ich muss also immer wieder nach den konkreten Bedingungen von Heimat fragen und Ohrensessel, Ofenbank und Satellitenfernsehen, Kunstdünger, Legebatterie und zuzementiertes Bewußtsein in unmittelbare Beziehung zueinander setzen.“ (SuN, 106) Diese Feststellung ist für Köpfs Poetik von zentraler Bedeutung. Charakteristisch für das Schreiben der Autoren, mit denen er sich geistig verwandt fühlt, ist ihre Einstellung zum Schreiben. Er identifiziert sich mit den Schriftstellern, die durch ihr Schreiben zu den herrschenden Problemen Stellung genommen und sich das Ziel gesetzt haben, diese durch ihr Schreiben zu überwinden. „Freilich gibt es da Neigungen: Rabelais, Cervantes, Quevedo, Grimmelshausen, Jean Paul, Sterne, und Gerold Späth sind mir näher als Goethe, Kleist, Kafka oder Thomas Mann – Salman Rushdie, Vargas Llosa, Garcia Marquez und Günter Grass ziehe ich anderen vor.“ (ZiK, 145)
Köpf versteht sich als ein universaler Schriftsteller. Die Schriftsteller, die er sich zum Vorbild nimmt, sind neben Deutschland aus Lateinamerika, aus Asien, kurz aus der Weltliteratur. In seinen literaturwissenschaftlichen Aufsätzen und poetologischen Publikationen hat er Heinrich Mann,[4] Heinrich Böll,[5] Miguel Torga,[6] Maria Luise Kaschnitz,[7] Jean Améry,[8] Günter Grass,[9] Antonio Skármeta,[10] Klaus Nonnenmann,[11] Ernest Hemingway,[12] Gregor von Rezzori,[13] Ilse Schneider- Lengyel,[14] Günter Herburger[15] behandelt, mit deren Poetik er sich einverstanden erklärt.
Wohin gehört Köpf mit seiner Einstellung zum Schreiben in der Literatur? Er begreift die Welt als gestaltbar, als veränderbar. Er gehört zu den Schriftstellern, die zu den bestehenden Umständen durch ihr Schreiben Stellung nehmen: „Mein Verständnis vom Erzählen, das sich mit den Lebenserfahrungen, von Lektüre zu Lektüre, von Roman zu Roman ändert, vermag sich anzufreunden mit der Überlegung von Gabriel Garcia Marquez, wenn er der Literatur vorschlägt, eine Arche der Erinnerung zu bauen, die fähig ist, die atomare Sintflut zu überleben.“ (Ks, 173)
Die Postmoderne ist ein wichtiger Parameter in der Literatur, der in den 80er Jahren in der Literaturgeschichte zur Geltung kam. Die Grundmerkmale der Postmoderne, die Intertextualität, der Zerfall der Ideologien, die Aufwertung des Lesers, die Infragestellung der Fiktion und der Realität[16], die Kultur und die Geschichte als
Erzählung,[17] die Spannung zwischen der Kunst und dem Leben[18], die „Verwischung der Grenzen zwischen Faktum und Fiktion“[19]oder “Skepsis gegenüber den europäischen Metaerzählungen“[20] sind ebenfalls für Köpfs Schreiben von herausragender Bedeutung. Er wird von Hans Josef Ortheil den postmodernen Autoren zugeordnet: „Eine solche Literatur, deren postmoderne Züge unübersehbar sind, schrieben in den achtziger Jahren so unterschiedliche Autoren wie Gert Hofmann, Urs Widmer, Gerhard Köpf, Wolfgang Hilbig, Gert Jonke und Gerold Späth.“[21]
Gerhard Köpf hat mit seinem Schreiben zuerst als Gelehrter begonnen. Seine literaturwissenschaftlichen Aufsätze, Reden, Gespräche und Interviews sind in den 80er und 90er Jahren erschienen und spielen auch eine entscheidende Rolle in seinen Romanen und Novellen; schon darin geht es um die Problematik des Lesens, der Rezeption und die Wirkung des Lesens auf die Handlungen und er weist auf die Bedeutung der durch das Lesen vollzogenen geschichtlichen und zu verantwortenden Handlung hin. [25]
„Schreiben und Lesen, Buchstaben und Bücher, Autoren und Leser bilden einen Themenkomplex, der vor allem in der erzählenden Literatur in fast obsessiver Weise aufgegriffen wird.“ [26]
In der Forschung ist es Herbert Kaiser, der mit seinem Beitrag „Gerhard Köpf“[34] eine grundlegende Einführung in seine fiktionalen Texte und in sein Schreiben ermöglicht hat, indem er seine Romane „Innerfern“, „Die Strecke“, „Eulensehen“, „Borges gibt es nicht“, „Piranesis Traum“, „Papas Koffer“, „Nurmi oder die Reise zu den Forellen“ auf seine Poetik hin untersuchte. Am Ende seiner Arbeit stehen die vorhandenen Rezensionen, chronologisch geordnet, und auch literaturwissenschaftliche Schriften über Köpfs Werke. Neben seinen Rezensionen über Köpfs Romane gilt Herbert Kaiser als der erste Literaturwissenschaftler, der sich ausführlich mit Gerhard Köpfs Werken beschäftigt hat, indem er Aufsätze dazu veröffentlicht hat. Die erste Rezension , in der Kaiser als Thematik des Romans „Innerfern“ in der Unüberwindlichkeit der Poesie in dem realen gesellschaftlichen Leben hervorhebt, stammt aus dem Jahr 1984.[35] Kaiser hat in einer anderen Untersuchung seine Gedanken sowohl über „Die Strecke“ zum Ausdruck gebracht als auch auf die geistige Verwandschaft von Köpf mit der lateinamerikanischen Literatur, mit Rabelais, Grimmelshausen, Sterne, Grass und J. Paul hingewiesen.[36] In seiner Untersuchung „Erfinden und Verschwinden“ [37] arbeitet Kaiser die Grundlagen, und die Thematik Köpfschen Schreibens, bzw. seiner Poetik in „Innerfern“, „Die Strecke“, „Die Erbengemeinschaft“, „Piranesis Traum“ heraus.
Zwei Dissertationen liegen bis jetzt über Gerhard Köpfs Werke vor. Die erste „Erzählen als Widerstand. Zu Gerhard Köpfs Roman ‚Die Strecke’ im erzählerischen Umfeld der 80er Jahre“[38] ist von Edgar Platen, in der er Köpfs Poetik innewohnendes „Widerstand leistendes“ Erzählen in „Die Strecke“ sowie „Innerfern.“ und „Die Erbengemeinschaft.“ untersucht und darin auch auf die Ähnlichkeit Köpfs Schreiben mit dem Peter Härtlings, Peter Weiss’, Günter Grass’ und Gerold Späths verweist.[39]
Die zweite „Auftritt der Tod im Wirbel der Konfetti. Erzählen zwischen Erfinden und Verschwinden in Gerhard Köpfs Frühwerk“ [40] stammt von Wolfgang Michael Böttcher. In seiner Arbeit konzentriert er sich auf Köpfs Frühwerke, „Innerfern.“, „Die Strecke“, „Die Erbengemeinschaft.“, „Eulensehen.“, die Köpf als „Thulserniaden“[41] bezeichnet, weil Thulsern als Schauplatz für seine ersteren Romane gilt, und auf „Borges gibt es nicht“ . In seiner Untersuchung verweist Böttcher auf die seelische Verwandschaft mit Günter Grass und W. G Sebald.
Abgesehen von Böttchers Rezensionen zu einigen Werken Köpfs[42] untersucht er in seiner literaturwissenschaftlichen Publikation „Gerhard Köpf: Die Erbengemeinschaft“ [43] den Roman in Bezug auf die erzählenden Figuren, die Kalebasse, das erzählende Ich Alfina und Bilder über Thulsern,[44] Köpfs literarische Heimat. In seiner anderen Untersuchung „Manchmal stimmt das, was wir erzählen. Aber es stimmt viel eher, wenn wir es erfinden“ [45] versucht Böttcher die Entwicklung Köpfschen Schreibens von seinen früheren Werken bis zu seinem Roman „Bluff oder das Kreuz des Südens“ herauszuarbeiten.
Auch Franz Loquai weist starkes Interesse an Gerhard Köpfs Werken auf. Er hebt in seiner Rezension „Schöne, neu erfundene, alte Welt“[46] den Schwerpunkt des Romans „Die Strecke“ in dem Erzählen-Können von Aggwyler, dem Romanhelden, hervor. In seiner Arbeit über „Eulensehen“ sieht Loquai die Stärke von Köpf in seiner Erzählkunst.[47] Er beurteilt in seiner Rezension Köpfs Roman „Bluff oder das Kreuz des Südens“ als ein gelungenes Werk, „voller Klugheit und Menschlichkeit.“[48] Außerdem interpretiert er „Papas Koffer“ von Köpf als den „Glücksfall einer zauberhaften Liebeserklärung an die Bücher, an das Leben und den Leser“[49] und den Leser als „den wahren Held“.[50] In seiner Untersuchung über „Die Erbengemeinschaft“ hebt Loquai das Köpfsche Erzählmodell und die Gleichgültigkeit des dargestellten Bürgertums den geschichtlichen Ereignissen gegenüber hervor.[51] Loquai betont in seiner Schrift über „Piranesis Traum“, dass das Künstlerbild durch Köpfs Künstlerroman „von Fiktion und Biographie um neue Möglichkeiten erweitert worden“ [52] ist. In seiner Untersuchung „Der erfundene Autor. Eine Collage über Fiction, Köpf und Ayren“ geht es um Wirklichkeit und Fiktion, um die Autor- und Leserschaft. [53] Er hat außerdem mit Köpf ein ausführliches Gespräch [54]geführt, in dem Köpf seine Gedanken über seine Poetik bzw. über sein Schreiben von seinen Frühwerken bis zu den letzten zum Ausdruck bringt. Franz Loquai hat weiter zwei Bücher herausgegeben, in denen sowohl Rezensionen als auch wissenschaftliche Untersuchungen über Gerhard Köpfs literarisches Schaffen gesammelt sind. [55]
Spezifisch zum Begriff „Vergegenkunft“ liegen bis jetzt zwei Aufsätze vor, die seine fiktionalen Texte zum Gegenstand nehmen. Die eine stammt von Monica Fröhlich[56], in der sie die „Vergegenkunft“ in „Innerfern“ und in „Borges gibt es nicht“ behandelt und Köpfsches Erzählen in "Borges gibt es nicht“ als Gegenstück zu „Innerfern“ herausarbeitet. Die zweite „Thulsern, Europa, Macao und das Fliegen. ‚Vergegenkunft’ als neues Erzählen am Beispiel von ‚Borges gibt es nicht.’“[57] hat Georg Kempkes veröffentlicht, der Köpfsches Erzählen im Roman „Borges gibt es nicht“ weit über eine Erzähltechnik hinaus als ein Programm interpretiert, in dem es um „die Kriterien zum Verstehen des Seins, des Lebens, des Menschen, der Welt und des großen Zusammenhangs“[58] geht.
Sigrid Mayer ihrerseits vergleicht den Blauen Weg des Möglichen, [59] die Grundsäule Köpfscher Poetik, mit der ‚blauen Blume’, ein romantisches Reisemotiv für Sehnsucht in die Ferne, und behandelt das Reisemotiv in Köpfs Romanen, in „Borges gibt es nicht“, „Piranesis Traum“, und „Papas Koffer“.
Maria Manuela Gouveia Delille verweist andererseits in der Novelle „Borges gibt es nicht“ auf die Ähnlickeit zwischen Köpf und Alexandre Herculano, Antere de Quental, Oliviera Martins, Miguel de Unamuno, Reinhold Schneider und Hans Magnus Enzensberger in Bezug auf Lissabon und Portugal als Europametapher. [60]
Über Köpfs literarisches Schaffen gibt es keine Einigkeit, sondern ganz divergierende Urteile. Während Joachim Kaiser ihn mit seinem Roman „Innerfern“ als eine Hoffnung betrachtet[61], und ein Rezensent sein erzählerisches Talent im Roman „Die Strecke“ mit der Aussage „Wir haben einen großartigen Erzähler bekommen“[62] begrüßt, gibt es auch Kritiker, die solche Urteile fällen wie das von Peter Utz in Bezug auf den Roman „Eulensehen“:
“Als ordnungsliebender Erzählpolizist, der alle Spuren von Sinn in diesen Texten sichern möchte, stösst man sich an dieser Wiederholungsmanie Köpfs, zumal sie auch allen Geboten der Ökonomie widerspricht. (...)Köpf ist unverkennbar ein literarischer Wiederholungstäter, den es immer wieder an den Schauplatz seiner früheren Verbrechen zurückzieht.(...) Diesem Roman sollte man das Maul stopfen, wegen seines schrägen Eulenblicks und wegen seines lästerlichen Papageiengeplappers. (...) Vor seiner Erzählkleptomanie sind nicht einmal seine eigenen Werke sicher. (...) Insgesamt scheint diesem Roman zwar eine gewisse Gemeingefährlichkeit nicht abzugehen – früher hätte man ihn für vogelfrei erklärt, zum Abschuss freigegeben. Der Leser, sollte er diesen Roman antreffen, wird deshalb um schonendes Anhalten gebeten.“ [63]
Die Auseinandersetzung mit den Kritikern ist für Köpf charakteristisch und auf solche Urteile reagiert er angemessen, aber auch mit scharfer Zunge: „Schon bei der Rezension meines zweiten Romans verwendet sie den ersten Teil ihrer Kritik darauf, erst sich und dann den Lesern noch einmal kundzutun, wie recht sie mit ihrem bisherigen Urteil hatte und wie wenig der Autor gewillt war, auf sie zu hören. Ehe sie auf den zweiten Roman zu sprechen kommt, macht sie den schon einmal von ihr geköpften Kopf noch einmal einen Kopf kürzer, womöglich weil es sie stört, dass der Autor kopflos die Stirn hatte, nach der ersten Hinrichtung einen zweiten Kopf nachwachsen zu lassen. Beim dritten Roman schließlich ist sich die Rezensentin ihrer Vor-Urteile schon sicher, dass sie glaubt, nur mehr auf ein einziges Kapitel eingehen zu müssen, um von ihm aus pauschal auf die restlichen 380 Seiten zu schließen.“ (HL, 71)
Wie ersichtlich, ist Gerhard Köpf nicht einfach in irgend eine literarische Richtung einzuordnen, besonders dadurch nicht, weil er sich vom herkömmlichen Verhältnis zur Zeit trennt, und eine Erzählhaltung ergreift, die noch kaum untersucht worden ist. Da sie also doch z. T. in Bezug auf „Innerfern“, „Die Strecke“ und „Borges gibt es nicht“ in Aufsätzen besprochen worden ist, wollen wir hier den Roman „Piranesis Traum“ in Hinsicht auf Köpfs zeitbezogenes Erzählverfahren näher untersuchen und uns anschliessend die zwischen 1975 und 1999 erschienenen literaturwissenschaftlichen Schriften, Gespräche[64], vor allem die in „Vom Schmutz und Nest“ gesammelten Aufsätze[65] sowie die Poetik-Vorlesungen[66], da diese Werke einen wichtigen Bestandteil seines literarischen Schaffens ausmachen, zum Gegenstand unserer Untersuchung machen und somit den Schwerpunkt vom traditionellen Verhältnis zur Zeit auf die „Vergegenkunft“ verlegen und prüfen, wie sie zu einem Köpf eigenen Erzählverfahren geworden ist.
2. Das Verhältnis zur Zeit in „Piranesis Traum“
Gerhard Köpf nimmt als Thema in seinem Künstlerroman „Piranesis Traum“[67] eine historische Persönlichkeit, Giovanni Battista Piranesi (1720-1778), einen Architekten aus Italien, der vor allem durch seine Radierungen, Veduten vor der Welt durchsetzen wollte. Als ein Architekt ging es ihm nicht nur um das Bauen an sich, sondern darum, die Beziehung zwischen dem Bauen und der Sprache, den Wissenschaften, der Philosophie, und der Politik herauszuarbeiten. Er hat sich nicht nur mit der Architektur befaßt, sondern auch schriftlich damit auseinandergesetzt. Er wollte durch seine Werke das antike Rom in das zeitgenössische verwandeln. Köpf verweist durch seinen Künstlerroman auf die Visionen, die Beharrlichkeit und den unermüdlichen Willen des Künstlers, diese in die Wirklichkeit zu überführen.
Gleich zu Beginn des Romans wird von einem erzählenden Ich, das sich als der Kupferstecher und Baumeister Piranesi erweisen wird, eine düstere Situation beschrieben. Es stellt sich tot im Sterbezimmer vor: “Ein schwarzer Flügelschlag wird um sie sein, wenn sie mich hinten in der Ecke in meinen Kleidern auf dem Bett liegend entdecken werden, das Gesicht hochmütig ihnen zugewandt, die Augenhöhlen von den Vögeln zerfressen.”(PT, 8) und sein Mund “voll trockenem Sand”(PT, 7)
Er ist seinem Tode nahe. Er wird in der Stille, in seiner Einsamkeit sterben. Er denkt an die Leute, und auch, dass die Leute die Geschichte von ihm erzählen werden, dass er bauen wollte. Es ist nur die Geschichte, die er als einziges Erbe hinterläßt. Was die Leute finden werden, sind die Papiere, seine Zeichnungen. Er hat keine Verwandte, die ihn begraben könnten. Er hat sogar seinen Grabstein selbst gemeißelt. Doch das erzählende Ich ist nicht überrascht, sondern ist schon auf sein hoffnungsloses Ende vorbereitet, da es sein Leben lang auch einsam gewesen ist. Sein Interesse scheint vielmehr darauf gerichtet zu sein, welche Reaktion sein Tod, seine Hinterlassenschaft und sein Leben auf die Zurückgebliebenen auslösen wird: “Sobald die Nacht endgültig hereingebrochen sein wird, werden sie sich am Küchentisch sitzend zwischen all meinen Papieren, Kupferplatten, Radiernadeln, Zeichnungen und Planen meiner erinnern und die Geschichte erzählen von dem Mann, der sich ein Haus bauen will.”(PT, 8)
Diese Hinterlassenschaft, die die Leute in seinem Sterbezimmer finden werden, sowie die Lebensgeschichte, die sie erzählen werden, sind Schlüsselbegriffe, die dem Roman eine besondere Prägung verleihen werden. Und gerade in diesem Ansatz des Romans liegen die Elemente der Problematik, die die Aussicht auf Piranesis Zukunft ermöglichen; die Vergangenheit des erzählenden Ichs, sein Nachlaß: Papiere und Kupferstücke. Wieder ist es seine Vergangenheit, die Hoffnung auf die Zukunft möglich macht; seine Werke und sein in eine Geschichte zu verwandelndes und verwandelbares Leben.
Dass gleich am Anfang des Romans das erzählende Ich, einsam und verlassen von allen Menschen, auf seinen Tod wartet, ist ein Indiz, dass dem Tod eine besondere Bedeutung zugewiesen wird : ”Von nun an sprangen meine Stunden über andere Zeiger. Mir gebe ich mehr Zeit zum Sterben und dem Tod mehr Zeit zum Leben.“ (PT, 220) Der Tod wird von dem Ich nicht als Endpunkt des Lebens begriffen, sondern der Gedanke an den Tod ist eine Kraft, die für das Leben notwendig ist, um es zu beantworten: “Als Vorbereitung auf den Tod dauert es genauso lang wie erforderlich. Schließlich lebt man nur, um sich auf das Totsein vorzubereiten.“ (PT, 217)
Der Tod als Endpunkt, als letzte Station des Lebens sollte in der chronologischen Abfolge im letzten Kapitel dargestellt werden, er ist aber in der Anordnung des Romans gleich am Anfang. Die hier verwendete Erzähltechnik macht die einen wichtigen Bestansteil der „Vergegenkunft“, Köpfschen Erzählens, aus: Widerstand leistendes Erzählen gegen die lineare Chronologie der Zeit; also die Geschichten werden nicht in der zeitlichen, lebensgeschichtlichen Abfolge und ereignis- oder psychologieparallel erzählt, da dieses Erzählen die Fortsetzung des linearen Denkens und des Bestehenden ermöglichen würde. Dass der Tod in der lebensgeschichtlichen Abfolge am Ende steht und dass das erzählende Ich in dem Roman gleich am Anfang von seinem eigenen Tod berichtet und der Roman fortgesetzt wird, ist ein Indiz dafür, dass für das Ich nach dem Tod eine gewisse Zukunft in Frage kommt.
Diese Situation ist zugleich auch eine Schlüsselstiuation, auf die die Erinnerungsebene und die Reflexionsebene des Romans verweisen. Die Erinnerungsebene und Reflexionsebene gehen folgen aufeinander und abwechselnd. Die Erinnerungebene verweist auf das früheres Leben des Künstlers, seine Geburt, seine Schuljahre, seine berufliche Laufbahn, auf den Umgang mit den Menschen, mit seiner Frau, seinen Kindern, auf seine Erfahrungen mit den anderen Architekten, den Kritikern und und sein Antipode Winckelmann.
In der Reflexionsebene sind seine Urteile über die Geschichtlichkeit, das Leben, den Tod, die Kunst, den Künstler, das künstlerische Werk dargestellt. Sie werden im Präsens wiedergegeben. Die Erinnerungsebene ist überwiegend im Präteritum oder im Perfekt gehalten. Aber es gibt auch Ausnahmen, wo eine vergangene Begebenheit mit dem Präsens dargestellt wird, wie z.B. die Stelle, wo von der Auswirkung der griechischen Kunst auf Maler in Paris erzählt wird: „Paris, 1790: (...) sie behaupten, sich in ihrer Kunst und ihrer Lebensführung nach dem Vorbild des antiken Griechenlands zu richten, um der neuen Republik die Tugenden des alten Athen wiederzugeben.“ (PT, 182)
Auf der gleichen Seite wird wieder über Vergangenes erzählt, aber diesmal abwechselnd im Perfekt und im Präteritum: „Wien. 1890: die Ringstraße ist vor kurzem fertig. (...) Maler und Architekten wühlten dabei in der Vergangenheit wie ein Opernregisseur in der Requisitenkammer. Selbst das Parlament wurde im klassischen griechischen Stil gebaut.“ (PT, 182) Eine Seite weiter ist von Hitler die Rede, dessen ehemaliger Wohnort in Wien im Präsens beschrieben wird, dem dann auch Futur folgt: „Ebenfalls in Wien, in einem weniger eleganten Viertel, nicht weit vom Westbahnhof, im Haus Nr. 29 der Stumppergasse, wohnt seit 1907 ein junger Mann namens Adolf Hitler. Er will Künstler werden, versagt aber bei der Aufnahme in die Akademie. Kümmerlich lebt er vom Verkauf seiner Zeichnungen und Aquarelle, auf denen er immer wieder die Prunkbauten der Ringstraße darstellt. Einige Jahre später wird er eine Reihe weiterer verkrachter Künstler um sich scharen, um mit ihnen die Welt ins Unheil zu stürzen.“ (PT, 183) Dass hier vergangene Ereignisse im Präsens dargestellt werden, deutet darauf hin, dass sie nicht vergangen sind, sie gehören eben durch ihre Auswirkungen auf Heute zum Jetzt.
Durch die Reflexionsebene werden die Handlungsstränge ständig unterbrochen. Piranesi berichtet über seinen Umgang mit seiner Frau, dann folgen seine Reflexionen über die künstlerische Existenz und das Kunstwerk, die Architekten. (Siehe PT, 86-90)
Die Bedeutungsebene wird erst erschlossen, wenn die Beziehungen zwischen der Erinnerungsebene und Reflexionsebene erraten sind. Beide Ebenen werden bewußt unterbrochen, um die Aufmerksamkeit des Lesers auf die Verbindungen beider Ebenenen zu lenken. Die Erinnerungs- und Reflexionsebene sind aufeinander angewiesen, da in der Reflexionsebene die Handlungen kommentiert werden.
Einerseits nähert er sich im Sterbebett durch Erinnern seiner Geburt, seiner Kindheit, seinen Erfahrungen in den Schuljahren und erkennt in der Zeitreise kein Ende; er ist sogar bereit, bis zu dem Ursprung der menschlichen Geschichte zu gelangen, um sich über seine Lebensgeschichte und die Geschichte des Bauens klar zu werden. Auch die Geschichte des Bauens gehört zu seiner Lebensgeschichte „Das antike Rom war von Kindesbeinen an meine tiefste Erfahrung, und jedwede tiefste Erfahrung will unersättlich, will bis ans Ende aller Dinge Wiederholung und Wiederkehr, will die Wiederherstellung des Ursprungs, von dem sie ihren Ausgang nahm.“ (PT, 237) Andererseits verweist er in der Zeitreise in seine Vergangenheit auf die zukunftweisende Zeitrichtung. Als der Baumeister, der er nie werden konnte, sieht er sich mit einer zeitlichen Auseinandersetzung mit den vergangenen Architekten konfrontiert, um in der Zukunft zu existieren: “Mit komischer Verzweiflung, ein Vergeuder meiner Schmerzen, nie den Glauben aufgegeben, vom Schicksal zu etwas ausersehen zu sein, das jenseits der Baumgrenze anderer Baumeister lag. So ein Glaube läßt sich nicht erwerben, sondern er wächst wie ein Baum, dessen Krone himmelwärts strebt, während die Wurzeln hinab in die Vergangenheit wachsen.“( PT, 10) Die eine Zeitrichtung ist ein Hinweis auf die Vergangenheit, die nicht abgeschlossen ist, die mit seiner Geburt nicht endet, über seine Geburt hinaus sich weiter erstreckt in die frühere Vergangenheit und die andere Richtung ist auch nicht abgeschlossen, sie nimmt kein Ende mit seinem Tod, da der Tod kein Ende bedeutet, sondern darüber hinaus der Künstler seine Wirkung durch sein Werk weiter fortsetzt. Hier ist deutlich von zwei Zeitrichtungen die Rede. Die eine verläuft rückwärts in die Vergangenheit und die andere vorwärts in die Zukunft. Die beiden sind aber nicht abgeschlossen, sondern offen und können als ein beliebig verlängerbarer Zeitraum begriffen werden, sobald es ein Zeichen, eine Spur gibt, die diese Verlängerung ermöglicht.
Zugleich ist die durch seine Erinnerungen heraufbeschworene Zeitreise in die Vergangenheit, seine Geburt, seine Kindheit ein Hinweis auf den schmalen Pfad des Künstlers; er kann aber nicht die lebensgeschichtlichen Ereignisse verfolgend begriffen werden, sondern nur indem die Entwicklung in der Erinnerung und in der Reflexionsebene in Verbindung gebracht wird.
Piranesi berichtet von seiner Geburt derart, als habe er seine Geburt bewußt erlebt und erzählt auch davon, dass er durch einen Zufall am Leben geblieben ist : “Die Hebamme umklammerte mit ihrem Würgegriff meine Beinchen, hielt mich kopfunter und verpaßte mir den üblichen Schlag. Doch ich reagierte nicht. Hin und her wurde beraten, was zu tun sei. Zuerst wickelte man mich in feuchte Tücher, schließlich legte man mich in eiskaltes Wasser. Schon glaubten meine Eltern mich aufgeben zu müssen, denn ich hatte noch immer keinen Ton von mir gegeben. Da wirbelte mich der zufällig des Weges kommende Totengräber mehrmals wie eine Keule durch die Luft, packte mich in den Windeln und schob mich in das vorgeheizte Ofenrohr, darin ich kläglich zu schreien begann.” (PT, 31)
Schon die Geburtsszene und die am Anfang dargestellte Todesszene bilden eine Überraschung. Die Fiktion wird durch Erinnerungen, die den Tod und die Geburt des erzählenden Ich vergegenwärtigen, zur Realität. Indem er sich an seinen Ursprung, der nicht mit seiner Kindheit begrenzt ist, erinnert, versucht er auch in seiner Vergangenheit auf die zukunftweisenden Elemente hinzuweisen. Es sind die Erfahrungen in seiner Vergangenheit, d.h in seiner Kindheit, in seinen Schuljahren, die für ihn zugleich für seine zukünftige Entwicklung von ausschlaggebender Bedeutung sind.
Diese Erinnerungen bereiten den Leser zugleich auf den Verlauf der Zukunft von Piranesi vor: „Ich war von zu Hause begabt, aber was sage ich da, – jetzt ist es bereits zu spät, es noch abzuleugnen – als ganz ungewöhnliches Genie kam ich zur Welt.“ (PT, 31) Der Kupferstecher Piranesi berichtet davon, dass sein Vater Steinmetz war (siehe PT, 32) und er seine künstlerische Begabung im familiären Umfeld nicht fördern konnte: “Dabei war der Wille zur Kunst der Klasse meiner Herkunft ursprünglich fremd, da sie sich hauptsächlich in der Tüchtigkeit des Dienens geübt hatte.” (PT, 32) Er erzählt von seiner Neigung zum Bauen vor seinen Schuljahren: “Im Alter von drei Jahren entwickelte ich eine eigenartige Tüpfeltechnik, und schon ein Jahr später begann ich, Gegenstände in der Perspektive zu zeichnen.” (PT, 35) Sein Vater veranlaßt den Jungen bei seinem Schwager, dem Baumeister in die Lehre zu gehen. (siehe PT, 33) Er hat außerordentliche Eigenschaften: „Ich hatte einen Blick, so wurde mir nachgesagt, als könnte ich durch Mauern sehen.“ (PT, 35)
Schon von seiner Kindheit an: „Und als Kind hörte ich am liebsten die Geschichten von einstürzenden Türmen, die von Blitzschlag, Brand, oder Erdbeben gefällt wurden. Dabei dachte ich, nach oben gebe es keine Grenze.“ (PT, 16) geht es ihm darum, durch aus den Büchern gewonnene Vorstellungskraft, die Grenzen zu überschreiten, zu sprengen und seine Phantasien, seine Hoffnungen in die Höhe zu schrauben, und sich neue Visionen anzueignen: „Mit jedem Jahr ist mein Blick ausschließlicher in die Ferne gerichtet.“ (PT, 14)
Den Wendepunkt in seiner Kindheit erlebt er durch seine Bekanntschaft mit den Büchern, mit den Leseerlebnissen, die die Grenzen überschreitende Welt erfahrbar machen. (Siehe PT, 34) Den Leseerlebnissen mißt er eine derart wichtige Bedeutung bei, die seine Vision, seine Vorstellungskraft, seine Phantasien anregen und ihm als Zufluchtsort dienen, wo er sich vor den äußeren Gefahren schützt: “Ich habe mich immer in die Bücher wie auf eine Insel gerettet. Bücher haben in die Geschichte eingegriffen. (...) In ihnen sind die Hoffnungen ebenso aufbewahrt wie die Widersprüche, an denen diese Hoffnungen zerbrochen sind. Und sogar die Freiheit hat häufig zuerst und zuletzt zwischen den Buchstaben genistet.” (PT, 30 ) Er verbringt seine Zeit mit den Büchern, die ihm die Gelengenheit geben, die Geschichte als Wirklichkeit zu erleben, was ihm sonst versagt geblieben wäre: “Erlebt man geschichtliche Daten durch Imagination, kann die Wahrheit Wirklichkeit werden. Das Lesen und Vorlesen hat mein Leben entschieden.” (PT, 34)
Sein Umgang mit den Büchern, mit der Zeitreise in die Vergangenheit über seine Geburt, die Geschichte seiner Familie, seiner Sippe hinaus ist auch eine Möglichkeit sogar eine unabdingbare Voraussetzung für den Architekten, seinen eigenen Standpunkt in der Baukunst zu bestimmen: „Mir verschafft die Antike die Gelegenheit, meine eigene Kunst in ihrer historischen Stellung zu legitimieren und sie in ihrer Reihe mit antiker Architektur zu sehen und von dieser herzuleiten.“ (PT, 39) Als Piranesi zwischen 20 und 30 Jahre alt gewesen war, begann er über das Wesen der Zeit nachzudenken. Die Zeitreise in die Vergangenheit und in die Zukunft ist zugleich die Arbeit an sich, ein Selbsterschaffungsprozess: “Mein letzter, der Kunstwelt bislang gänzlich unbekannter Stich bewahrt den Prozeß seines eigenen Enstehens.“ (PT, 244) Erst durch diese Arbeit, sei es mit der Kupferstecherei, mit dem Zeichnen, dem Bauen oder der Malerei eröffnen sich neue Möglichkeiten, sein Ich zu erfinden: „Die Arbeit mit der kalten Nadel enthält die Erfahrung des Sehens und widersetzt sich dem Prozeß des Verschwindens und des Vergessens. Gewiß, meine Radierungen sind statisch. Sie halten das antike Rom fest. Aber ist ist nicht so, wie es gesagt ist. Sie bauen es vielmehr neu, denn dieses Rom habe ich erfunden. Es ist meine Schöpfung“ (PT, 245)
Diese Erinnerungsarbeit umfaßt und erfüllt seine Gegenwart, in der er außer dieser Tätigkeit nichts unternehmen kann, worüber er sich aber nicht beschwert: „Mit rastlosem Fleiß und hektischer Ungeduld suchte ich das Geheimnis der antiken Ruinen zu ergründen, studierte und skizzierte ich die Trümmerfelder vor Ort (...) Die Folge davon war ein körperlicher und seelischer Zusammenbruch, der mich über Wochen ans Fieberbett fesselte. (...) Der Wahnsinn umgab mich wie eine goldene Wolke. (...) Diese Phantasien jedoch, die mein Bettzeug tränkten, habe ich nicht nur als schmerzhaft, sondern auch als höchst genußvoll und stimulierend empfunden, spielten sie mir doch jene Bilder vor Augen, die ich bald zu Stein werden lassen wollte.“ (PT, 40)
Die Tätigkeiten, sei es Bauen, Malerei und Zeichnen, mit denen Piranesi sich in seinem ganzen Leben beschäftigt, bekommen unbegrenzte Dimensionen für ihn. Bauen ist für ihn eine Tätigkeit, durch deren Vollzug er sich seiner Existenz bewußt wird: „Das Bauen ist einem Baumeister nichts anderes als ein ewiger Kampf, den der Künstler mit den übrigen Menschen um seine hervorragende Bedeutung kämpft.“ (PT, 43) Bauen ist Maß aller Dinge: „Mein Traum war das Bauen, denn die Architektur schafft Zusammenhänge. Sie setzt aus Steinen Mauern, aus Mauern Häuser, aus Häusern Städte zusammen.“ (PT, 226) Malerei ist eine Beschäftigung, wodurch er unsterblich werden kann: „Doch die Radiernadel ließ mich nicht los. Unentwegt berührte sie die letzten Dinge. Sie ist noch viel erbarmurgsloser als das unsichtbare Denken, weil sie jenen Härtegrad hat, der Dauer und Überleben in sich trägt.“ (PT, 41I)
Er interessiert sich für all die Gebäude, sogar die Chinesische Mauer, die zwischen dem 3. Jahrhundert v. Chr. und dem 15. Jahrhundert n. Chr. erbaut wurde. Er erzählt vom 33. Jahr, als sich die Chinesische Mauer im Bau befand, etwa eintausendsiebenhundert Jahre bevor Piranesi zur Welt kam: „Ich war schon dabei, als jene Große Mauer gebaut wurde, die sogar vom Mond aus zu sehen ist. Im 33. Jahr warf man im Nordwesten die Hung-no zurück.“ (PT, 14) Ihm geht es nicht nur um die Überschreitung zeitlicher Grenzen, sondern auch der örtlichen. Er stellt sich Venedig nicht nur als eine isolierte Stadt vor, wo er lebt, sondern in Beziehung zu den entlegensten Kontinenten der Welt: „Venedig hatte schon immer eine Beziehung zu Australien“ (PT, 27) Er beabsichtigt, den Boden herkömlicher Gedanken zu erschüttern, indem er die symbolischen Gebäude nicht auf ihren bekannten Plätzen, sondern anderswo zu errichten träumt: „Manchmal träume ich davon, nächtens heimlich den Turm von Pisa nach Venedig und den Campanile nach Pisa, den Eiffelturm nach London und den Tower nach Paris, ja sämtliche Türme (...) hin und her zu versetzen.“ (PT, 15) Er versetzt nicht nur den Eiffelturm, der erst hundert Jahre nach seinem Tod erbaut wurde, sondern auch die festgelegten Daten. Er spielt mit den Daten, stellt sie in Frage, um die Aufmerksamkeit des Lesers zu prüfen und auch den Gedanken bei dem Leser zu erwecken, an dem Geschriebenen, Festgelegten, Endgültigen zu zweifeln.
Erst durch die Überschreitung der herkömmlichen Grenzen eröffnen sich neue Möglichkeiten, nach neuen Ufern, neuen Erfahrungen zu gelangen, das getrennte Ganze in den Details zu sehen: „Grenzen trennen und scheinen unverrückbar. An ihnen machen die Menschen ihre Erfahrungen. Doch es genügt nicht, nur an Grenzen zu stoßen: sich selbst muß man an Grenzen stoßen, denn an den Grenzen scheiden sich Länder, Zeiten und vor allem die Geister.(...) Die Grenze ist nicht das, wobei etwas aufhört, sondern die Grenze ist jenes, von woher etwas beginnt. Grenzen als gegeben hinzunehmen, das kann kein Künstler akzeptieren.“ (PT, 169)
„Piranesis Traum“ verweist auf den leidvollen, selbstquälerischen, selbstgewählten dünnen Pfad, auf den der Künstler sich begibt, auf dem er wandelt, um seine künstlerische Existenz zu verwirklichen. Die die Grenzen überschreitende Verantwortung kennt keine Grenze. Seine Verantwortung als Künstler ist nicht geringer als diejenige Gottes. Als Baumeister versteht er die Welt aus der Perspektive der Architektur. Auch der Architekt ist ein Gott: „Vielleicht kann sich heutzutage die Architektur nur noch auf sich selbst beziehen, das heißt auf den Architekten als Bezugspunkt aller Dinge. Vielleicht definiert nur noch er, was Oben ist und was Unten. Vielleicht ist der Architekt der letzte Gott.“ (PT, 226) Den Architekten fällt eine Gott vorenthaltene Funktion zu. Es sind die Baumeister, durch deren Gebäude die Welt zerstört wird: „Die sogenannten Architekten und insgesamt alle Baumeister und Bauleute sind nichts als Zerstörer und Vernichter der Erdoberfläche, mit jedem neuen Bauwerk, das sie bauen, begehen sie ein neues Verbrechen gegen die Menschheit, jedes Bauwerk, das heute von den Baufachleuten gebaut wird, ist ein Verbrechen!“ (PT, 26)
Es wird aber wiederum der Architekt sein, der die seit dem Beginn des Bauens zerstörte Welt wieder in eine dem Menschen angemessene Ordnung bringen wird. Da ist jeder Stein in dem Gebäude, jedes Gebäude in einer Stadt, und jede Stadt auf der Welt von außerordentlicher Bedeutung. Das ist der Gedanke, dessen die Architekten nicht bewußt sind, der aber zur Zerstörung der Städte führt. Piranesi versucht sich nicht nur gegen die Architekten, die die Welt vernichtet haben, sondern auch gegen die göttliche Macht durchzusetzen. Obwohl er ein Mensch ist, der zum Sterben, zum Vergänglichen verurteilt ist, erklärt er sich bereit, die göttliche Macht durch seine Arbeit in Frage zu stellen und göttliche Attribute wie die Unsterblichkeit, Überzeitlichkeit, schöpferische Kraft zu erkämpfen und mit Gott zu hadern.
Der Künstler erkennt in Gott seinen Rivalen und weist hochmütig darauf hin, dass Gott vor der Macht und Kraft, die von seinem künstlerischen Schaffen und Werk hervorgeht, zittert und zittern muß: „Aber ein teuflischer Gott, der mürrisch über seiner Schöpfung hockt, hat mir kurz vor dem Ziel mit wütend zusammengebissenen Zähnen einen riesigen roten Stolperstein namens Ayers Rock in meinen Traumpfad geworfen, mit dem besonders die untergehende Sonne Schreckliches anrichtet. Vermutlich hat er ihn mit all jener wütenden Häme gegen mich geschleudert, derer ein Gott überhaupt fähig ist: weil er befürchten mußte, in mir seinen Meister gefunden zu haben.“ (PT, 17)
Ihm geht es nicht darum, sich mit den weltlichen Maßstäben zu begnügen, weil das, was man erreicht, sterblich, vergänglich ist. Er ist focussiert auf die überzeitliche, göttliche Ordnung, nicht einmal Gott könne mit ihm Schritt halten. Was einem menschlichen Wesen auf der Erde Glück verspricht, lehnt er von Anfang an ab, da er das Glück nicht unter den Menschen finden kann: Er fühlt sich nicht zum menschlichen Wesen gehörig: „Genaugenommen ist aber meine ganze Existenz ein Irrtum. Ich selbst halte mich für eine fatale Abnormität der Menschennatur.“ (PT, 70) Als Mensch versucht er die göttliche Ordnung zu überbieten, nicht unter dem Niveau göttlicher Ordnung zu bleiben. “Nur die Natur mit ihrem ewig wiederkehrenden Zyklus wirkte auf mich wie Balsam. (...) Die Architektur verwandelte sich mir in die Natur zurück.“ (PT, 171)
Was sich an dieser ewigen, d.h. göttlichen und sich wiederholenden Ordnung in der Natur abmessen kann, ist nur ein Kunstwerk, ein Gebäude, in dem sich auch diese Ordnung widerspiegelt und auch wiederholt werden kann. “Denn nun wurde der Übergang der Kunst in die Natur zu meinem Thema.“ (PT, 173) Für ihn ist der Erwerb weltlicher Errungenschaften keiner Mühe wert. Ihm geht es nur darum, wiederholt zu werden: „Vielleicht ist das Glück der Wunsch nach Wiederholung.“ (PT, 210 ) Die in der Natur existierende und sich wiederkehrende Ordnung ist sein Maßstab zugleich auch derjenige der Kunst, durch deren Vollzug der Geist, um den es sich darin handelt, aus der Vergangenheit in die Gegenwart heraufbeschworen werden kann: „Die Kunst, so fand ich heraus, versieht nebenbei die Aufgabe, zu konservieren, auch erloschene, verblichene Vorstellungen ein wenig wieder aufzufärben; sie flicht, wenn sie diese Aufgabe löst, ein Band um verschiedene Zeitalter und macht deren Geister wiederkehren.“ (PT, 38)
Der Künstler kann die Unsterblichkeit nur durch die Kunst erlangen, die zugleich einzige Möglichkeit ist, mit dem Göttlichen zu hadern, sich gegenüber Gott durchzusetzen. Eine Bemühung aber, die ihm das Leben kostet: „In endlosen Selbstgesprächen hielt ich mir tosende Predigte und versicherte mir, nur das Künstliche verschaffe Aussicht auf eine künftige Wirklichkeit. Nur das künstliche Kunststück lebt. Der es schafft, ist tot.“ (PT, 101)
Das Künstliche, das Ewige, das Weltliche und das Menschliche befinden sich in einem unüberwindbaren Widerspruch. Auf der herrschenden Welt scheinen andere Werte als diejenigen zu herrschen, denen er sein Leben verschreibt: „Fortwährend hatte ich den Wunsch, Kontakt aufzunehmen, aber meine Kräfte schwanden bei jedem neuen Anlauf nur noch mehr. Hinzu kamen die Gemeinheit und die Bosheit und Hinterhältigkeit meiner nur am Geld, am Fressen, Saufen und Huren interessierten Umgebung, die sich mehr und mehr und in allen Erscheinungen einzig zu dem Zwecke zusammenzog, um mich zu zerstören und gänzlich zu vernichten, wogegen ich vollkommen machtlos war und ohne jeglichen Schutz. Überall sehe ich Stumpfsinn, Habgier und Heuchelei am Werk, es herrschen nurmehr Brutalität und Niedertracht.“ (PT, 41)
Jeder seiner Versuche, mit der äußeren Welt zu kommunizieren, scheitert, da er sich von der Außenwelt bedroht fühlt. Die Kommunikation, die in Frage kommt, ist das Selbstgespräch, da er auf jede Kommunikation mit den anderen verzichten soll, wenn er Überzeitlichkeit, schöpferische Tätigkeit und wiederkehrende Ordnung als Maßstab in seinem Leben akzeptiert; all die weltlichen Werte sind auch abzulehnen: “Adel gibt es allein in der Verneinung des Daseins, sagt der Philosoph.“ (PT, 30) Um den herrschenden Strömungen nicht zu verfallen, bleibt ihm die Einsamkeit als die einzige Existenzgrundlage übrig, um sich seiner Arbeit widmen zu können: „In Mode zu sein aber bedeutet, sich zum Verbündeten seiner eigenen Leichenträger zu machen. Das ist die grösste Gefahr für einen Künstler, weil er dabei nur allzu gerne auf seine eigene Eitelkeit hereinfällt.“ (PT, 67)
Die Auseinandersetzung mit der vorgegebenen Welt ist die einzige Voraussetzung. Den Kampf mit dieser unvernünftigen Welt aufzugeben, und sich an diese Umstände anzupassen, kommt nur um den Preis des Selbstverlusts in Frage. Von der Verantwortung, sich zu diesem Kampf zu stellen, kann Piranesi sich nicht loslösen. Er kann sein Ich erst in dem Kampf gegen die existierende Welt verwirklichen: “Wir kommen in eine uns vorgegebene, aber ganz und gar nicht auf uns vorbereitete Welt und müssen mit dieser Welt fertig werden. Werden wir nicht damit fertig, so gehen wir zugrunde.” (PT, 31) Er setzt sich all den Qualen, Leiden, die ihm die Außenwelt auferlegt, Geduld ist da gefragt, um die künstlerische Existenz zu erkämpfen, damit die Kunst überhaupt existieren kann: „Nicht nachlassen, sagte ich mir wieder immer, nicht aufgeben. Die Verhöhnung, die Verspottung ertragen. Die Kunst verkommt, wenn der Künstler darin nachläßt, die Verhöhnung und Verspöttung zu ertragen. Alle Welt hat mich für wahnsinnig erklärt, doch ich mußte hinnehmen.“ (PT, 137)
Es sind die Bücher, die ihm in seinen einsamen Tagen einen sicheren Unterschlupf vor den äußeren Gefahren bieten und auch die Arbeit: „Die Arbeit war die bitterste Medizin.“ (PT, 138) Bauen ist die Tätigkeit, in der er sich ausdrücken und bestätigt fühlen kann: „An allem habe ich gezweifelt, an allem bin ich verzweifelt, nur nicht an der Baukunst. Ein guter Baumeister denkt stets über seine Gebäude hinaus. Außerhalb des Bauens gibt es kein Heil und keine Rettung. Die Baukunst ist körperlicher Ausdruck meines Wesens. In diesem Bergwerk bin ich zu Hause“ (PT, 10)
Die Einsamkeit, die Arbeit und die Bücher sind sein Zuhause, da sie ihm ermöglichen, göttliche Werte zu erwerben. Die überzeitlichen Werte sind für ihn ein Maßstab. Er hat niemanden, auf den er bauen kann. Alle haben ihn im Visier. Auch seine Frau gehört zu denen, die ihm eine Falle stellen:“Ich bin immer von allen Menschen betrogen worden. Ich wurde von meiner Frau, von meinen Freunden, überhaupt von allen Menschen ununterbrochen betrogen. Das Leben ist nichts als eine große Verschwörung, um mich hereinzulegen.(...) Ich gehöre nicht in die hurengesichtige Masse, ich gehöre in mich selbst.“ (PT, 18)
Piranesi gelingt es nicht, seinen Traum zu erfüllen, bauen zu können. Der Grund für sein Scheitern sind die Mächtigen, die Kritiker, die Kunsthistoriker, Winckelmann. Die Auseinandersetzung von Piranesi mit den Kritikern geht auf seine Feststellung zurück, dass die Kritiker und die Kunsthistoriker den Künstlern vorschreiben, was und wie die Künstler bauen sollten. Durch ihre Arbeit dienen sie nicht dem Publikum, sondern den Herrschenden, dadurch reproduzieren sie die Macht der Herrschenden und tragen nicht der Verbreitung des Kunstwerks oder der Aufklärung des Publikums bei, sondern der Etablierung des Bestehenden. (Siehe PT, 135)
Auch seine Auseinandersetzung mit Winckelmann geht auf dieselbe Tatsache zurück. Winckelmann vertritt eine beschränkte Vorstellung von der Geschichtlichkeit und der Kunst im Vergleich zu Piranesi. Während Winckelmann behauptet, dass die Erneuerung der Kunst nur in der Nachahmung der griechischen Kunst (Siehe PT, 113) vollzogen werden kann, vertritt Piranesi die Auffassung, dass es nur dann gelingen kann, wenn sowohl die griechische, als auch die römische und die ägyptische Kunst in eine Beziehung gebracht werden und eine Synthese aus ihnen entsteht. Der Künstler soll auf keinen Fall eine gegebene Epoche in der Vergangenheit verehren, sondern sich auf eine ständige Suche nach geeigneten Methoden begeben. Erst in dieser Suche kann er seine Kunstvorstellung erfinden: „Wer mit klugem Bedacht das Griechische, das Etruskische und das Ägyptische miteinander verbindet, öffnet sich zugleich den Weg zu neuen Ornamenten und neuen Ausdrucksmitteln. Ich glaube an die schöpferische Macht der Kombinatorik und des Amalgamierens.“ (PT, 167)
Winckelmann bejaht die Autorität, ist auf Beifall Ruhm, Prestige, Geld angewiesen. (Siehe PT, 181) Dabei wechselt er sogar seinen Glauben, tritt zum Katholizismus über, um seinen Zugang zu den Herrschenden zu erleichtern.(Siehe PT, 113) Aber es stellt sich heraus, dass es ihm dabei an erster Stelle nicht auf den Glauben ankommt, sondern auf die Vorteile, die erst durch diesen Glaubenswechsel in Frage kommen. Der Beweis ist die Aussage seines Mörders: „Nie wollte Winckelmann mit mir in eine Kirche oder zur Messe gehen; wenn er an einer Kirche vorüberging, nahm er den Hut nicht ab. Und oft las er in einem großen Buche, das weder deutsch noch französisch noch italienisch, sondern in einer anderen Sprache gedruckt war, die ich nicht kannte. Deshalb hielt ich für das Ketzerwerk einer Geheimlehre, was sich hernach als griechische Ausgabe des Homer herausstellen sollte.“ (PT, 123)
Es ist auch Winckelmanns Kunstvorstellung, die zum Verhängnis von Piranesi wurde. Er wollte römische Gebäude errichten, erhielt aber keine Bauaufträge wegen Winckelmann, nach dessen These griechische Kunst zum Vorbild genommen und nachgeahmt werden sollte, um originell zu werden, so Winckelmann: „Das allgemeine vorzügliche Kennzeichen der griechischen Meisterstücke ist ..... eine edle Einfalt und eine stille Größe, sowohl in der Stellung als auch im Ausdrucke.(...) Der einzige Weg für uns, groß, wenn es möglich ist, unnachahmlich zu werden, ist die Nachahmung der Alten.“[68] Diese paradoxale Auffassung wurde zur leitenden Idee in der Klassik, einerseits öffnete sie die Türen für die griechische Kunst, andererseits stellte die römische Kunst aber in den Hintergrund, was nicht nur Piranesi, sondern auch die Menschheit zu der Katastrophe, nämlich zum zweiten Weltkrieg führte.
Der 9. November 1778 ist Piranesis Sterbetag. Aber das ist ein gefälschtes Datum. (Siehe PT, 219) Piranesi stirbt nicht, da die Künstler nicht sterben. Es ist sein Scheintod: „Erst nach meinem angeblichen Tod wurde ich, die Figur, zur Gestalt.“ (PT, 219) Piranesi berichtet von seinem eigenen Tod und auch von den Möglichkeiten, die der Tod ihm bietet; die Überwindung der zeitlichen und örtlichen Grenzen: „Ich starb im gleichen Zustand, in dem ich geboren wurde. Seit diesem Zustand bin ich grenzenlos geworden und unvorhersehbar für mich selbst. Tränen habe ich gelacht über meinen Größenwahn.“ (PT, 216)
Es gilt eine veränderte Einstellung zum Tod zu finden: „Was sind alle Anstrengungen der Menschheit im Vergleich zu dem vergeblichen und lächerlichen Versuch, sich dem Phänomen des Sterbens zu widersetzen, indem man einen Sinn zu geben versucht, als ob man ihm je einen anderen Sinn geben könnte als den, den er hat?“ (PT, 30) Für den Geist gibt es keinen Tod. Erst in der Suche nach einer neuen Einstellung zum Tod erfährt er eine ausgedehnte Zeitvorstellung: „Das Sterben ist eine Kleinigkeit für den, der genügend Phantasie hat. Es gibt Augenblicke unseres Daseins, in denen Zeit und Ausdehnung sich vertiefen und das Gefühl eine Erhöhung ins Unermeßliche erfährt.“ (PT, 216) Diese Zeiterfahrung vermittelt die Übersicht über die Zeit, die Orte, das Leben. Er kann durch diese Zeiterfahrung wie Vögel fliegen: „Dieses Hinaufschauen habe ich von den Vögeln gelernt. Noch einmal nahm ich alle mir noch zur Verfügung stehende Kraft zusammen und raffte mich zu einem letzten Zyklus auf.“ (PT, 199) Zu dem Leben eine gute Beziehung zu haben, schließt auch ein, dass zuerst die Fragen über den Tod geklärt werden sollen: „Friedhöfe dienen ausschließlich der Belehrung und Beruhigung, weil sie der einzige Ort sind, der nicht von der Katastrophe ablenkt. Sonst besteht unsere ganze sogannte widerliche Kultur ja nur darin, von der Katastrophe abzulenken.“ (PT, 224)
Er versucht nach seinem Tod aus dem Traum zu erwachen, da er sich das Leben auch als einen Traum vorstellt: “Gleich, was wir tun, wir bleiben Opfer unserer Leidenschaft, wir sind in einem Traum, liegen halb über, halb unter der Erde, und undurchdringlich unsere träumenden Häupter.“ (PT, 10) Nach seinem Tod setzt er mit seinen Reflexionen über die Kunst, sein Leben nach seinem Tod, die historischen Ereignisse, die Gründe, die zum Zweiten Weltkrieg geführt haben, die Gefahr atomarer Zerstörung der gegenwärtigen Welt fort: „Uns und noch Generationen überdauern werden die Ruinen der Kernkraftwerke als Sinnbilder für eine vergangene Zukunft“ (PT, 235)
Piranesi erzählt nach seinem Tod weiter, wie Winckelmann, Kritiker, Baumeister, Architekten die Welt zerstört haben, indem er ihre Rolle im Vordergrund bei der Entstehung des Zweiten Weltkrieges betrachtet. Die Kritiker, die Architekten und Winckelmann genießen hohes Ansehen, sind berühmt, sind im Dienst der Macht und machen auch Karriere. Es sind die Kritiker, die solchen Architekten zum Ruhm verhelfen, die dann bauen können, die den Mächtigen dienen. Daher ist eine andere Einstellung zu der Geschichte des Bauens notwendig: „Die Geschichte der Architektur muß man andersherum schreiben, das heißt als Geschichte dessen, was nicht gebaut wurde.“ (PT, 184)
Nach Piranesi gibt es eine enge Beziehung zwischen dem zweiten Weltkrieg und den während der Hitlerregierung errichteten Gebäuden, da sie ihre Herrschaft der kriegerischen Pläne in ihren Gebäuden widerspiegeln wollen: „Winckelmanns Schönheitskult läßt die Hakenkreuzfahne über der Akropolis wehen, ordnet selbst die Kriegsziele der Antike unter, bewirkt Hitlers vergaste kunsthygienische Schreckensvision unter Berufung auf die Marmorskulpturen der Griechen, welche angeblich der Sehnsucht eines Volkes nach rassistischer Vollendung gestalterischen Ausdruck verleihen.“( PT, 189-190)
Die Gebäude sind ein Ausdruck der Herrschenden; die Bau- und Kriegspläne stehen in einer unmittelabren Beziehung: „Winckelmann konsequent zu Ende gedacht, heißt Herrschaftsarchitektur, heißt Hitler. Er ist Winckelmanns wahrer Erbe.“ (PT, 188) Und Winckelmann ist mit seiner Kunstheorie „Nachahmung der griechischen Kunst“ ein Theoretiker für Hitler: „In seinen Kunst- und Architektur- Reden berief er sich nicht zufällig immer wieder auf Winckelmann.“ (PT, 190) Piranesi stellt eine geschichtliche Verbindung zwischen Winckelmann und Hitler her, und behauptet, dass Hitler von Winckelmanns Idealisierung der griechischen Kunst und der Griechen ausgehend Idealisierung des arischen Volkes entwickelt hat und hinter der Machtübernahme von Hitler ein falsches geschichtliches Bewußtsein steht, das Winckelmann ausgelöst hat: „Laut Hitler sind die Germanen nämlich die natürlichen Nachkommen des dorischen Volkes, und das Germanentum muß das griechische Erbe für sich beanspruchen.“ (PT, 184)
Nach Piranesi soll der Architekt nicht den Mächtigen dienen, sondern er kann seiner Verantwortung nur dann gerecht werden, wenn er gegen sie Widerstand leistet und sich für die Allgemeinheit einsetzt, auch wenn sie im Begriff ist, ihn zu hindern, diese Aufgabe zu erfüllen: „In der Architektur kann der Schöpfer nicht im geheimen arbeiten, er muß in die Öffentlichkeit treten und mit dem Schritt in die Öffentlichkeit Verantwortung gegenüber der Allgemeinheit übernehmen.“ (PT, 61) Der Architekt ist derjenige, der verschiedene Epochen miteinander in Verbindung bringt: „Architektur treibt Masse durch den Filter des Geistes. Sie ist überhaupt die Kunst, in der die größten Gegensätzlichkeiten vereinigt sind.“ (PT, 60) Auch nach seinem Tod bleibt Piranesi seinem Traum treu und will immer noch bauen, was ihm während seiner Lebenszeit nicht gelungen ist. Er will in Australien bauen: „All meine Kraft hatte ich erbarmungslos darauf verwendet, die Steine am Leben zu erhalten. Der rote Stand dieser Wüste aber wird meine Augen begraben, und wie Sand werden alle meine Traumbauten zerbröseln, einsam, düster, erstickt von einem immerwährenden warmen Wind.“ (PT, 228)
In der Persönlichkeit von Piranesi wird die Künstlerfigur nicht idealisiert, sondern in ihrer Nacktheit dargestellt und auf ihre Unzulänglichkeit hingewiesen. Der Künstler scheitert nicht nur wegen der Außenwelt, sondern auch daher, weil er eben ein menschliches Wesen ist, das sich aber dem Göttlichen, dem Überzeitlichen verschreibt: „Die ganze Welt fürchtet die Zeit, aber die Zeit fürchtet die Pyramiden.“ (PT, 163) Sein Dilemma besteht nicht nur aus seiner Abhängigkeit von den Mächtigen, sondern auch aus der Geschichtlichkeit, die sogar ein Kunstwerk im Laufe der Jahrhunderte, Jahrtausende in eine Ruine verwandelt: „Der Architekt kann heutzutage jede Stadt selbst auf dem Mond entwerfen. Nur bauen kann er sie nicht. Darin wiederholt sich mein danebengelebtes Leben.“ (PT, 87) Auch wegen seiner Unzulänglichkeit scheitert der Künstler Piranesi, weil er, als ein menschliches Wesen, göttliche Eigenschaften erwerben möchte.
Piranesi ist andererseits auf das Geld angewiesen, das er aber weder verdienen kann noch will, weil Geld ein vergänglicher, weltlicher Wert ist. Er kann zwar nicht bauen, aber als Radierer, als Kupferstecher ist er ein erfolgreicher Künstler und bekommt viele Aufträge, kann von der Kupferstecherei seinen Lebensunterhalt verdienen, macht auch große Umsätze. Er empfindet es aber als beleidigend, sein Leben für Gelegensarbeiten zu verbringen, weil Geldverdienen seiner Vision nicht entspricht. Die Kupferstecherei hält er für eine Dekoration, die mit dem Bauen, mit seinem Traum in keinem Zusammenhang steht, eine Beschäftigung, die ihn von seinem Traum abbringt. Er will lieber als Architekt untergehen, als als Radierer oder Künstler zu gelten: „Anstatt meine Träume als Baumeister zu verwirklichen, mußte ich ein Ladengeschäft eröffnen, um mich als Radierer und Kunsthändler zäh über Wasser zu halten. Stellen Sie sich vor: ein Ladengeschäft! Wie ich dieses Krämertum verabscheute. Einerseits ermöglichte es mir mein Auskommen, und war mir insofern willkommen, andererseits fühlte ich mich wie ein Gefesselter.“ (PT, 59)
Er gerät damit in die Abhängigkeit der Mächtigen, der Päpste: „ Der Vatikan: ein Ort des Stumpfsinns, bewohnt von Stumpfsinnigen, über Jahrhunderte am Leben gehalten von Stumpfsinnigen. Der Vatikan glaubt, die Welt höre auf, wo er selbst aufhöre. Nur Stumpfsinnige glauben dies von sich selbst. Die katholische Kirche hat den zerstörten Menschen auf dem Gewissen (...) Millionen und schließlich Milliarden verdanken der katholischen Kirche, hat der Tüftler am Rad der Geschichte und Bruder im Geiste absolut richtig bemerkt, dass sie von Grund auf zerstört und ruiniert worden sind.“ (PT, 162)
Es war derselbe Piranesi, der mit Bitterkeit hinnehmen sollte, dass seine Bauaufträge von den Herrschenden nicht akzeptiert wurden. Er hatte Pläne für Städte und Gebäude entworfen, die von den Herrschenden abgelehnt wurden. ”Vergebens legte ich meine Entwürfe dem römischen Kaiser, dem König von Frankreich, den Päpsten, Kardinälen, Fürsten und Potentaten vor. Alle hörten mich an, alle waren begeistert.(...) Wenn es aber ans Bauen selbst ging, dann schoben sie von Jahr zu Jahr auf: Ja, wenn sich die Finanzlage bessert....“ (PT, 12)
Piranesi möchte die vorgegebene Welt verwandeln, ist aber mit der Realiät konfrontiert: „Nur in der Vorstellungskraft findet jede Wahrheit ein wirkungsvolles und nicht zu widerlegendes Dasein.“ (PT, 34) Der Künstler Piranesi, dessen Willen zu bauen, kein Hindernis auf der Welt aufzuhalten scheint, arbeitet an seinem Vorhaben, und versucht nach seinem Tod nachzuholen, was ihm während seines Lebens versagt bleibt. All seine Versuche erfüllt er nur in seiner Vorstellung. Wenn er aber diese Vorstellung in die Wirklichkeit zu überführen versucht, leistet seinem Vorhaben sogar der Boden Widerstand, auf dem er sein Gebäude errichten möchte. Auch sein letzter Versuch wird zum Scheitern verurteilt. Diesmal gelingt es ihm nicht einmal, in der leeren australischen Wüste zu bauen. Zwar ist die Wüste leer, aber sie ist auch heilig. Sogar die Tiere hatten schon ihre Pfade, ihre Territorien als ihre eigenen gezeichnet und sie haben auch ihre Spuren hinterlassen. Auch die Tiere riskieren ihr Leben, um ihre Territorien vor den Eindringlingen zu schützen. Außerdem hat Piranesi festzustellen, dass auch Ayers Rock ein heiliger Platz ist wie die anderen heiligen Berge, die nicht abzutragen, nicht zu versetzen sind. „Und all die Pfade verbinden und kreuzen sich am Ayers Rock. Er ist ein heiliger Berg, wie der Ararat, wo Noah strandete, ein Heiligtum für die Armenier ist.“ (PT, 242)
Diesmal steht ihm Ayers Rock in der australischen Wüste im Wege, seine Tätigkeit auszuüben. Da ist jeder Stein mit anderen Steinen verbunden.“Und dann sind da gleich nebenan noch immer die Olga-Berge, um die Aussicht ein weiteres Mal zu verstellen. Sie lassen sich so wenig abtragen wie Ayers Rock. Ein Stein ist immer von anderen Steinen umgeben.
Ich hätte das wissen müssen.“( PT, 243)
Die Gründe für die herrschenden Umstände liegen nach Piranesi in dem falschen geschichtlichen Bewußtsein. Die Vergangenheit und die Zukunft gehören zur Gegenwart und sind auch offen, verlängerbar und verfügbar, wenn man durch seine Einbildungskraft die Spuren verfolgt: „Die Vergangenheit dirigiert die Gegenwart wie ein willentlich falsch spielendes Orchester. (...) Aber das Vergangene abgetan sein lassen, die Zukunft der Vorsehung anheimstellen – beides heisst den Sinn der Gegenwart nicht verstehen, die überhaupt nur soweit als Realität gelten kann, als sie durch Treue des Gedächtnisses das Vergangene zu bewahren, durch Bewusstsein der Verantwortung die Zukunft einzubeziehen versteht.“ (PT, 42) Jede Stunde zählt; was durch Jahrhunderte, Jahrtausende als Geschichte entsteht, ist nichts anderes als die Haltungen des Menschen im Alltag: „Auch die Epoche ist nichts als Alltag. Nicht das, was ich war und wie ich handelte, wird den Nachgeborenen zugetragen, vielmehr das, was hinzugetan wurde an Kommentaren in den Erinnerungsgalerien.“ (PT, 220) Es liegt am Mangel des Menschen, der sich seiner Rolle bewußt ist: „Ich schaue mir diese Menschen an und weiß, dass jeder von ihnen eine Geschichte, ein Buch ist, das niemals geschrieben werden wird. Geschichte scheint in solchen Augenblicken für sich selbst zu existieren und sich nicht um Menschen zu kümmern, obgleich sie von ihnen gemacht wird.“ (PT, 23)
Dass schon die Kunst eine Übertreibung ist, bringt er bewußt zum Ausdruck: „Ohne Übertreibung keine Kunst. Und ohne Kunst keine existierenswerte Existenz. Aber das ist beiseitegesprochen, natürlich wieder eine Übertreibung.“ (PT, 233) Ihm ist auch klar, dass er die Weltverwandlung, die er sich gewünscht hätte, nicht in Gang bringen konnte. Daran schuld ist nur er selbst. Er sucht nach keinem Verantwortlichen; er fühlt sich schuldig: “Mein danebengelebtes Leben ist voller hilfloser und nutzloser Korrekturen. Fortwährend versuche ich es mit der größten Rücksichtslosigkeit gegen mich selbst zu korrigieren, weil ich in jedem Augenblick erkenne, dass ich alles falsch gemacht habe. Ich habe falsch geschrieben, falsch gedacht, falsch gehandelt, falsch gelebt. Daraus ergibt sich eine einzige Aufgabe: meine ganze Existenz als eine einzige bodenlose Fälschung und Verfälschung anzusehen.“ (PT, 241)
Es stellt sich heraus, dass, was er bauen wollte, nicht unbedingt ein Gebäude ist, sondern er „wollte ein Denkgebäude errichten.“ (PT, 19) Ein Denkgebäude des Künstlerbildes mit all den Idealisierungen und den Unzulänglichkeiten des Künstlers. Gerhard Köpf gelingt es, einen Künstlerroman zu schreiben. Die düstere Einführung am Anfang schwindet gegen Ende und verwandelt sich in die Hoffnung, dass von dem Leser begriffen wird, was für eine Arbeit von ihm erwartet wird, nämlich die Arbeit, die Bewegungen, die Beziehungen der Ebenen des Romans miteinander zu verbinden, und seine noch ernstere Aufgabe zu erkennen, die schlechte Zeit, in der er lebt, in eine gute Zeit zu verwandeln, was aber sein ganzes Leben beanspruchen kann. Piranesis Traum, Hoffnung ist an den Leser gerichtet: „Wir leben doch nie in der richtigen Zeit, wir leben doch immer nur in der falschen Zeit. Ich kenne keinen Menschen, der in der ihm angemessenen richtigen Zeit lebt. Denn das ist die Kraft, die uns durch die Jahre treibt(...) Diese Kraft zwingt uns zur Arbeit, und dabei singt sie und will nicht aufhören. Ein Kunstwerk ist nicht vollendet, wenn es schließlich mit etwas Existierendem übereinstimmt wie die linke Socke mit der rechten, sondern wenn sich der vorausgesehene Augenblick, betrachtet und erkannt zu werden, erfüllt.“ (PT, 247)
3. Aspekte der „Vergegenkunft“
Die „Vergegenkunft“ assoziert einen zeitlichen Begriff, dessen Ursprung auf Günter Grass zurückgeht:
“Wir haben das so in der Schule gelernt: nach der Vergangenheit kommt die Gegenwart, der die Zukunft folgt. Mir aber ist eine vierte Zeit, die Vergegenkunft geläufig. Deshalb halte ich auch die Form nicht mehr reinlich.“[69]
Wie aus dieser Aussage Grass’ ersichtlich wird, ersetzt dieses poetologische Zeitkonzept die Vergangenheit, die Gegenwart und die Zukunft und erfasst die Zeit in einem ausgedehnten Begriff, der die drei temporalen Zeitformen in sich beherbergt und in einem neuen Begriff als „Vergegenkunft“ zusammenfasst. Im Anschluss an Grass kennzeichnet Köpf die „Vergegenkunft“ folgendermaßen: „Die „Vergegenkunft“ ist (nach Grass) die Zeit des Erzählers, die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft miteinander zu einer vierten Erzählzeit verschmilzt.“[70]
Die „Vergegenkunft“, die sowohl der Schriftsteller beim Schreibprozess als auch der Leser beim Lesevorgang auf dem Papier erfährt, und die ihnen die temporalen Zeitabläufe aufzuheben ermöglicht, ist eine alternative Zeiterfahrung, durch die das erlebte Chaos – nach der Aussage von Grass „Auf meinem Papier ist mehr möglich. Hier stiftet einzig das Chaos Ordnung. Sogar Löcher sind Inhalt hier“[71] – in Ordnung gebracht werden kann, was in der temporalen Zeit weder gelingen will noch kann. Dies läßt auch deutlich erkennen, dass sich „die vierte Zeit auf dem Papier“ als Lösung und neue Zeitvorstellung für die in der „temporalen“ Zeit erlebten Probleme ergibt.
3.1. Diskrepanz in der Zeitauffassung
Köpf, der diesen Begriff von Grass übernommen hat, geht es aber vor allem darum, zu zeigen, dass nur durch die schöpferische Tätigkeit die gegenwärtige Bedrohung der Menschheit, in der sich die Welt befindet, überwunden werden kann. Für ihn bedeutet das Schreiben die einzige Verteidigung gegen das herrschende Chaos der Welt und zugleich die einzige Hoffnung auf eine humanere Welt. „Erzählen ist Widerstand: auch gegen Unvernunft und Ignoranz, gegen die Leitplanken im Kopf, gegen das schleichende Jahrhundertgift, das da heißt Dummheit.“(Ks, 171) Unvernunft wird dabei von Köpf folgendermaßen definiert: „Unvernunft ist das Feiern der Bombe als Krönung der Aufklärung. Unvernunft ist die weltweite Rede von den Friedensarmeen. Unvernunft ist der Kernkraftwahn.“ (VrE, 76)
Nur durch die Arbeit des Schriftstellers kann die Unvernunft rückgängig gemacht werden. Köpf mißt dem Schreiben die Funktion bei, die Humanität auf der Welt zu etablieren. Das hebt er vor allem hervor, wenn er sich über Heinrich Manns schriftstellerische Tätigkeit äußert: “ Das ist die Aufgabe des Schriftstellers als des republikanischen Einzelgängers. Seine Arbeit zielt darauf, Humanität und Vernunft im Leben der Menschen den Platz zu gewinnen, den sie innehaben sollten. Wenn sie oberstes Prinzip des Handelns werden, dann verliert die Unvernunft an Boden. Mit der Vernunft wird sich zugleich die Menschlichkeit durchsetzen. Um deren Realisierung geht es letztich bei aller grossen Literatur.“ (IS, 37)
Die „Vergegenkunft“ ist nichts als, sich mit der erlebten Zeit auseinanderzusetzen. Um der Reichweite und der Bedeutung der „Vergegenkunft“ gewahr zu werden, ist es an dieser Stelle angebracht, darauf ausführlicher einzugehen, wie Köpf seine Zeit erlebt, da die „Vergegenkunft“ auf innigste Weise mit dieser Problematik verbunden ist und in den Mittelpunkt seiner Poetik den Widerstand gegen den Zeitgeist stellt.
Ich stimme dem Urteil von Georg Kempkes zu, dass die „Vergegenkunft“ den Kern Köpfscher Poetik ausmacht, und dass sich die „Vergegenkunft“ mit seiner Poetik deckt. Kempkes formuliert seine Gedanken folgendermassen: „Bei der ‚Vergegenkunft’ handelt es sich um den poetischen Versuch, der Zeit, unserer Zeit gerecht zu werden.“ [72]
Köpf erkennt die historische Verantwortung der schriftstellerischen Tätigkeit in der Auseinandersetzung mit all den etablierten Begriffen, zu denen auch der Zeitbegriff gehört, um diesen bedrohten Zustand der Gegenwart und auch der Zukunft durch eine alternative Zeiterfahrung rückgängig zu machen. Angesichts der erlebten Gefahren hat die Menschheit kein geschichtliches Bewußtsein entwickelt, das solchen globalen Gefahren Einhalt gebieten könnte: „Hiroshima hat unser Bewußtsein nicht gewandelt, weil wir längst daran gewöhnt sind, mit Bomben zu leben, gut nachbarlich. Die von Hannah Arendt beschworene “Banalität des Bösen” steckt in der Schokoladenfabrik und dem Familienidyll des Todespiloten: “es ist unser aller tödliches Idyll, unser aller Glück ohne Gewissen ...Denn überall auf der Welt, in West und Ost, wird gelebt, als ob es Hiroshima nie gegeben hätte.“( MLK, 27)
Köpf kritisiert die Schriftsteller als Vertreter des herrschenden geschichtlichen Zeitbewußtseins und klagt, dass sie auf die geschichtlichen, gesellschaftlichen Umstände nicht reagieren, da er davon ausgeht, dass hinter dieser weltweit verbreiteten Unvernunft auch ein falsches Zeitbewußtsein steht: „Nicht wenige Repräsentanten der jüngsten Schriftstellergeneration, samt und sonders Kinder des Wirtschaftswunders, aufgewachsen in Prosperität und Geschichtsleere, haben kein Interesse an der kritischen Auseinandersetzung mit dem Zustand unserer Republik. Sie wollen sich nicht mehr zu den Ansprüchen der Macht ins Verhältnis setzen und glauben, Wachsamkeit und Einmischung bringe eh‘ nichts, zu ändern sei da nichts mehr, dieses Staatswesen gehe sie nichts mehr an.“(ÄuA, 111) Nach Köpf sollten die Schriftsteller unter solchen Bedrohungen auf die vorhandenen Umstände reagieren: „Der Schriftsteller als Zeitgenosse ist einer, der parallel zu einer Zeit erzählt.“(SuN, 105), um auf den Zeitgeist zu wirken und die Welt verwandeln zu können: „Der Schriftsteller als Zeitgenosse ist eine Zumutung. Die Zumutung besteht darin, dass er sich nicht abschieben lassen will ins Reich Eswareinmal, sondern penetrant Gegenwart und Geschichte zumutet.“(SuN, 105)
Köpf, als Schriftsteller der Gegenwartsliteratur, betrachtet die Aufgabe der Schreibenden in der kritischen Auseinandersetzung mit dem Zeitgeist. Er weist auf das Zeitbewußtsein derjenigen Schriftsteller hin: „Eine neue Variante der Augenblickskunst ist entstanden, die alle Merkmale des Schlaraffenlandes aufweist, in dem niemals an Gestern und Morgen, sondern stets bloß ans Heute gedacht wird — sofern überhaupt noch gedacht wird in mehr oder minder geschickt arrangierten Situationen mit stets demselben ewig wiederkehrenden Personal des Selbstmitleids und der Bewußtlosigkeit.“ (Ks, 67)
Entsprechend der Zeiterfahrung auf dem Papier, wo die Vergangenheit und die Zukunft Elemente der Gegenwart sind, und in einer unmittelbaren Beziehung zur Gegenwart stehen, sollte man einen ähnlichen Umgang mit der temporalen Zeit haben, wie sie die Schriftsteller und die Leser erleben, um die Gegenwart zu begreifen. Köpf geht es nicht darum, die Gegenwart zu bewahren, sondern sie zu verwandeln. Um dies aber zu tun, muß die Vergangenheit, die nicht verändert werden kann, bewahrt werden, wie bei der schriftstellerischen Tätigkeit; damit der Text enstehen kann, soll die Vergangenheit durch Erinnerungen vergegenwärtigt werden. Diese Zeiterfahrung spielt auch in Köpfs temporalen Zeitbewußtsein eine entscheidende Rolle; er betrachtet die temporale Gegenwart als einheitliche Zeit, also als Bestandteil der Vergangenheit und der Zukunft. Der Gegenwart ins Gesicht zu sehen, den Sinn der Gegenwart zu erschließen, wird erst dann möglich, wie bei der vierten Zeit auf dem Papier, wenn sie mit der Vergangenheit und der Zukunft in eine engere Beziehung gebracht wird, d.h. wenn die Vergangenheit und die Zukunft in die Gegenwart einbezogen werden.
Köpf kritisiert, dass die Gegenwart in seinem Lande aufgefaßt wird, als ob sie ewig verliefe: „Gemeinsam ist allen Vorstellungen jedoch, dass es im Schlaraffenland außerhalb der geographischen und zeitlichen Begrenzung weder Werden noch Vergehen, sondern nur ewige Gegenwart gibt.“ (IS, 32) Er ist davon überzeugt, dass die Literatur einen anderen Umgang mit der Zeiterfahrung bietet als die Geschichtsschreibung und die existierende Zeitwahrnehmung und er vertritt die These, dass die Literatur die Geschichte treuer und wahrhafter darstellt als die Historie und die Geschichtschreibung, d.h die existierende Zeitwahrnehmung : „Das Thema ‚Literatur und Geschichte’ diskutiert – so Walter Jens – den aristotelischen Satz, dass die Literatur, verglichen mit der Geschichtsschreibung, philosphischer und bedeutender sei, weil sie vom Allgemeinen redend, das Mögliche zur Darstellung bringe, während die Historiographie, beschränkt auf das Besondere, sich lediglich an das Wirkliche halte: wäre die Poesie nur ein Illustrationselement zur Verdeutlichung historischer oder sozialer Konflikte, so bliebe ihre Rolle bescheiden und ihre humane Funktion weitgehend ohne Bedeutung.“(MLK, 22) Damit weist Köpf darauf hin, dass die Literatur durch ihre Eigenschaften auf ein anderes, alternatives Zeitbewußtsein verweist, indem sie die Gegenwart von der Vergangenheit nicht als getrennt, sondern als ein unabdingbares Bestandteil betrachtet. Nach Köpf ist die Literatur “als rückwärtsgewandte Prophetie stets ein Reflex auf ihre Zeit und die Geschichte des Landes gewesen, in dessen Sprache sie geschrieben wurde.” (SuN, 104)
Durch die literarischen Mittel und Gattungen ensteht eine andere, alternative Zeitwahrnehmung, die die Welt in ihrer Komplexität entschleiert, die das Unsichtbare sichtbar macht, und das Unfaßbare zu veranschaulichen imstande ist. Indem die literarischen Gattungen die Vergangenheit in die Gegenwart bringen, zeitliche Grenzen überschreiten, auf die Parallelle zwischen dem Früher und Heute verweisen, die Unvernunft mit ihren geschichtlichen Wurzeln entziffern, werden sie auf diese Weise zum „Auge der Welt“, während das gegenwärtige Zeitbewußtsein bzw. die moderne Geschichtsschreibung geschichtliche Vorgänge als „abgeschlossen“, als „tot“, als „vergangen“, und als “nicht zur Gegenwart gehörig” betrachtet: „Die (geringe) Chance des Gedichtes aber liegt darin, durch Anschaulichkeit (‚das Auge der Welt’) einen anderen Zugang zu geschichtlicher Erfahrung zu eröffnen. Das Gedicht kann zeigen, dass das geschichtliche Wissen erst durch die Vermittlung mit den genau und konkret erfahrbaren Folgen des Geschehens Bedeutungswirklichkeit erlangt.“(MLK, 25)
Geschichtliche, gesellschaftliche Prozesse müssen in Beziehung gebracht werden, damit ein grosses Bild des Ganzen – der totalen Zerstörung menschlichen Geschlechts – hergestellt werden kann. Köpf geht an erster Stelle daran, die gegenwärtige Unvernunft zu bekämpfen. Um dies zu verwirklichen, ist der erste aber auch wichtigste Schritt, die geschichtlichen, gesellschaftlichen und politischen Strukturen und Hintergründe gegenwärtiger Umstände zu analysieren: „Das Gedicht macht Geschichte sichtbar und zeigt, dass diese Geschichte nicht abgeschlossen ist. Ihm geht es nicht bloß um ein Ereignis, das erzählt werden könnte. Ihm geht es um die Permanenz geschichtlicher Strukturen, denn diese können beschrieben werden.“(MLK,24)
Durch die Eigenschaften der literarischen Gattungen – der Roman als literarische Gattung ist nach Köpf „ein Gleichnis der Menschheit“ (IS, 38) – wird durch die vierte Zeit auf dem Papier, d.h. durch geschichtliches Erkennen, das große Bild wahrgenommen, was dem „normalen Auge“ dem „Zeitgeist“ nicht gelingen kann. Die Verklärung der Vergangenheit ist nach Köpf eine unabdingbare Voraussetzung, um die gegenwärtigen Zustände, die herrschende Unvernunft, die dunklen Mächte zu entlarven, um den gegenwärtigen Zuständen ins Gesicht zu blicken; da die Vergangenheit in der Gegenwart nachwirkt, kann sie von der Gegenwart nicht getrennt, nicht vergangen aufgefaßt werden. Köpf erhebt sich gegen die Bemühungen der Schriftsteller und der Geschichtsschreibung in Deutschland, die die Greueltaten der Vergangenheit der Hitlermacht vergessen zu machen versuchen: „Vergangenheit gilt uns hierzulande als etwas zu Bewältigendes, und mit der Formel Eswareinmal, mit dem Eiapopeia glauben jene begnadet Spätgeborenen, solches auch erledigen und sich aus der Verantwortung nehmen zu können. Deshalb ist es immer wieder zu hören, es habe sich nun ausbewältigt.“(SuN, 105))
Durch die „Vergegenkunft“ versucht Köpf, die empirische Wahrnehmung der temporalen Zeit durch diejenige der vierten Zeit zu überbieten. Die Gegenwart kann erst durch ein Netz von Beziehungen rückwärts in die Vergangenheit und vorwärts in die Zukunft erschlossen werden. Auf das Vergangene ist man nicht nur für die Analyse der Gegenwart, sondern auch für die Gestaltung der Zukunft angewiesen: „zumal die Zukunft nur durch die Vergangenheit hindurch denkbar ist.“ (Ks, 170)
Auf diese Weise versucht Köpf, gegen die gegenwärtig herrschende Zeiterfahrung diejenige der Literatur bzw. der literarischen Gattungen als ein alternatives Zeitbewußtsein entgegenzustellen, von dem die Kraft ausgeht, die Ereignisse, die Hintergründe der Ereignisse durch geschichtliches Denken darzustellen. Köpf geht davon aus, dass das durch den Umgang mit literarischen Gattungen erworbene geschichtliche Denken, das die historischen Hintergründe zu entschlüsseln vermag, als eine andere und alternative Geschichte denkbar sei: „(....) entscheidend bleibt der Umstand, dass mit solcher Literatur, die Parallel zur Zeit buchstabiert wird, Gegengeschichte möglich wird.“(SuN, 104)
Geschichtliches Denken ist aber nicht das Denken der Historie, der Geschichtswissenschaft, sondern das der Literatur. Köpf kritisiert das historische Denken, das historische Zusammenhänge mit der bestehenden Unvernunft nicht zu erklären vermag. Durch die Literatur wird eine andere Zeit erfahren, als durch die der Historie, indem die Historie geschichtliche Ereignisse als „vergangen“, als „tot“, als „abgeschloßen“ betrachtet und die Zeiterfahrung der Literatur das Vergangene in die Gegenwart bringt und mit den bestehenden Umständen zu verbinden versucht: „Literatur ist für Améry nicht abgeschlossene Gechichte, sondern wegen ihrer Geschichtlichkeit ständig abrufbarer, zum Weiterdenken verplichtender Kosmos vielfältiger humaner Möglichkeiten.“(dG, 10)
Geschichtlichkeit bzw. geschichtliches Denken ist für Köpf das Prinzip, das aufs Engste mit Humanität verbunden ist. Erst dadurch wird es möglich, die allgemein verbreitete Unvernunft mit geschichtlichen Wurzeln als ein ganzes Bild wahrzunehmen und nicht durch historisches Denken. Geschichtliches Denken und humanes Denken gehören zusammen. Erst durch die Geschichtlichkeit kann menschliche Existenz ihren Sinn bekommen. Das Ich sieht sich mit der historischen Verantwortung konfrontiert, seinen Beitrag zur Förderung der Humanität zu leisten: „Das Inhumane aber wäre das Ich ohne Geschichtlichkeit.“ (SuN, 93) Eine Handlung bekommt erst in der Geschichtlichkeit ihre Bedeutung. Solange sich eine Handlung mit der Unvernunft nicht auseinandersetzt, ist sie ein Beitrag zur Etablierung der Unvernunft. Wenn eine Handlung zum Einsatz der Humanität ihren Beitrag leistet, erweist sie sich als ein geschichtliches Handeln. Bei Köpf steht die geschichtliche und die körperliche Existenz in einem unversöhhnlichen Widerspruch. Die Werte der geschichtlichen Existenz sind dauerhaft und ewig und tragen zur Förderung der Humanität bei, dagegen sind diejenigen der körperlichen vergänglich und münden unabdingbar in die Unvernunft ein. Erst durch die geschichtliche Existenz vermag sich der Einzelne für sein Leben und gegenwärtige Umstände zu verantworten. Die körperliche Existenz schließt sich an die vergänglichen Werte des Bestehenden, der Unvernunft an. Um ein richtiges Verhältnis zur Zeit zu haben, sollte sich die Zeitreise rückwärts in die Vergangenheit und vorwärts in die Zukunft so weit wie möglich erstrecken, wie Goethe formuliert: „Wer nicht von dreitausend Jahren/ Sich weiß Rechenschaft zu geben,/ Bleib im Dunkeln unerfahren, /Mag von Tag zu Tage leben.“[73]
Dem Schreiben kommt eine Bedeutung zu, die nicht nur die Welt und die Zeiten verwandelt, sondern auch die Selbstentfaltung des Schriftstellers stellt sich dadurch ein. Mit folgender Aussage verweist Köpf vor allem auf die enge Beziehung zwischen der Selbstverwandlung und der Weltverwandlung, die durch die Schrift ausgelöst werden: „Nicht auf die Verschriftlichung der Erfahrung kommt es an, sondern darauf, sich und seine Welt selbst erzählend herzustellen. Statt die Welt abzubilden, muß der Erzähler in seinem Stollen sein Ich und seine Welt verwandeln.“ (VrE, 78) Damit wird auf eine andere Zeitvorstellung hingewiesen, die sich von der linearen und temporalen Zeitvorstellung dadurch unterscheidet, dass die „Vergegenkunft“ ihr als eine alternative Zeiterfahrung entgegengestellt wird: „Die epische Zeit bricht die lineare Chronologie auf.“ (VrE, 78) Die Gegenwart, die mit der temporalen Gegenwart nichts gemeinsam hat, wird durch die Erinnerungen rückwärts in die Vergangenheit und vorwärts als Hoffnung in die Zukunft wahrgenommen; aber erst durch die Beziehungen der Zeiten als eine einheitliche und dauerhafte Zeit in einem schöpferischen Prozess. Da man die Zeit im Text nur in der Beziehung zueinander erfährt, und die Zeiten im Text miteinander verbunden sind, die Gegenwart von der Vergangenheit getragen wird, und auf die Gegenwart vorbereitet, die Zukunft als eine Folge der Vergangenheit und der Gegenwart begriffen wird, entsteht auf dem Papier eine Diskrepanz, eine andere räumliche und zeitliche Ordnung, die den Menschen auf der empirisch erlebten Welt in einer beliebigen Gegenwart versagt bleibt.
Die „Vergegenkunft“ ist nicht nur Zusammenfassung der Zeiten in einem Begriff, sondern sie schließt auch darüber hinaus die Selbstentfaltung des Schriftstellers und des Lesers in der Zeit durch Schreiben, Erzählen, und Lesen, durch intellektuelle Tätigkeiten ein, die den Ablauf der temporalen Zeit aufheben und die auch die Verwandlung der Welt, d.h. die Humanisierung der inhumanen Welt, in Gang bringen können: „Mein Zeit-Vertreib in der Vergegenkunft bedeutet nichts anderes als meine ultimative Möglichkeit, mir die Welt und am Ende auch mich selbst erzählend zu erklären.“(Ks, 173)
Die Aufeinanderfolge des temporalen Zeitablaufs wird durch die schriftstellerische Arbeit – das Schreiben – aufgebrochen; indem der Autor das Vergangene vergegenwärtigt, und das Zukünftige auf dem Papier vorwegnimmt, ensteht eine dauerhafte, ewige Zeit, in der sowohl das Vergangene als auch das Zukünftige in einer unmittelbar nahen Beziehung zu dieser dauerhaften, ewigen Gegenwärtigkeit stehen. Auf der Textebene erweisen sich das Vergangene und das Zukünftige als Bestandteil der ewigen Gegenwärtigkeit.
Diese Zeiterfahrung gehorcht nicht der temporalen Reihenfolge der Zeit. Indem der Leser, der vergangene und zukünftige Ereignisse im Text beim Leseprozess vergegenwärtigt, und der Schriftsteller, der das Vergangene und das Zukünftige durch Erinnerungen und Wiederholungen beim Schreibprozess auf das Papier bringt, leisten beide Widerstand gegen die verstreichende Zeit und erleben ein andereres Zeitbewußtsein als die temporale Zeitvorstellung: „Solche Erfindungen aber schaffen sich ihre eigenen Regeln von Zeit und Raum.“(Ks, 170) Die „Vergegenkunft“ läßt sich als “ewige” Zeit verstehen, da die vierte Zeit auf dem Papier “ewig” bleibt und gegen den Ablauf der Zeit dadurch Widerstand leistet. Auch dem Leser gelingt es bei dem Lesevorgang die temporale Aufeinanderfolge der Zeit zu überwinden; indem er das Vergangene und das Zukünftige in seine Gegenwart bringt, überwindet er zugleich den linearen Ablauf der Zeit als solchen.
Die vierte Zeit auf dem Papier, wo es dem Autor gelingt, das Chaos zu überwinden und die ersehnte Ordnung herzustellen, bildet die „Vergegenkunft“ also den schöpferischen Prozess des Schriftstellers. Damit das verwirklicht werden kann, verwandelt er seine Welt und die Zeiten. Die „Vergegenkunft“ verweist auf die schriftstellerische Tätigkeiten, sowohl auf das Schreiben als auch auf das Lesen: „Bald verkleidet als Präsens, bald hinter der Larve von Perfekt oder Plusquamperfekt, versteht sich dieser Widersacher des Erzählers darauf, sein Tarnkappenspiel zu treiben. Soeben noch im Präteritum, wechselt die Maske schon hinüber zu Futur eins, gar zu Futur zwei. Zeiten aber und Zeitformen sind zwei verschiedene Dinge, doch der Erzähler kann mit den Zeitformen in die Zeiten hineinleuchten. Es ist ein altes Spiel, das der Erzähler treibt. Sobald er zu erzählen anhebt, tritt er gegen seinen Feind an: auf der Bühne der Fiktionen.“(Ks, 169) Köpf begreift das Schreiben als einen Schöpfungsakt, da es dem Schriftsteller an erster Stelle in dieser Tätigkeit nicht darum gehen soll, die Zeiten abzubilden, sondern darum, eine mögliche Welt zu entwerfen, indem er die Zeiten nicht erzählt, wie sie sind, sondern wie sie sein könnten: “Das Erzählen muß die Zeiten verschränken und neu zusammensetzen, denn jeder Erzähler muß, sobald er zu erzählen beginnt, die Welt wieder neu erfinden: als wäre er dazu verflucht. Erzählen ist aber nicht bloß das Verzahnen der Zeiten, sondern die Verwandlung des Indikativs in den Konjunktiv. Irrealis, Conditionalis und Optativ stellen für den Erzähler nicht nur eine modale, sondern auch eine temporale Kategorie dar.” (Ks, 170)
Der „Vergegenkunft“ wohnt auch der Unsterblichkeitsgedanke inne; sie hat mit der Todesproblematik einen engen Zusammenhang. Schreiben ist die Tätigkeit, deren Produkt – ein literarisches Werk – das Überleben, die Fortexistenz des Schriftstellers über den Tod hinaus, zu sichern imstande ist: “Wer immer auch erzählt, stets geht sein Erzählen zurück auf die Ursituation des Erzählens, wie sie in Gestalt der Scheherazade auf uns gekommen ist. Erzählen heißt immer, den Kopf in der Schlinge haben und mit dem Erzählen den eigenen Tod aufschieben, ihn gar überwinden zu wollen. Solange ich erzähle, gibt es mich noch, solange ich vergleiche, begehre ich auch.”(SJSN, 169)
Der Tod, dem der Mensch von der Geburt an ausgeliefert ist, dem er auch nicht entkommen kann, wird als ein “unausweichliches”, “unvermeidliches” und “schicksalhaftes” Faktum begriffen. Dem Tod kann man zwar nicht entkommen, aber er kann durch die Einbildungskraft überwunden werden. In diesem Sinne steigert der Tod seine Bezogenheit auf die Zeit, auf die gegenwärtige Umstände, auf das Leben. Der Tod veranlaßt keine Ablenkung von dem Leben, sondern er intensiviert die Lebensaktivitäten, er ist bei Köpf ein Orientierungspunkt, kein leerer Abgrund, sondern ein Faktum, oder ein Prüfstein, mit dem man sich auseinandersetzen muß, wodurch zwischen Sterblichkeit und Unsterblichkeit, dem Vergänglichen und dem Ewigen, dem Dauerhaften unterschieden wird, und das Leben seine Richtung, seine Orientierung bekommt.
Der Unsterblichkeitsgedanke wird somit zum Maßstab des Lebens. Alles wird nach diesem Kriterium bewertet; wenn ein Handeln dem Ewigen nicht standhält, dann ist es ein vergängliches Unterfangen. Der Tod steigert sowohl die Zeit- als auch die Weltbezogenheit; durch die Gewißheit des Todes sucht der schöpferische Mensch Antwort auf das Leben und die gegenwärtige Situation der Welt zu finden. Das Leben bekommt seinen Sinn erst vor dem Tod, da der Gedanke an den Tod bei den Menschen einen Lebenswandel auslöst. Sowohl zur Zeit als auch zum Leben ein richtiges Verhältnis herzustellen, bedeutet zugleich, eine richtige Antwort auf den Tod zu finden: „ Als Monumentalmalerei an Friedhofs- oder Kirchenmauern (....) sowie in Handschriften, Blockbüchern und graphischen Blättern repräsentierte der Totentanz nicht nur einen Aufruf zu Buße und Umkehr, sondern auch die mahnende Aufforderung zu ständiger Todesbereitschaft und zu gottesfürchtigem Lebenswandel. Bedenke, dass du sterblich bist — so lautete die Parole – und ein jeder sollte sich mit der Einsicht vertraut machen: Mitten im Leben sind wir vom Tod umfangen.“ (SJSN, 175)
Der Tod spielt eine entscheidende Rolle, die den schöpferischen Prozess in Gang bringt; der Autor erkennt dadurch sein Leben als eine Aufgabe, die durch Schreiben erfüllt werden kann. Um aber die Unsterblichkeit zu erlangen, wird der Tod nicht als Fürchterliches begriffen, sondern die Idee vom Tod als entscheidendes Kriterium, das die Unsterblichkeit ermöglicht und daher als: “ Liebesfeier, die Vorstellung, dass der Tod erst zur Vereinigung führe und diese besiegle, dass der Tod in der Liebesnacht den Genuss ins Unendliche steigere.“ (SJSN, 179)
Vor dem Tod sieht sich der Schriftsteller mit der kaum erfüllbaren Aufgabe konfrontiert, der gerecht zu werden, sein ganzes Leben in Anspruch nimmt. Dieses Ziel durch das Schreiben zu verwirklichen, macht er zu seiner Lebensaufgabe. Allein auf seine Arbeit, den schöpferischen Schaffensprozess des Schriftstellers – die Beschäftigung mit den Zeiten – kommt es an.Durch das Schreiben gelingt es dem Schriftsteller, sein Ich und seine Welt zu verwandeln. Köpf beschreibt die schriftstellerische Arbeit von Miguel Torga, der an seinem Tagebuch mehr als fünfzig Jahre arbeitet, und mit dem er nicht fertig werden kann, als die Tätigkeit, die der „Erschaffung der Welt“[74] gleich kommt. Er setzt sich mit der „Erschaffung der Welt“ so auseinander, dass er an seinem Werk arbeitet und den Text immer wieder neu- und umschreibt. Er schreibt sein Buch neu, um die Welt zu erschaffen, weil er mit der „Erschaffung der Welt“ nicht einverstanden ist, „nicht mit der jetzigen Fassung“, weil sein Werk „seinen heutigen Maßstäben nicht standhielt.“ (IeS, 46) Beide Tätigkeiten, die Welt zu erschaffen und sie auf dem Papier um- und neuzuschaffen, sind identisch geworden.
An dieser Aufgabe zu arbeiten – durch seine Leistung am Schreibtisch – die weltweit etablierte Unvernunft zu überwinden, erkennt Köpf seine historische Verantwortung, deren er beim Schreibprozess gewahr wird. In dem Moment des Schreibens liegt auch die historische Verantwortung, die Welt in die Buchstaben zu verwandeln: “Das heißt, um die Stimmumg jenes historischen Moments, die Tranzendenz dieser beharrlichen Alltäglichkeit kommunikativ zu machen“ (MdWG, 57)
Die Zeit wird im Text sowohl beim Lesen als auch beim Schreiben als ein ausgedehnter Prozess erlebt; diese Zeiterfahrung auf dem Papier als Leser und als Schriftsteller verändert auch das Zeitbewußtsein. Köpf begreift die Gegenwart als eine Zeitform, deren Gestaltung auf den Menschen ankommt und nicht als etwas, das einem aus den Händen zerrinnt oder das genossen werden kann. Ein erfülltes Leben bzw. eine erfüllte Gegenwart sind nicht die Werte der vergänglichen Welt, sondern die der ewigen Gegenwärtigkeit. Er gibt sich nicht der temporalen Gegenwart hin, sondern er begreift die Zeit als etwas, in dem er auf das Ziel hin arbeitet, die Inhumanität durch das Schreiben zu bekämpfen, sein Ich zu entfalten, und durch die Schrift seinen Tod zu überleben. Dadurch geht ein deutliches Zeitbewußtsein hervor, das die temporalen Zeiten als etwas Formbares, Gestaltbares und Verfügbares begreift, da die festgehaltenen Momente auf dem Papier, die ihre Wirkung erst in der Zukunft zeitigen werden, jederzeit verfügbar sind. Die Erwartung auf das Schreiben, seinen Tod zu überleben, das Chaos in Ordnung zu verwandeln, und seine Selbstentfaltung dadurch zu gewährleisten, verändert auch die Einstellung zum Leben und zur Zeiterfahrung, die einen bewußteren Umgang mit der Zeit erfordert.
Allein das Schreiben ermöglicht, sich in die Gestalt der ewigen Gegenwärtigkeit zu verwandeln. Nur die Augenblicke, die sich dahin eintragen, lassen, sind von ausschlaggebender Bedeutung. Die Gegenwart trägt in diesem Zeitbewußtsein insofern eine Bedeutung, wenn sie mit dem Ewigen verknüpft wird. Da temporale Gegenwart im Begriff ist, zu vergehen, vergangen zu sein, indem sie wahrgenommen wird, begreift Köpf temporale Gegenwart nicht als eine Zeitstelle, die man geniessen kann, sondern als eine vergängliche Zeitform, die aber den Anspruch des Ewigen erst dann erheben kann, wenn diese in die ewige Gegenwärtigkeit eingetragen werden kann, die zu jeder Zeit abrufbar und verfügbar ist. Die Magie des Augenblicks in einer jeweiligen Gegenwart liegt gerade darin, dass sie die ewige Gegenwärtigkeit gebiert, in der sowohl das Vergangene als auch das Zukünftige durch Vergegenwärtigung des Schriftstellers auf dem Papier ihren Platz bekommen. Er ist davon überzeugt, dass nur die Momente, die in die Ewigkeit verwandelt werden, dem Leben des Schriftstellers Konturen verleihen. Die Momente im Leben sollen auf die schöpferische Arbeit hin gestaltet werden, um den temporalen Zeitablauf aufzuheben, da nur diese in die Ewigkeit verwandelten Momente gegen die verstreichende Zeit Widerstand leisten:“Darin erzählte ich das Heutige in zukünftiger Erinnerung, denn nicht das Gezählte, das Erzählte hängt an.“(DB, 162)
Der Autor verschreibt sich dem Zauber der immerwährenden Gegenwärtigkeit, er versucht die Momente, die Augenblicke festzuhalten, um die ewige Gegenwärtigkeit zu schaffen wie es Köpf in Bezug auf F. Scott Fitzgerald aufzeichnet: „Er sah ein, wie mächtig jene Gegenwart war - wie mächtig Lebensgegenwart zu aller Zeit ist und wie mächtig ein jeder in deren Strom dahingetragen wird und sie dabei in jedem Augenblick an die Vergangenheit verliert: sich selbst verliert mit jedem abgelebten Lebensaugenblick.”(VdW, 79) Dem Schriftsteller geht es um die Zeit, nicht aber darum, die temporale Gegenwart zu bewahren, sondern darum, den Ablauf der Zeit und die Vergänglichkeit der Zeit zu überwinden und die immerwährende Zeit auf dem Papier zu schaffen. Er ist sich der Kraft der Gegenwart, des schöpferischen Prozesses bewußt, die in die Ewigkeit münden. Es ist allein die Gegenwart, die die Ewigkeit schaffen kann, sonst hat die temporale Gegenwart an und für sich keine Bedeutung, sondern nur wenn sie zur Entstehung der ewigen Präsenz beitragen kann: „Und wenn er ein guter Schriftsteller ist, muß er der Ewigkeit, oder dem Vergessen, jeden Tag ins Auge blicken.“ (HM, 66)
Um aber das Vergängliche in das Dauerhafte, das Ewige, das Zeitlose zu verwandeln, den Sinn der Zeit zu erschliessen und den Ablauf der temporalen Zeit aufzuheben, soll das Vergangene vergegenwärtigt, das Zukünftige in der Gegenwart vorweggenommen werden, was eigentlich einen schöpferischen Prozess bildet: „Die Vergangenheit bewahrt, was scheinbar verbraucht ist, die Gegenwart fordert auf zum Finden und Er – Finden des vermeintlich Vergangenen, die Zukunft könnte jene Hoffnung sein, die aus der Gegenwart heraus verlängerbar ist, zumal die Zukunft nur durch die Vergangenheit hindurch denkbar ist.“(Ks, 169)
Die Beschäftigung mit dem Vergegenwärtigen des Vergangenen und des Zukünftigen darf im Leben keinen Augenblick nachlassen; der Sinn des Lebens kann nur durch diese Arbeit – das Schreiben – erfüllt und erschlossen werden. Es kommt aber auf die Entscheidung an, die in der Gegenwart getroffen wird. Der Schriftsteller ist entschlossen, Schriftsteller zu werden, wie es in der Tübinger Poetik – Vorlesung heißt: „Seit langem erzähle ich hin an mein Wunschbuch, an meinen amerikanischen Roman: seit ich zum ersten Mal Angst hatte im Leben, also, seit ich das Wünschen übe. Das geht zurück bis in die verworrenen Tage, da ich mir vornahm, Grabsteinmetz meines Heimatdorfes zu werden und dabei aber nicht nur Name und Datum in den Stein einzuschreiben, sondern diesen mit Erzählbarem zu füllen, fein säuberlich mit Sorgfalt herausgemeißelt und nachgetuscht, wetterfest.“( MaT, 37)
In seiner Vision betrachtet er die Tätigkeiten – Erzählen, Schreiben und Lesen – als unverzichtbare Beschäftigungen, die seinem Leben Sinn verleihen. Für Köpf bedeutet Leben eine dauerhafte, kontinuierliche Zeit, in der Tätigkeiten, die er als vergängliche Werte bezeichnet – die alltäglichen Beziehungen – verdrängt werden, und die Tätigkeiten – Schreiben, Erzählen und Lesen – die darauf ausgerichtet sind, den Zeitablauf aufzuheben und zu überwinden. Leben bedeutet für Köpf Schreiben, Lesen und Erzählen, so dass er sich außerhalb der Bücher keine Beschäftigung vorstellen und sein Leben nur in den Büchern vollziehen kann, indem er als Schriftsteller liest, um zu schreiben, oder schreibt, um zu lesen und gelesen zu werden: „Zunehmend mit dem Alter und den Enttäuschungen, zunehmend mit der Einsicht in die eigene Mittelmäßigkeit und Beschränktheit habe ich mein Leben in die Bücher verlegt.“ (MaT, 37) In seinem Leben zählen nur Tätigkeiten, die mit dem Erzählen zu tun haben: „Erzählen allein genügt nicht. Worauf es ankommt, ist das Wiedererzählen, das Nacherzählen — ein Erzählen, das die erzählten Geschichten für sich in Besitz nimmt, sie für eigene Zwecke nutzbar macht und dabei eigenen Zielen unterwirft oder durch Weitererzählen verwandelt. (LdN, 184 ) Das gilt auch für das Lesen: „Nicht nur auf das Lesen kommt es an, sagt ein Wort von Borges, sondern auf das Wiederlesen.“ (EwB, 86)
Schreiben sichert zwar Unsterblichkeit, aber der Schriftsteller muss sich auch bereit erklären, dafür den notwendigen Preis zu bezahlen. Um sich seiner Arbeit widmen zu können, muss er die Einsamkeit wählen, die für den Schriftsteller eine unabdingbare Existenzgrundlage ist, da er nicht der Aktualität, Popularität und dem Zeitgeist anheimfallen darf: „Schreiben bedeutet bestenfalls ein einsames Leben.Verzichtet er auf seine Einsamkeit, so gewinnt er an öffentlichem Ansehen, häufig verliert dann aber sein Werk. Denn arbeiten muss er doch allein.“ (HM, 66) Durch die Schrift gelingt es ihm, seine körperliche Existenz zu überdauern, da die Dichter ihre Existenz nur in der Schrift erfahren. „Er begründet seine flüchtige Existenz ausschließlich auf Papier“(VdW, 86) Die Einsamkeit ist der einzige Ort des schöpferischen Schreibens, in dem er mit anderen Schriftstellern, Existenzen kommuniziert, da alle Kommunikationen zwischen den Menschen, auch die Liebe, vergänglich sind, weil sie nicht festgehalten werden können, weil die Liebesworte verfliegen: „immer sucht die Liebe das Wort und findet doch meist nur den Tod. Nur die Literatur überlebt.”(MdWG, 49) Die Einsamkeit darf nicht mit Isoliertheit verwechselt werden; mit der Einsamkeit ist der Wunsch des Schriftsellers auf engste verbunden, sich mit den anderen Schriftstellern und mit seinen möglichen Lesern in der „überzeitlichen“ Kommunikation auf dem Papier zu treffen.
Der Schriftsteller kann die Existenz auf dem Papier – die überzeitliche Existenz – in der stillen, einsamen Arbeit erreichen und nicht indem er in den öffentlichen Medien auftritt. Köpf klagt darüber, dass viele Autoren dem Zeitgeist zum Opfer fallen: „An die Stelle des Autors, dessen Werk gelesen wird, ist die Show-Präsentation getreten: alle haben den Autor gesehen, kaum einer hat ihn gelesen.“(VrE, 75)
Die Schriftsteller, die in einer beliebigen Zukunft als „gegenwärtig“ wahrgenommen werden können, in der sie zu existieren verdienen, gehören nach Köpf nicht in eine bestimmte temporale Zeit, sondern in die ewige Gegenwärtigkeit. So Grillparzer: „Ich will meine Zeit mich bestreiten, ich laß’ es ruhig geschehen. Ich komme aus anderen Zeiten und hoffe, in andere zu gehen.“ (VdW, 71) Die Schriftsteller verorten sich weder in der Vergangenheit noch in der Gegenwart, sondern in einer möglichen Zukunft, in der überzeitlichen Gegenwärtigkeit: „Ich bin insofern ein Epochenverschlepper, als ich meine ganze Vergangenheit mit mir herumschleppe. Den heutigen Zeitgeist verkörpere ich nicht. Ich weiß nicht, inwieweit ich den gestrigen verkörpere.“(VdW, 80)
Er selbst ist von dem Gedanken überzeugt, dass durch den Tod zwar seine körperliche Existenz aufhören wird, aber auch davon, dass er durch die Existenz auf dem Papier – die Schrift – seinen Tod überleben kann. Nach dem Aufhören der körperlichen Existenz wird er durch seine Schrift, seine Werke in die Unsterblichkeit eingehen. Für die Schriftsteller gibt es keinen Tod: sie werden durch ihre Werke, die für die Menschheit eine zu verwirklichende Welt entwerfen, ihre Existenz in dem Kampf gegen die Unvernunft durch Wiederholung fortsetzen, indem sie benutzt werden, d.h. indem sie gelesen werden. Eine mögliche, zukünftige Existenz auf dem Papier – die Fortsetzung seiner körperlichen Existenz – kann nur durch das Vergegenwärtigen des Vergangenen, der Archive und des Zukünftigen gewährleistet werden. Die Dauer des Lebens, auf die die schriftstellerische Arbeit zielt, ist im Vergleich zu der zu verwicklichenden Humanität sehr kurz. Dieser Verantwortung nachzukommen, ist mit dem begrenzten, endlichen Leben kaum vorstellbar. Daher stellt Köpf der temporalen Zeitwahrnehmung – der mit seinem Leben begrenzten – die historische – die über seine körperliche Existenz hinaus weisende – entgegen.
Er ist sich des Ernstes der historischen Verantwortung des Schriftstellers bewußt, dem weltweit herrschenden Chaos auf dem Papier Herr zu werden, indem er bestehende Umstände in ihrer Komplexität darstellt. Es kommt nur auf diese schriftstellerische Tätigkeit, die Schrift nämlich, die allein seinen Tod überdauern kann, an, die inhumane Welt zu überwinden und seine Existenz und seinen Kampf gegen die Unvernunft in der Zeitreise fortzusetzen. Der Tod zerstört nicht seinen Glauben, an diesem Ziel zu arbeiten: „Die Endlichkeit des Menschen ist ihm dabei kein Gegenargument. Der gute König Henri Quatre als Verkörperung der Vernunft kann nicht sterben. Er ist überzeugt von der Unsterblichkeit der Ideen der Vernunft. Deshalb kann er sagen: ‚Wir enden allerdings: Indessen geht die Spur unseres Bewußtseins in andere Gehirne über und wieder in andere. Wir sterben mit unserem Jahrhundert nicht.’“(IS, 37) Die literarischen Werke sind nach Köpf das „Gedächtnis der Menschheit“ und die Schriftsteller „Gedächtnis- und Erinnerungskünstler.“(MLK, 24) und der Autor „ arbeitet mithin am Gedächtnis der Menschheit.“(Ks, 170 ) In dieser ewigen Zeit auf dem Papier liegt das Wesentliche, der Sinn des Lebens, die Quelle menschlicher Kommunikation, die jede Zeit abrufbar ist und den Menschen zur Verfügung steht, die den Diskurs der Suche nach der Wahrheit, nach der Humanität fortsetzt: „Es ist dies der Kodex, der den Menschen ans Wesentliche heranführt: an den permanenten Dialog mit dem Tranzendentalen, dessen eine Wirklichkeit die Auflösung des Endlichen im Tod ist.“(HM, 58)
Die literarischen Werke, indem sie die kritische und schöpferische, mitverantwortliche und mitmenschliche Stellungnahme thematisieren und problematisieren, erhalten das Attribut „ewig“ mit den Ideen der Schriftsteller, der Künstler, der Wissenschaftler im Dienst der Humanisierung und entlarven die Unvernunft in den Gesellschaftssystemen; die dunklen Mächte werden in ihrer Nacktheit enthüllt und die Bedingungen humaner Welt schreibend entworfen. Diese überzeitliche Arbeit wird durch die Leser in einer beliebigen Zeit vergegenwärtigt, die die Humanisierung der Welt ermöglicht. Schon Kierkegaard deutete es an: “Das gesamte Dasein erneuert sich in der imaginativen Wiederholung als transzendierte Gegenwart, die der Dichter ins Werk setzt.“ [75]
Das Schreiben hat auch eine selbstzerstörerische Bedeutung; indem sich der Schriftsteller seinen Werken verschreibt, ist sein Leib im Begriff, zu verschwinden, sich zu zerstören. Er stellt seinen Körper in den Dienst der Buchstaben; sein Körper verwandelt sich beim Schreibprozess in die Buchstaben, die ihn überleben: „Erzählen heißt für mich die ständige Verabschiedung dessen, was ich erzähle: also mich und meiner selbst.“(DB, 162) Trotz dieses Zerstörungsfaktors des Schreibens, des Erzählens sind diese Tätigkeiten der Ort im Leben, die dem Leben des Autors Sinn und überwiegende Kontinuität verleihen, auf die er nicht verzichten kann: „...das Buch, das ich gerne schriebe, werde ich nie lesen können, denn ich bin erst damit fertig, wenn ich sterbe. Ich kann und will also beim Erzählen nichts (und niemanden) fertigmachen. Mit dem Erzählen habe ich mich auf das Unbeendbare eingelassen.“(DB, 160)
Da er nur in dieser Arbeit den Sinn seines Lebens erkennt und nur durch deren Vollzug entfalten kann, erscheint der Akt des Lesens und des Schreibens als der sinnvollste unter allen: „Dieses Erzählen ist ein Akt der Selbstzerstörung und zugleich die einzige Möglichkeit, mich überhaupt zu erfinden. Am liebsten käme ich in meinem Wunschbuch vor und könnte endlich mein Leben lesen, anstatt es mühselig und hakenschlagend leben zu müssen.“(DB, 162)
Nach Köpf können literarische Werke nicht als „Beweismaterial“ geschichtlicher Vorgänge gebraucht werden, sie sind nicht Abbild der bestehenden Ideologie, sie dienen auch nicht als Prothese oder als Instrument der Widerspiegelung der gegenwärtigen Herrschaft, sondern thematisieren und problematisieren vielmehr alternative, und kritische Stellungnahmen, die die bestehende Ideologie zu enthüllen ermöglichen.
3.2. Widerstand durch Erzählen
Köpf gehört wohl zu den Schriftstellern, die die Welt sprachkritisch begriffen haben, die davon ausgehen, dass es einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen dem herrschenden Sprachgebrauch und den existierenden Umständen gibt. Damit diese überhaupt wahrgenommen werden können, sollten sie erst erzählt werden: „Tatsachen kann man nicht erzählen. Tatsachen sind erst erzählbar nach ihrer Verwandlung in Geschichten.“(Ks, 170)
Köpf begreift die Welt als ein sprachliches Ereignis. Ihm liegt es daran, die herrschenden unmenschlichen Umstände durch sein Erzählen zu überwinden. Erzählen ist die unabdingbare Voraussetzung dafür, die Welt aus einer anderen Wahrnehmungsweise als die herrschende zu verstehen. Die Gefahren, wie atomare Bedrohung, Massenvernichtung, Auf- und Nachrüstung, ökologische Umweltkatastrophen, mit denen die Menschen konfrontiert sind, sollten erst in Erzählungen verarbeitet werden, damit die Dimension der weltweit herrschenden katastrophalen Umstände erkannt werden kann: “Die kommende Schriftstellergeneration ist so alt wie die Wiederbewaffnung, aber zu einem Roman darüber hat sie es noch nicht gebracht. Auch in Sachen Abrüstung ist bislang noch nicht viel zu sehen und zu lesen gewesen von einem republikanischen Engagement der jungen Schriftsteller.” (Ks, 165)
Köpfs Vorstellung von der Welt als ein sprachliches Ereignis hat eine Ähnlichkeit mit derjenigen von Nietzsche, der die Wechselbeziehung zwischen der Sprache und der Welt, der Wirklichkeit und der Sprache folgendermaβen formuliert:
„Die Welt wird zur Fabel, die Welt als solche ist nur Fabel: Fabel aber bezeichnet etwas, das erzählt wird, und nur in der Erzählung existiert; die Welt ist etwas, das erzählt wird, ein erzähltes Ereignis, und somit eine Interpretation: die Religion, die Kunst, die Wissenschaft, die Geschichte — das alles sind verschiedene Interpretationen der Welt oder vielmehr Varianten der Fabel.“[76]
Die Sprache vertritt nicht die Welt, sondern die Welt ist Sprache, oder umgekehrt. Damit die Welt verstanden werden kann, sollte man sie erst erzählen, in eine Erzählung verwandeln. Um dies mit Heidegger treffender auszudrücken:
„Der Mensch hat den eigentlichen Aufenthalt seines Daseins in der Sprache. (...) denn kein Ding ist, wo das Wort fehlt, erst wo das Wort gefunden ist für ein Ding, ist das Ding ein Ding“[77]
Beide Aussagen gehen davon aus, dass die Welt für den Menschen sprachlich vermittelt werden soll, um wahrgenommen werden zu können. Sie stimmen überein, indem sie behaupten, dass der Mensch bei seinem Erkennen der Gegenstände auf die Sprache angewiesen ist.
Durch die Abhängigkeit des Individuums von der Sprache bei der Selbstreflektion und -konstitution sowie bei der Erkenntnis der Gegenstände und der Welt ist es unumgänglich, auf die Funktion des Diskurses bei Köpf ausführlicher einzugehen, um der Bedeutung seines Erzählens, das sich die Überwindung der Dummheit, der Unvernunft, der atomaren Bedrohung des Universums zum Ziel setzt, gerecht zu werden und Einsicht in die Machtmechanismen zu gewähren, gegen die das Erzählen bzw. der Diskurs Widerstand leisten soll. Dass Widerstand sich als Erzählen gegen die herrschenden Umstände, die etablierte Dummheit richten soll, lässt die Konsequenz ziehen, dass es zwischen der existierenden Unvernunft, Ignoranz und dem Diskurs, der im Umgang ist, eine unmittelbare Wechselbeziehung gibt, dass es am Sprachgebrauch liegt und dass die Dummheit auf den existierenden Diskurs zurückzuführen sei. Die weltweit herrschende Unvernunft ist auf das Übergewicht des herrschenden Diskurses zurückzuführen, der den Menschen die vorhandene Wahrnehmung aufzwingt und zu der Entstehung der gesellschaftlich- politischen Verhältnisse beiträgt. Die Feststellung, dass der bestehende Diskurs zur Dauer der Herrschaft des Bestehenden beiträgt, dass die Macht also sprachlich aufgebaut wird, legt die These nahe, dass humanere Umstände erst durch ein anderes und alternatives Erzählen hätten verwirklicht werden können. Daraus kann man auch die Schlussfolgerung ziehen, dass menschheitsbedrohende Umstände durch Gebrauch eines „anderen“ Diskurses – Gegendiskurses – hätten überwunden werden können.
Foucault ist einer der Philosophen, der die Wechselbeziehung zwischen der herrschenden Macht und dem existierenden Diskurs tiefgehend untersucht und zur Aufklärung der komplexen Machtmechanismen einen wichtigen Beitrag geleistet hat; er ist der Ansicht, dass die Machthaber den Diskurs der Zensur unterwerfen, um ihre Herrschaft vor möglichen Gefahren zu sichern:
„Ich setze voraus, dass in jeder Gesellschaft die Produktion des Diskurses zugleich kontrolliert, selektiert, organisiert, und kanalisiert wird - und zwar durch gewisse Prozeduren, deren Aufgabe es ist, die Kräfte und die Gefahren des Diskurses zu bändigen, sein unberechenbares Ereignis zu bannen, seine schwere Materialität zu bändigen.“ [78]
Der Diskurs diktiert den Menschen ein bestimmtes Weltbild und steuert dadurch seinen Wahrnehmungsraum “ Der Diskurs allein ist es, der den Blick des Menschen auf die Welt bestimmt, (...) er bestimmt die Fähigkeit des Menschen, Dinge wahrzunehmen, ihr Verhältnis zueinander festzustellen und sie so zu bestimmen.“[79]
Die Existenz und die Fortdauer einer Ideologie oder eines Regimes hängt mit der Sprache zusammen: „Wer die Sprache kontrolliert, kann dadurch Einfluβ auf Denkprozesse ausüben. Ideologiesteuerung geschieht durch Sprachlenkung.“[80] Und es ist auf den Einfluss des Diskurses zurückzuführen, dass eine Ideologie ihr Leben durch den Diskurs sichert, so Bourdieu:
„Solange ein Herrschaftsakt unter der diskursiven Schwelle ist, ist er “über jede Diskussion erhaben” und damit auch nicht in Gefahr. (...) Dann erscheint die soziale und politische Ordnung, und damit auch deren Herrschaftsformen, als selbstverständliche und als vorgegebene Welt, die keine Antworten verlangt, weil sie nicht einmal Fragen aufwirft.“[81]
Der Diskurs trägt nicht nur zur Aufrechterhaltung der Macht und der Machtmechanismen bei, sondern erzeugt auch eine Macht, deren Fortexistenz durch deren Gebrauch gewährleistet wird:
„Und der Diskurs – dies lehrt uns immer wieder Geschichte – ist nicht bloβ das, was die Kämpfe oder die Systeme der Beherrschung in Sprache übersetzt. Er ist dasjenige, worum und womit man kämpft; er ist die Macht, deren man sich zu bemächtigen sucht.“ [82]
Zu den wichtigsten Machtmechanismen gehören zweifellos die Medien, die die Wahrnehmungen der Menschen durch den herrschenden Diskurs zu steuern versuchen. Es ist sehr schwierig, diese vorstrukturierte, den Menschen aufgezwungene Wahrnehmung zu sprengen und das Monopol des überwiegenden Diskurses zu brechen. Köpf klagt über den herrschenden Diskurs folgendermassen: „Der Diskurs aber über die poetologischen, ästhetischen und moralischen Konditionen kann gegenwärtig nicht zuletzt deshalb nicht geführt werden, weil der Freiraum, in dem er stattfinden könnte, längst besetzt ist vom Verwerterkartell, das sich mit dem trojanischen Pferd des Kultursponsoring und als Geschenk und Mäzenatentum getarnt eingeschlichen hat. In einer solchen Umarmung hat Kultur nicht die mindeste Chance.“( ÄuA, 116)
Unter diesen Umständen kann ein anderer Diskurs, nämlich derjenige Diskurs, der die bestehenden Umstände hinterfragt, nicht gedeihen. Und gerade dieser von den Massenmedien geschaffene Diskurs dient mehr zur Verdeckung als zur Aufdeckung der Öffentlichkeit „weil wir uns an die Brutalität in Gestalt verhungernder Kinder, hingeschlachteter Menschen, ausgewiesener Dichter, zerstörter Menschlichkeit zum täglichen Abendbrot via Fernsehen in Farbe gewöhnt haben, als sei dies alles Teil unserer alltäglicher Bedürfnisse.“ (MLK, 23) Köpf drückt sein Unbehagen aus, dass die Öffentlichkeit durch den Diskurs der Medien geprägt wird und dass sich die Medien mit Unnötigem im Hinblick auf den bedrohten Zustand des Landes und der Welt beschäftigen. Sie dienen dem herrschenden Zeitgeist: „Die verhäxelten Textpartikel des Journal intim bestimmen die Szene, aufgeladen mit Autobiographik und Lust an der Entblöβung, sich immer wieder an den Tag verlierend. Und all dies mit bemerkenswerter Produktivität.“ (ÄuA, 112) Diese Aussage wird durch folgende ergänzt, dass die Medien solche Themen behandeln, die in keinem Zusammenhang damit stehen, was Köpf von den Medien erwartet: „Während in London ein indischer Autor meiner Generation Weltliteratur schreibt, feiert man hierzulande die Ablichtung der Brustwarze einer Dichterfreundin, hebt die Hände zu den sieben fetten Mullbinden, ist schon unterwegs zum Internisten. Gefeiert wird ein Käfersammler, der nicht sterben kann und medienbewusst stolz den Stahlhelm präsentiert, durch den einst ein Kopfschuss gelang.“ (VrE, 75)
Köpf ist darüber empört, dass die Medien sich als eine der wichtigsten Instanzen erweisen, wo der Sprache Schaden angetan und wo die Wahrheit verdeckt wird: „Die Ära der Meisterfälscher und der Förster vom Silberwald erlebt ihre zweite, erheblich erweiterte und runderneuerte Auflage. Die kollektiven Trugbilder und Entlastungsmaschinerien feiern fröhliche Urständ, immer neue Schummelwörter machen die Runde. Schon sehe ich alternative Blätter und Stadtzeitungen am Werk, wenn es gilt, die Sprache auf Spruchband- und Parolenlänge zu verkürzen. Ekelhaft ist die grassierende Duckmäuserei, gepaart mit beflissener Anpasserei und Kriecherturm.“ (Ks, 165) Seine Vorstellung von den Massenmedien ist eine entgegengesetzte; sie sollten vielmehr den Erzählungen Platz einräumen, „die egal in welchen Medien – Worte oder Film – ein Publikum dadurch fesseln, dass sie Fragen aufwerfen und die Antworten hinauszögern.“ (MaT, 24) Sie stellen aber keine Fragen nach den Hintergründen der Verhältnisse. Daher werden ihre Konsumenten zu passiven Bürgern und zu Reproduzenten des bestehenden Systems, das inhumane, gesellschaftlich- politische, katastrophale Verhältnisse ausmacht und nicht zu Produzenten ihrer eigenen Wirklichkeit.[83] Das Monopol des von den Massenmedien verbreiteten Diskurses dient nur dazu, das Bestehende fortzusetzen. Die Auswirkungen der Medien auf die bestehenden Umstände fasste Walter Benjamin folgendermaßen zusammen:
„Öffentlichkeit hat nur ein Interesse an Urteilen. Sie ist richtende oder überhaupt keine. Aber das ist ja gerade der Sinn der öffentlichen Meinung, die die Presse herstellt, die Öffentlichkeit unfähig zum Richten zu machen, die Haltung des Unverantwortlichen, Uninformierten ihr zu suggerieren.“[84]
In dieser Hinsicht wird die Wahrnehmung des Menschen durch den Diskurs bestimmt. Um mit Ortheil zu sprechen: „Diktatur ist eine Interpretation der Welt; sie zerstört die transzendentale Struktur der Welt bei vollem Bewußtsein.“[85] Die Wahrnehmungsweise hat dann die Funktion eines Filters. Sie kann nur dann gelingen, „wenn sie diesen Filter passiert.“[86] Der bestehende Diskurs ist dieser Filter, durch den manche Informationen blockiert werden und die Massenmedien sind der Ort, wo die Legitimierung der bestehenden Umstände sichergestellt wird.
Zusammenhänge gibt es zwischen den katastrophalen Umständen und den Denk- und Wahrnehmungsweisen, die in den Einstellungen und Verhalten der Menschen eine gestaltende Rolle spielen und dadurch unmittelbar zur Entstehung der Umstände führen. Das Erzählen sollte sich nach Köpf vielmehr gegen diese den Menschen aufgezwungene Wahrnehmungsweise richten, da sie den Menschen auch ein bestimmtes Weltbild diktiert.: „Immer wird es mir darauf ankommen, genauere Fakten zu erfinden, als dies uns die verordnete Sicht auf die Dinge vorschreiben will.“ (DB, 161) Es ist jene „verordnete Sicht“, die das Bestehende, die existierenden Umstände als „notwendig“ als „unabdingbar“ als „unveränderbar“ wahrnehmen lässt. Aus diesem Grund ist „ das Erzählen ein Anerzählen gegen alles Endgültige und gegen jedwede vollendete Tatsache.“ (Ks, 169) Da es Köpf daran liegt, das Existierende – das bereits das Inhumane bedeutet – zu zerstören, um an die Stelle des Bestehenden, das Nichtexistierende – das Humane – zu etablieren, erscheint ihm das Bestehende als etwas Zuendegedachtes, als etwas Vollendetes, wogegen das Erzählen Widerstand leisten soll: „Vollendete Tatsachen sind eine Ungeheuerlichkeit für einen kreativen Menschen.“ (ZiK, 144) Und an anderer Stelle: „Das Weiterdenken widerspricht dabei der Auffassung vom Zuendegedachten. (dG, 10)
„Vollendete Tatsachen“, das „Zuendegedachte“ zwingen den Menschen die Annahme des Bestehenden auf, diktieren ihnen die vorhandenen Wahrnehmungen, sind vorstrukturiert und sprachlich verankert. Köpf stellt fest, dass die Medien keinen genügenden Platz für die literarischen, moralischen Themen einräumen, das Publikum entlasten und es durch ihren Sprachgebrauch betrügen, so dass es überhaupt nicht begreifen kann, was sich auf der Welt ereignet. Dadurch verweist er auf die Auswirkungen der Massenmedien und die Rolle des Sprachgebrauchs bei der Wahrnehmung: „Heiβt unser Alltag nicht Sprach-Betrug, Alleswisserei, Schauprozess? Und dann ist das da noch der “fun” des medialen Kolosseums, in dem die Beifallsgesellschaft hockt und nie genau weiβ, wer gerade Löwe ist und wer Christ. Der Hunger nach Wissen wurde ersetzt durch den Hunger nach Prominenz, jener durch Beifall zustandegekommenen, vom Beifall in Gang gehaltenen Entlastungsmachinerie.“( VrE, 78)
Während der bestehende Diskurs die existierenden Umstände „verdoppelt", die Welt als „unveränderbar“ darstellt, dadurch auch reproduziert, und zur Fortsetzung der Umstände beiträgt, während die politische Sprache, „ die bedeutungsleer ist, phrasenhaft, und die sich zum bloßen Erfüllungsgehilfen ökonomischer Machtinteressen hat degradieren lassen.“[87], sich zum Komplizen der Herrschenden erklärt, eröffnet die Sprache der Literatur eine neue Wahrnehmungsweise, wie Wolfgang Binder in Bezug auf den Gedanken der Dichtung feststellt: „Er überzeugt uns als eine mögliche Welt. Die Sprache einer Dichtung aber wird uns zu einem Gehabten, wir lernen über sie verfügen, sie befreit uns zu uns selbst und macht uns kritisch. [...] Denn wenn wir die Welt verändern wollen, so müssen wir zuvor andere Möglichkeiten von Welt sehen lernen - sehen, nicht bloß denken. Dieses Sehen lehrt unter anderem die Beschäftigung mit Literatur.“[88]
Der Vergleich zwischen dem herrschenden Diskurs und der Sprache der Literatur kann verdeutlichen, dass nur eine „andere“ Sprache diesen bedrohten Zustand überbieten kann. Die Schriftsteller sind nach Köpf unabdingbar auf eine „andere“ Sprache angewiesen, die den gegenwärtigen Prozess wahrzunehmen erlaubt, die sowohl Selbst- als auch Weltverwandlung ermöglicht; sie sind mit der Auseinandersetzung konfrontiert, Selbst- und Weltverwandlung in einer „anderen“ Sprache zu vollziehen, wodurch die beim Schreiben und beim Lesevorgang erworbene Einbildungskraft gefördert und geformt wird und die auch das Bestehende aufzuheben ermöglicht: „Statt die Welt abzubilden und sie wie die Medien noch einmal zu verdoppeln, muß der Erzähler sein Ich, seine Welt und die Zeiten verwandeln. Verwandeln heißt jedoch nicht, sie schrill zu kostümieren, sondern sie kraft poetischer Vorstellung und Phantasie überhaupt neu zu schaffen.“ (Ks, 171)
Diese „andere“ Sprache ist nach Köpf die Sprache der Literatur. Unter all den Medien ist nur die Sprache der Literatur geeignet, die inhumanen Umstände zu überwinden: „Möglicherweise erweist sich die Literatur als jene Universalsprache, die – politischen Grenzziehungen zum Trotz – vielleicht die letzte humane Kraft darstellt, die alle verbinden kann, ohne den einzelnen einzuschränken, sondern ihn vielmehr zu jener Vorstellungskraft ausbildet, die Grenzen und Schranken als untauglich verwirft.“ (SuN, 103) Das Individuum seinerseits ist unvermeidlich der Sprache ausgeliefert. Um sein Selbst aufzubauen, sich erkennen zu können, muss es von der existierenden Sprache Gebrauch machen. Wenn es dies tut, soll es sich auch mit dem herrschenden Sprachgebrauch auseinandersetzen, da ihm durch die Sprache auch ein bestimmtes Weltbild aufgezwungen wird. Das Individuum befindet sich vor einer solchen auswegslosen Situation: wenn es die bestehenden Sprache gebraucht, auf die es ja angewiesen ist, ohne die es sein Selbst nicht konstituieren kann, wird es unmittelbar zu einem Teil der Maschinerie der menschheitsvernichtenden Verhältnisse. Der Mensch trägt durch Sprachgebrauch zur Entstehung dieses Räderwerks bei, wie Markurs Rieger treffend formuliert: „Durch sein „In-der-Welt-sein“‘ ist der Mensch viel eher das Produkt seiner Umwelt als deren bewußter Gestalter. Die Verwicklungen in enge Sozialbeziehungen verstärken dieses Moment noch.“ [89]
Um die Unvernunft zu überwinden, sollte man die Spielregeln der Macht erkennen und auch eigene aufbauen. Wenn die Unvernunft sprachlich aufgefasst wird und kraft des bestehenden Diskurses sowie der jeden Tag erzählten Geschichten gesellschaftlich, sozial geregelt wird, indem die Herrscher durch die Medien den bestehenden Diskurs in den Umgang bringen, entsteht ihre Welt aus sich selbst heraus wie im Schlaraffenland: „’Im Schlaraffenland’: das ist da, wo Honigbäche und Suppenströme flieβen, wo die Teiche und die Seen mit Wein gefüllt sind, Schweine und Mastochsen kommen nur als Braten vor, in denen bereits Messer und Gabel stecken. Esel scheißen Feigen, Pferde legen Rieseneier, Hunde liefern Muskatnüsse. Die schlaraffische Welt ist eine Welt, die immer wieder aus sich selbst entsteht.“ (IS, 32)
Die Unvernunft wird von den Mitgliedern der Gesellschaft in jedem Haus, in der Öffentlichkeit, in jedem Gespräch reproduziert und verdoppelt, indem sie von dem bestehenden Diskurs Gebrauch machen und in ihren Geschichten, bzw. Erzählungen ihre Herrscher als Sieger erzählen; da gibt es keine Hoffnung auf Veränderung und Verwandlung der bestehenden Umstände, solange die Erzählungen nicht verändert werden. Köpf entwickelt sein Erzählprogramm, um diese auswegslose Situation des Menschen in den inhumanen Umständen zu überwinden. Unter solchen Voraussetzungen wird das Erzählen als einziger Akt begriffen, durch den man sowohl seine Selbst- als auch Weltverwandlung verwirklichen kann, nur unter der Voraussetzung, dass von dem bestehenden Diskurs kein Gebrauch gemacht wird, da er das Bestehende reproduziert. Erzählen soll zur Verwandlung der inhumanen Verhältnisse beitragen. Mit anderen Worten, das Erzählen hat insofern seine Bedeutung, wenn es zur Verwandlung des Ich sowie der Welt beiträgt, wobei man unter Selbst- und Weltverwandlung, die Humanisierung der Welt und seines Ich verstehen kann.
Köpf versucht zu zeigen, womit der Mensch konfrontiert ist: „Ich erkannte zum ersten Mal meine Aufgabe: Ich muss diesen Berg abtragen, der ständig wächst. Als hätte ich ihn mit meinen eigenen Händen aufgeschüttet. ( I, 41) Dass er das zu Erzählende als einen Erzählberg begreift, dem Erzählen gerecht zu werden als eine kaum erfüllbare Aufgabe betrachtet und dass es bei ihm als schwierigstes Unterfangen des Lebens überhaupt gilt, hängt mit dem Ausgeliefertsein des Menschen der Sprache, dem unerschütterlichen Übergewicht und den Auswirkungen des bestehenden Diskurses auf die herrschenden Verhältnisse zusammen. Diese Unmöglichkeit ist es, eine „andere“ Sprache zu erfinden, da bereits die Sprache vorliegt. Aber er fühlt sich gezwungen, zu erfinden, was ihm fehlt, auch wenn das eine „andere“ Sprache ist, die ja der schwerste aber einzige Ausweg aus dieser Ratlosigkeit ist: „Immer werde ich erfinden müssen, was ich entbehre.“ (DB, 161 ) Und gerade dieser schöpferische Prozess macht sein Leben lebenswert: auch wenn das Entbehrte die Sprache wäre, ist er bereit, sie zu erschaffen: „(...) solange ich erfinden muß, was ich entbehre, bin ich am Leben.“(Ks, 171)
Köpf ist davon überzeugt, dass Widerstand gegen die existierenden Verhältnisse nur dadurch geleistet werden kann, wenn andere Geschichten in den Umgang gebracht werden könnten, die die Infragestellung des Bestehenden und die Gestaltung einer möglichen und humaneren thematisieren: „Geschichten richten sich — im Gegensatz zum Klatsch — nicht nach moralischen Urteilen, sondern sie bezeugen Möglichkeiten und Hypothesen. Geschichten sind konjunktivisch, und erst der Konjunktiv eröffnet die Welt des Möglichen, des Unwirklichen und des Ersehnten (...)“(LDN, 182) Es kommt auf den Sprachgebrauch an, der einem „neue“ Möglichkeiten bietet und der die Dinge in Bewegung bringt, wenn man das richtige Wort trifft, wie im Gedicht von Eichendorff treffend formuliert wird “Schläft ein Lied in allen Dingen,/Die da träumen fort und fort,/Und die Welt hebt an zu singen, /Triffst du nur das Zauberwort.” [90] Das Leben bekommt daher bei Köpf seinen Sinn durch Geschichten – Erzählen. Er betrachtet Erzählen im Leben des Menschen als die wichtigste Instanz, durch die es legitimiert wird und er seine Existenz aufbauen kann. Das Erzählen führt zur Identität mit dem Leben, so dass Köpf die These vertritt, dass der Mensch bei seiner Selbstentfaltung und der Weltverwandlung auf die Sprache, auf das Gespräch angewiesen ist: „So erfinden wir uns halt von Geschichte zu Geschichte durchs Leben, wir Gaukler.‘“(ZiK, 144)
In diesem Sinne weist er darauf hin, dass es an erster Stelle am Gespräch, am Sprachgebrauch liegt, dass man sich durchsetzen kann:
„Mir scheint(...) im Erzählen überhaupt eine sehr groβe humane Qualität zu stecken. Das Erzählen ist ja etwas friedfertiges;wo Leute zusammensitzen und einer erzählt oder man erzählt sich gegenseitig, da schweigen die Waffen. Das ist eine der friedfertigsten Angelegenheiten, die man sich vorstellen kann, und was hinzukommt, das Erzählen ist auch etwas, das gar nicht so sehr an ein Kollektiv gebunden ist, sondern an den einzelnen; man kann sich ja auch selber in seinen Erinnerungen selbst, wenn man allein oder einsam ist, durcherzählen und sich über Wasser halten.“[91]
Köpf geht noch einen Schritt weiter; das Leben kommt bei ihm nicht nur dem Erzählen gleich, sondern es wird dem Erzählen untergeordnet und nicht umgekehrt. Er erzählt, um leben zu können. Aber das Erzählte wird nicht unverbindlich; das Erzählte gestaltet die Erlebnisse wie im Falle Hemingway: „Er erzählt nicht. Er hat zunächst erzählt, was er erlebt hat, während er später zu erleben bemüht war, was er erzählen wollte.“ (HM, 49) Ein besonderes Merkmal des Köpfschen Widerstand leistenden Erzählens im Gegensatz zu den erzählten Geschichten, in denen die Machthaber am Ende als Sieger vorkommen, ist, dass Geschichten erzählt werden sollten, in denen die Verlierer zum Sieg kommen: “Ich liebte Geschichten, die den Verlierern vom Ende der Sieger erzählten.“ (MaT, 15) Er erklärt sich mit der Sprache der Literatur einverstanden, die das Sprachrohr der Unterdrückten, der Verlierer ist und nicht dasjenige der Sieger, der Machthaber. ( Vgl. IS, 56)
Indem die Geschichten aus der Perspektive der Verlierer und nicht der Sieger erzählt werden, entsteht nach Herbert Kaiser ein Perperspektivenwechsel, d.h durch „die humoristische Erniedrigung des Grossen und Erhöhung des Kleinen“[92], der zu einer grundlegenden Veränderung in Bezug auf den Inhalt und die Konsequenzen der erzählten Geschichten führt. Die Geschichten aus der Perspektive der Vertreter des vorhandenen Systems zu erzählen, würde bedeuten, denen zu ihrem Sieg weiter zu verhelfen. Die Vertreter der bestehenden Dummheit und Unvernunft als besiegbar zu erzählen, an die Widerstandskraft der Verlierer, der Versager zu appellieren, betrachtet Köpf als die wichtigste Aufgabe des Schriftstellers. Dieser Prozess kann sprachlich rückgängig gemacht werden, indem die Menschen sich in ihren Erzählungen mit den Machthabern auseinandersetzen, sie nicht mehr als Helden begrüβen. Es kommt auf die Erzählungen an, durch deren Gebrauch die Fortdauer der vorgegebenen Welt legitimiert und gewährleistet wird. Dass die Geschichten vom Ende der Sieger und vom Sieg der Verlierer erzählt werden, ist ein Hinweis darauf, dass die Sieger nicht mehr als Sieger hervortreten können.
Solche Geschichten verschaffen jenen kindlichen Blick, der „unbestechlich“, „auch böse“, „unbezahlbar“ und durch nichts käuflich“ (IS, 33) ist, der die Einsicht gewährt, dass der König „nackt“ ist. Es bedarf aber nur der Infragestellung der bestehenden unvernünftigen Verhältnisse durch alternative Erzählungen. Welche Wirkung aus der Infragestellung der Umstände von den Erzählungen hervorgehen kann und wie eng die herrschende Wahrnehmungsweise von den Erzählungen abhängt, formuliert Jürgen Nendza mit folgender Aussage:
„Die gradlinige, auf Sicherung und Ordnung habitualisierter Wahrnehmungskonzepte angelegte Instrumentalisierung der Sprache gerät aus ihren ‘konventionellen Fugen‘, wenn die Sprachlichkeit der Welterfassung selbst thematisiert wird.“[93]
Um die gestaltende, bestimmende Rolle der erzählten Geschichten zu betonen, möchte ich Lyotard anführen:
„Diese Erzählungen erlauben also einerseits, die Kriterien der Kompetenz der Gesellschaft, in der sie erzählt werden, zu definieren, sowie andererseits, mit diesen die Leistungen zu bewerten, die in ihr vollbracht werden oder werden können.“ [94]
Dieser Perspektivenwechsel deutet darauf hin, die Peripherie zum Zentrum zu bringen, wobei die als das Verdrängte – das poetische Denken und der Gegendiskurs – und das Zentrum als im Alltag zu erzählenden Geschichten – verstanden werden können. In dieser Hinsicht betont Köpf im Anschluss an William Faulkner, dass die Schriftsteller solche Geschichten erzählen sollten, die an den kämpferischen Geist der Verlierer appellieren und sie zum Weiterkampf gegen die Unvernunft ermutigen und nicht Geschichten, in denen die Herrscher zum Sieg kommen: : „Ich weigere mich, den Untergang der Menschen hinzunehmen ... Ich glaube, der Mensch wird nicht nur überleben, er wird siegen. Er ist unsterblich, nicht weil er allein unter den Geschöpfen eine unermüdliche Stimme hat, sondern weil er eine Seele, einen Geist hat, fähig zu Mitleid und Opfer und Ausdauer. Es ist Aufgabe des Dichters, des Schriftstellers, über diese Dinge zu schreiben. Es ist sein Privileg, dem Menschen beim Ausharren zu helfen, indem er ihm das Herz erhebt, ihn erinnert an Mut und Würde und Hoffnung und Stolz und Erbarmen und Mitleid und Opfer ... Die Stimme des Dichters ist nicht nur ein Zeugnis vom Menschen, sie kann auch eine der Stützen und Pfeiler sein, die ihm helfen auszuharren.“ (MaT, 28)
In Anlehnung an Antonio Skármeta nimmt Köpf Partei für die Verlierer. So Skármeta: “Ich glaube, seit dem Putsch interessieren mich mehr und mehr die konfliktbeladenen, leidenden, solidarischen, hilflosen Personen“(MdWG, 59) Köpf weist darauf hin, dass ihm in seinen Werken[95] daran liegt, darzustellen, welche Gründe zum Scheitern der Figuren geführt haben, wie solche Probleme hätten beseitigt werden können: „Auch hier geht es um Lebensentwürfe, die in ihrem Scheitern und in ihren Auflösungsmöglichkeiten dargestellt werden, aber auch im Hinblick auf die Überwindung von Krisen.“[96]
Im Köpfschen Erzählen ist die Beziehung zwischen der Peripherie und dem Zentrum auch von entscheidender Bedeutung und hängt mit der „Vergegenkunft“ zusammen: „Thulsern kehrt die Verhältnisse um: die Peripherie erscheint als Zentrum.“ (LdN, 183) Er betont, dass die Peripherie das Zentrum erobern soll, um ihren Platz im Zentrum zu sichern: „Aber das Entscheidende dabei ist, dass es immer um das Erzählen von Geschichten gehen wird, um Begegnungen, um Dinge, die vielleicht, ganz randständig sind, die aber dann, wenn man sie bedenkt, doch eine zentrale Funktion bekommen, also dass das Zentrum immer vom Randständigen her bestimmt wird.“ [97] Dass die Peripherie das Zentrum verdrängen und an seine Stelle treten soll, betrachtet Achim Escher für ein charakterisches Merkmal zeitgenössischen Erzählens: “Die Aufwertung der Peripherie und die gleichzeitige Abwertung des Zentralen ist ein wesentliches Kennzeichen des postmodernen Erzählens überhaupt.“ [98]
Ein anderes Merkmal Köpfschen Erzählens kann anhand Thulsern – die von Köpf erzählend entworfene Heimat, in der sich seine frühen Werke abspielen und wo dieser Perspektivenwechsel betont wird – skizziert werden. Für Köpf ist Heimat nicht ein bestimmter Ort, der schon existiert und wo man geboren ist. Er lehnt den Begriff “Heimat”, der mit den geographischen Grenzen zu tun hat, ab: “Das ist dort, wo ich herkomme, mich auskenne, aber nicht mehr hingehöre.“(H, 119) Weil die mit geographischen Grenzen erzählte Heimat schlechte Erfahrungen assoziert, setzt er sich mit dem etablierten Heimatbegriff auseinander, der irgendwie in einem Zusammenhang mit solchen Wörtern steht: „Bauer, Blut, Boden, Gemüt, Grübelei, Grund, Heide, Hof, Innerlichkeit, Leidenschaft, Moor, Opfer, Rasse, Scholle, Schwermut, Stamm und Volk.“ (H, 121)
Die Literatur macht diesen Heimatbegriff obsolet. Heimat ist nach Köpf über die Regel der Zugehörigkeit oder der Nichtzugehörigkeit hinaus eine literarische, die mit Staatsangehörigkeit oder mit geographischen und staatlichen Grenzziehungen nichts gemeinsam hat. Er begreift die Heimat in dem Umgang mit der Literatur: „Zur Heimat gehört die Literatur.“(H, 122) Die Heimat wird beim Schreib- und Lesevorgang geschaffen, der nicht ein statischer, sondern dynamischer Prozess ist. Die Schriftsteller verlassen sich nicht auf die mit Grenzen umgebene Heimat, sondern sie schaffen sie erst schreibend; was sie „Heimat“ nennen, ist kein geographisches Gebiet oder Land, sondern ein „verbalisiertes“, so Miguel Torga: (...) wenn ich mein wirkliches Heimatland verliere und kein Haus mehr habe, bleibt mir nichts übrig, als mein Haus aus Wörtern zu errichten. Mein Beruf gleicht jetzt dem eines Maurers: Ich baue mir mein Haus der Worte, mein verbales Chile, mein Chile der Poesie.“[99]
Heimat ist ein Erzählraum, eine literarische Landschaft und wird durch Geschichten-Erzählen erschaffen; sie hat mit ländlichen Grenzen überhaupt nichts zu tun, da die erzählten Geschichten ländliche Grenzen überschreiten. Um die Bedeutung seiner Heimat zu erschlieβen, um die Reichweite seiner Heimat zu erkennen, ist eine permanente Suche vonnöten, geschichtliche, politische Hintergründe zu erkennen und sie auch zu erzählen. Erst dann kann die Heimat entstehen, sie ist nicht da: „Die Erschaffung eines eigenen Erzählraumes hat nichts mit verhocktem, dumpf tümelndem Regionalismus zu tun, sondern es ist ein altehrwürdiges Verfahren jener Erzähler, die das Risiko auf sich nehmen, auszuholen, weite Bögen zu spannen und ihren Raum mehrdimensional historisch, gesellschaftlich und politisch auszuleuchten.“(LdN, 182)
Heimat entsteht im Schreibvorgang. Der Schriftsteller setzt sich mit den Verhältnissen in der Heimat auseinanader, er kritisiert die Verhältnisse, und entwirft auf dem Papier eine mögliche Heimat, das ist die konjunktivische, indem er in der Auseinandersetzung mit den allgemein herrschenden Verhältnissen in seinem Lande und mit all den Institutionen, mit den Machthabern seine verbalisierte Heimat zu schaffen versucht, da die Schriftsteller keine Heimatpfleger sind (Vgl. H,105) Und sie schaffen ihre Heimat erst erzählend und in der Auseindersetzung mit den Verhältnissen: „Es geht vielmehr um den Schmutz und ums Nest. Ein Erzähler ist ein Nestbeschmutzer, der weiß, dass die wärmsten und besten Nester durch nichts anderes zusammengehalten werden als durch Schmutz. Die Grösse dieses Nestes ist genau festgelegt: Thulsern ist klein wie die Welt.“(LdN, 183) Deshalb fasst Köpf Heimat nicht als einen Ort auf, den man im Atlas findet, sondern als einen, dem man auf der literarischen Landkarte begegnen kann: „Thulsern existiert also nicht vorab, sondern Thulsern entsteht, wenn ich mich erzählend erinnere und erinnernd davon erzähle. Es entsteht durch das Nacherzählen dessen, was vorher nicht da war.“(LdN, 182) Als eine literarische Landschaft hat Thulsern räumliche und zeitliche Aspekte wie jede verbale Heimat. Aber sie widerspricht den gewöhnlichen Urteilen, sie irgendwo auf der Welt zu verorten.“Es war einmal ein Schriftsteller, der hatte die Universität Thulsern erfunden, von der seine Kritiker meinten, diese müsse irgendwo im Allgäu liegen.“ (MvL, 187) Die Grenzen von Thulsern sind derart verwischt, dass der Leser die erzählte Heimat als seine eigene begreift: „Jeder Leser kann selbst überprüfen, wie weit es von seiner eigenen Haustüre nach Thulsern ist. Das schließt die Möglichkeit nicht aus, mittendrin zu hocken.“ (LdN, 183)
Herkömmliche Grenzen sind zu überschreiten, Geschichten anderer Heimaten, anderer Schriftsteller zu vergleichen, die Zeiten und die geographischen Räume sind zu verschmelzen, um die Reichweite dieser literarischen Heimat festzustellen. Thulsern verwandelt sich in eine universale Heimat, in der jeder seine eigene Heimat erkennen kann: „Mit jedem der bisher erschienenen Romane wird der Kosmos Thulsern neu und aus unterschiedlicher Perspektive mit unterschiedlichen Mitteln des Erzählens erschlossen. Freilich ist dieses Thulsern nicht auf dem direkten und gerade ausführenden Weg erzählbar. Umwege sind zu machen , Hindernisse zu überwinden, ehe Thulsern erreicht werden kann.“[100] Dass Thulsern nicht direkt erzählt wird, hat mit der Tatsache zu tun, das lineare Denken zu überwinden, das die Wahrnehmungskonzepte prägt. Das vorhandene Denken, das auf das wirtschaftliche Wachstum fixiert ist, beschäftigt sich keinen Augenblick mit dem Gedanken, dass die Menschheit bedroht ist, und sich ihrer Katastrophe zubewegt, weil dieser Gedanke keinen wirtschaftlichen Profit mit sich bringt, und die Welt als „unveränderbar“, als „statistisch“ versteht. Da Köpf Widerstand gegen unmenschliche Umstände, und die Ich- und Weltverwandlung ins Zentrum seines Erzählprogrammes stellt, setzt er sich mit dem linearen Denken auseinander, das diese Umstände zusammenhält. Um neue Wahrnehmungsweisen zu ermöglichen, ist es eine unabdingbare Voraussetzung, vorhandenes Erzählen zu zerstören. Die Handlungsverläufe sollen nicht linear, also nicht in der zeitlichen Abfolge, ereignis-oder psychologieparallel erzählt werden, da dieses Erzählen die Fortsetzung des Bestehenden ermöglichen würde: „Freilich ist es nicht mit einem ereignis- oder psychologieparallelen Erzählen getan, in dem der Erzähler seine Geschichte wie einen Maulesel bepackt und von A nach B schickt oder — wie in ‘Der Name der Rose’ — Figuren mit Rucksäcken verwechselt, die beliebig mit Gelehrsamkeit gefüllt werden können.“(Ks, 171)
Unter solchen Verhältnissen sollten sich die Geschichten in einer Zeit, in der die Welt vor einer totalen Zerstörung steht, wo das menschliche Leben fragwürdig erscheint, konventionelle Kriege vielen Menschen das Leben kosten, ökologische Katastrophen auf der Tagesordnung stehen, mit der Wahrnehmungsweise auseinandersetzen, die es den Menschen aufzwingt, all die Gefahren als schicksalhafte, unvermeidliche Ergebnisse zu betrachten. Es ist lineares Denken, auf das diese Wahrnehmungsweise zurückgeführt wird. Lineares Denken veranlasst, die Umstände als Fakten zu begreifen und verhindert es gleichzeitig, Zusammenhänge zwischen bestehender Dummheit und persönlicher Verantwortung zu erschlieβen. Lineares Denken stellt die Welt als eine „statische“, „faktische“ Naturgegebenheit dar, bei der sich notwendige Abfolgen wiederholen und ihrer Erhaltung beitragen. Die historischen, gesellschaftlichen, politischen Ereignisse mit der linearen Abfolge wie bei den Naturgegebenheiten zu erklären, hieβe, die gegenwärtige Welt als schicksalhaft, als unveränderbar zu betrachten. Aus diesem Grund betrachtet Köpf die Auseinandersetzung mit dem linearen Denken als eine unabdingbare Voraussetzung, da er die statische Welt als eine inhumane, bedrohte auffasst, die aber verwandelt werden könnte, wenn die Menschen die Umstände als „gestaltbar“ als „formbar“ betrachten würden: „Ich glaube, wir müssen speziell in nächster Zukunft, aufgrund unserer geschichtlichen und gesellschaftlichen Situationen, ganz stark darauf achten, dass wir uns nicht von der Kraft des Faktischen bestimmen lassen,(...) Wir stellen ja in unserem eigenem Leben fest, dass der Spielraum immer enger wird, dass diese Kraft des Faktischen immer gewaltiger wird.“[101]
Die Geschichten in linearer Chronologie und in ereignis- oder psychologieparalleler Abfolge zu erzählen, hieβe gleichzeitig auch, der Reproduktion der bestehenden unmenschlichen Umstände beizutragen. Daher hat der Erzähler: „ verschiedene Berichte zu vergleichen, Anekdoten aufzulesen, Inschriften zu entziffern, Geschichten einzuweben, Überlieferungen zu sieben, Persönlichkeiten aufzusuchen, Lobpreisungen an diese Türe zu kleistern, Pasquille an andere...In Summa: an allen Ecken und Enden gibt’s Archive einzusehen und Akten, Annalen, Dokumente und Bandwurm-Genealogien nachzulesen,“ [102] um dem Erzählen einen gerechten Sinn zu verleihen und das lineare Denken bzw. Erzählen zu überbieten, seine literarische Heimat zu erzählen. Bei der Erschaffung der literarischen Heimat zieht Köpf das räumliche Erzählen dem linearen vor.[103]
Um die menschheitsvernichtenden Umstände zu überwinden, ist die Auseinandersetzung mit dem linearen Denken eine unabdingbare Voraussetzung: „Mich interessiert nicht der tumb geradeaus verlaufende Erzählstollen. Abseits, seitwärts, abwärts heißt die Richtung, mithin räumliches Erzählen als Alternative zum stumpfsinnig additiv Linearen des Unddannunddann.“(Ks, 171) Die Überwindung linearen Denkens sowie Erzählens ist von auβerordentlicher Bedeutung: „Es gilt, die normative Kraft des Faktischen zu sprengen.“ [104] Wenn die Welt nicht als statisch, sondern als veränderbar erzählt wird, ist es prinzipiell auch möglich, dass an ihre Stelle eine veränderbare hätte kommen können, wobei diese Welt als humanere, die es heraufzubeschwören gilt, zu interpretieren ist. Dies erfordert ein Erzählen, das den etablierten Fakten widerspricht.
Köpf stellt dem linearen Denken die poetische Phantasie entgegen. Er weist dem Erzählen eine Aufgabe zu, das Ganze in allen Beziehungen zu entlarven und Zusammenhänge zwischen den Verhältnissen und dem Verhalten des Menschen herzustellen. Das Ganze – die herrschende Unvernunft – kann wahrgenommen werden, indem all die Beziehungen entziffert, dekonstruiert werden, um das Ganze in Einzelteilen und die Funktion dieser Einzelteile im Ganzen zu sehen. Nur durch die poetische Phantasie bzw. das poetische Denken kann es gelingen, die Dinge in ihrer Verwobenheit darzustellen. Bei Köpf ist alles mit allem verbunden. Jedes „harmlose“ Verhalten, das „pure“ Gespräch ist in die herrschenden Umstände einbezogen. Da ein Individuum in das herrschende gesellschaftliche Ganze integriert ist, ist er Mittäter der bestehenden Unvernunft, solange er diesen Machtverhältnissen nicht widerspricht. Die Gleichgültigkeit des Bürgers gegenüber einer atomaren Gefahr oder den politischen Machtverhältnissen ist mit einem unmittelbaren Zusammenhang mit dem etablierten linearen Denken zu erklären, das das Ganze nicht wahzurnehmen gestattet.
Ein anderes wichtiges Merkmal der Köpfschen „Vergegenkunft“ ist konjunktivisches Erzählen. Um humanere Verhältnisse zu realisieren, sollte man nicht erzählen, wie es war, was die Umstände fortzusetzen gleichkäme, sondern wie es hätte sein können, was die erzählte, dargestellte Welt zum Leben zu erwecken ermöglichen könnte: „Für einen Erzähler ist der Konjunktiv deshalb unverzichtbar, weil ein Erzähler nie erzählt, wie es war, sondern stets, wie es hätte sein können.“ [105] Die Problematik zwischen dem Faktischen und dem Möglichen spitzt er weiter zu, um das Schwergewicht des Konjunktivs in seinem Erzählen zu betonen: „Ich habe früher immer großen Wert gelegt auf die reinliche Scheidung zwischen dem Wirklichen und dem Möglichen und auch Nicht-Möglichen und dabei übersehen, wo die Trennungslinie in Wahrheit verläuft: nicht zwischen dem Wirklichen und Möglichen, sondern zwischen dem Möglichen und dem Nicht-Möglichen, die man beide mit dem Konjunktiv greift.“ (AaA, 133)
Die „Vergegenkunft“ wird von Köpf aus dieser Perspektive folgenderweise definiert: “Vergegenkunft heiβt: vorauszusehen, wie es gewesen sein könnte, wenn es dereinst geschähe. Dabei ist Konjunktiv von entscheidender Bedeutung, denn erst Konjunktiv eröffnet die Welt des Möglichen, des Unwirklichen und des Ersehnten: lrrealis, Conditionalis, Optativ.“ [106]
Zwar hat Köpf diesen Begriff von Grass übernommen, aber es gibt einen wesentlichen Unterschied zwischen dem Erzählen von Günter Grass und demjenigen Köpfs. Köpf formuliert die Differenz seiner „Vergegenkunft“ von der Grasschen folgendermaβen:
„Bei Grass ist die Idee der Vergegenkunft auch überwiegend indikativisch: gestern wird sein, was morgen gewesen ist. Für mich sind entscheidend die Möglichkeiten des Konjunktivischen , also das Eröffnen von Möglichkeiten, von Varianten: es könnte so,aber auch anders gewesen sein.“[107]
Der Begriff „Vergegenkunft“ assoziert nicht nur eine zeitliche Dimension, nämlich eine Abkürzung der Zeitformen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, sondern er macht auch den Kern seiner Poetik aus. Kempkes weist über die zeitliche Dimension der „Vergegenkunft“ hinaus auf ihre zentrale Bedeutung in Köpfs Poetik:
„Bei der „Vergegenkunft“ handelt es sich um den poetischen Versuch, der Zeit, unserer Zeit gerecht zu werden. Dies kann nur gelingen, wenn man Abstand nimmt von purer Realität und ausschlieβlich-punktueller Wahrnehmung. Grenzen müssen überschritten, Kontexte geschaffen, Zusammenhänge geknüpft und das groβe Ganze hergestellt werden.“ [108]
Ähnlich beurteilt Edgar Platen die „Vergegenkunft“ und betont, dass sie nicht nur auf die zeitliche Dimension beschränkt ist, sondern Köpfs ganze Poetik umfasst und sein Erzählprogramm ausmacht:
„Einerseits werden im Widerstand leistendes Erzählen Strukturen eines linearen Denkens in ihrer geschichtlichen Dimension aufgezeigt, das keineswegs auf den Aspekt der Zeit beschränkt ist, sondern von der Erkenntnistheorie bis zum Handeln reicht – andererseits wird im Widerstand ein alternatives, ästhetisches Denken erzählend entworfen.“[109]
Köpf ist von der Macht des Wortes, der Sprache bzw. des Widerstand leistenden Erzählens überzeugt, da die Erklärbarkeit der Welt auch die Veränderbarkeit der Umstände einschließt. Widerstand wird durch Erzählen geleistet, da er dem Erzählen eine Bedeutung zuschreibt, durch die die gesellschaftlichen Verhältnisse ihre Gestalt erhalten. Der gestaltenden, bestimmenden Bedetung des Erzählens entsprechend steht der Widerstand in keiner Weise in einem parteipolitischen Sinne, dass man auf die Straβe geht und mit den Plakaten den Umsturz einer Regierung verlangt. Der Diskurs ist das den herrschenden Verhältnissen innewohnende Medium, wodurch ihre Herrschaft zusammengehalten wird, wodurch gegen die existierenden Umstände Widerstand geleistet werden kann. Es sind die erzählten Geschichten, die den Widerstand ausmachen. Man braucht nur die Geschichten zu erzählen, die das Bestehende in Frage stellen. Dann verliert das Bestehende bzw. die Unvernunft ihre Kraft und es kann an ihre Stelle die Humanität treten. Es hängt nur mit den erzählten Geschichten auf engste zusammen. Die „Vergegenkunft“ verweist auf das Schriftstellerische, nämlich auf das Schreiben und das Lesen und thematisiert die Erkenntnis, dass die Welt nur durch einen humaneren Diskurs humanisert werden kann, auch wenn diese Überzeugung nur ein Traum, nur als eine geringe Möglichkeit erscheinen mag; Köpf erhöht diesen Traum, diese geringe Möglichkeit zum Zentrum seiner Poetik, zum Zentrum seines Lebens überhaupt und liest und schreibt, um seiner Überzeugung gerecht zu werden.
Auch wenn das Erzählen als die einzige Instanz verstanden wird, scheint es Köpf wegen der Übermacht der etablierten Werte, Beziehungen, der Gleichgültigkeit der Menschen gegenüber den gesellschaftlichen Ereignissen ein Ding der Unmöglichkeit: „Weil ich weiß, (...) strenge ich mich an, denn das Vergebliche muß getan, das Unerreichbare erzählt werden.“( MaT, 38) Aber für Köpf ist Erzählen ein Akt, auf den zu verzichten nicht möglich ist: „Vielleicht ist das Erzählen die letzte dem Menschen verbliebene Chance, über sein Leben nachzudenken.“( Ks, 173)
Welche Hindernisse in solchen gesellschaftlichen, politischen Verhältnissen zu überwinden, welche Grenzen zu überschreiten sind, erzählend sich und diese Verhältnisse zu verwandeln, wird untersucht werden, da der Autor und der Leser sich im Köpfschen Erzählprogramm als diejenige Instanzen erweisen, denen die Aufgabe zufällt, die zu erzählende/erzählte, darzustellende/dargestellte Welt zum Leben zu erwecken. Der Autor und der Leser sind Bestandteil der ‚Vergegenkunft’.[110]
4. Der poetische Gegenentwurf
Im Kontext der „Vergegenkunft“ haben die Schriftsteller bei Köpf eine zentrale Bedeutung, da sie eine zu verwirklichende Welt entwerfen, die den Lesern bei der Überwindung der vorhandenen, verkehrten Welt als alternative Welt dienen kann.
Den gegenwärtigen Zustand reflektiert Köpf mit dieser Aussage: „Aber diesmal geht es nicht mehr nur um literarische Themen und Motive, diesmal geht es um mehr, weil es ums Ganze geht.“ (HuK, 96) Diese Verhältnisse, deren Überwindung Köpf als wichtigste Aufgabe der Literaten betrachtet, sind für ihn selbst als Schriftsteller von ausserordentlicher Bedeutung. Sie bestimmen seine Einstellung zu den Schriftstellern, dem Schreiben, dem Erzählen, dem Lesen, der Kunst, der Literatur, der Ästhetik, der Ethik, die sich in seinen Essays als überwiegende Themen erweisen.
Köpf erfährt die Welt von den anderen Schriftstellern, von den Büchern beim Lesevorgang. Er gewinnt seine Identität durch die Lektüre, die ihn auch zum Schriftstellertum anregt. In Anlehnung an Ilse Schneider-Lengyel, die Schriftstellerin, die er in seinem ersten Roman „Innerfern“[111] mit der Figur Karlina Piloti verewigt hat, gesteht Köpf, dass er ihr seine schriftstellerische Tätigkeit verdankt und sie zu einem seiner Vorbilder erklärt. Indem er ihre Verse „Man müßte bunker bauen / bunker aus menschlichkeit. Man sollte bunker bauen / grosse bunker aus liebe “[112] zitiert, bekennt er sich zu dem für ihn allerwichtigsten Ziel, zur Humanität und zur Liebe. In seiner literarischen Untersuchung „Die Metaphoras der Witwe Gonzales“ interpretiert Köpf die Handlungen des Romans “Mit brennender Geduld“[113] von Antonio Skármeta “als eine Kette von Inspirationen, an deren Anfang die Liebe steht – wie immer bei Poesie. Aus ihr kommt sie, auf sie zielt sie; die Liebe ist Ursprung und Bestimmung der Poesie zugleich.“ (MdWG, 55)
Heinrich Mann seinerseits hat auch einen grossen Einfluss auf sein Schreiben ausgeübt. In einer Arbeit über ihn zitiert Köpf dessen Aussage: „Der Intellektuelle (...) ist gewillt Vernunft und Menschlichkeit auf den Thron der Welt zu setzen.“[114] Und Köpfs Ausführungen dazu sind eindeutig: „Für Heinrich Mann ist die Vernunft ein so hoher Wert im Leben jedes einzelnen Menschen und der Völker, dass die Realisierung ihrer Ziele unter allen Umständen erfolgen muss. Er überlegt die Mittel, die geeignet sind, Raum zu schaffen für die Vernunft, damit sie sich überhaupt entfalten kann.“ (IS, 35) Das kann man durch Köpfs eigene Perspektive in Einklang bringen. Um es mit Nietzsche zu formulieren: „Über das Chaos Herr werden, das man ist; sein Chaos zwingen, Form zu werden.“[115] oder sein Leben in den Dienst der Bücher wie Don Quichotte zu setzen, um die erzählte Welt, die Humanität, die Vernunft, die Gerechtigkeit in die Tat umzusetzen. Köpf gesteht, dass Don Quichotte in seinem literarischen Schaffen eine grosse Rolle gespielt hat: „Der Quichotte sitzt mir immer im Genick“ [116]
4.1. Erzählen als Inbegriff der „Vergegenkunft“
Die menschheitsvernichtenden Umstände versteht Köpf als die Summe menschlicher Einstellungen, menschlicher Handlungen. Die katastrophalen Verhältnisse sind daher als Unvermögen des Staates mit all den Machtapparaten aufzufassen, diesen Prozess, der die Erde unbewohnbar zu machen droht, rückgängig machen zu können. Die Entfaltung der Humanität kann keinem Zufall überlassen werden, sondern soll durch menschliche Arbeit realisiert werden. Unter diesen Voraussetzungen kommt den Schriftstellern eine besondere Rolle zu, nämlich die Verantwortung auf sich zu nehmen, die unvernünftige Welt zu humanisieren. Köpf fühlt sich als Schriftsteller verpflichtet, diese Aufgabe zu erfüllen, die ihre Dimension im Kontext der Vernunft und der kritischen Humanität bekommt und die er wie folgt definiert: “Republikanischer Dienst wider die Katastrophilie redet nicht blinder Hoffnungsmacherei (...)sondern erkennt im Widerstand gegen die Unvernunft und in der Verweigerung seine Verantwortung.“ (VrE, 76) Die Auseinandersetzung mit dem Staat, den Machthabern, ist ein unabdingbares Verhalten für den Schriftsteller, dessen Aufgabe darauf zielt: „Humanität und Vernunft im Leben der Menschen den Platz zu gewinnen, den sie innehaben sollten.“( IS, 38) Um nicht Komplizen der Unvernunft zu werden, darf er sich nicht zum Werkzeug des Staates herabsetzen, stattdessen „beleidigt er die Obrigkeit und legt sich mehrfach handfest mit den Gendarmen an. Der Staatschreiber: Herrendienst einer Hundsnatur?“ (VrE, 74)
Unter diesen Voraussetzungen gehören Nonkonformität, Nichteinverstandensein und Widerstand zum Wesen der schriftstellerischen Aufgabe. So Peter Wapnewski: „Dichter aber, das hat zu tun mit ihrem Beruf, leben nicht in Eintracht mit ihrer Gesellschaft, und Misstrauen ist angebracht, wo sie sich äussern als Stimme freundlicher Harmonie, als Stimme der Zufriedenheit mit Umwelt, Volk und Staat. Vielmehr ist die Geschichte der Literatur (auch) die Geschichte des Haderns der Literaten mit ihrer Welt und Umwelt, mit ihrer Nation.“[117]
Er betrachtet diese schriftstellerische Aufgabe, bzw. den republikanischen Dienst, als ein realisierbares, anzustrebendes und erreichbares Ziel. Um es aber zu erreichen, hat der Schriftsteller viele Hindernisse zu überwinden und sein Leben selbst zu riskieren. Der Kampf um die Humanität ist mit dem Preis verbunden, den zu bezahlen der Schriftsteller sich bereit erklärt, auch wenn das sein Leben auf das Spiel zu setzen bedeutet: ” Ohne das Feuer zu scheuen, reiht er sich ein in die Kette der gebrannten Kinder. (..) Nein: die Träume sind nicht erledigt, die Hoffnung auf Veränderung nicht aufgegeben, (...)Die Rechnung ist hoch. Sie wird bezahlt. Der Preis wird immer man selbst sein“ (VrE, 76-77)
Dem Leben gerecht zu werden, der Humanität Raum zu verschaffen, verlangt von dem Schriftsteller, gegenüber den politischen Ereignissen Stellung zu nehmen, was den Widerstand, den Kampf gegen das politische System einschliesst. Im Anschluss an Heinrich Mann betrachtet Köpf den republikanischen Dienst innerhalb des politischen Kampfes wie folgt: „Die Vernunft hat nicht das Recht, die Gestaltung der Welt den Unvernünftigen zu überlassen. Wo ihr das Recht zum Handeln und Entscheiden nicht zugestanden wird, muss sie es erkämpfen. Ohne dabei der Anwendung von Gewalt einen Brief auszustellen.“(IS, 36) Er betrachtet sich als ein „Verfechter des republikanischen Dienstes“(MaT,20) und ist von tiefer Überzeugung, dass die Verantwortung dieses Kampfes um die Humanität dem Schriftsteller selbst zufällt. Er beklagt , dass es in Deutschland nicht der Fall ist, und vertritt die These, dass das Schreiben von dem gesellschaftlichen und politischen Leben nicht getrennt betrachtet werden kann: „Abwartend und abwehrend ist die gegenwärtige Literatur vom Schreiben selbst absorbiert: ein Turm im Turm.“ (ÄuA, 114 )
Anlässlich der katastrophalen Verhältnisse, die weltweite Dimensionen genommen haben, kritisiert Köpf die Engstirnigkeit, die Denkfaulheit der deutschen Schriftsteller, die von den gesellschaftlichen Verhältnissen und Problemen isoliert ihre Werke schreiben und auf die gesellschaftlichen Probleme nicht eingehen. „An die Stelle der öffentlichen Einmischung im Sinne der kritischen Solidarität ist eine munter wuchernde Klein- und Kleinstkultur getreten, die sich quasi im windstillen Vorgärtchen der Republik ausbreitet, die sich eigene Organe und Foren des Geistes, die sich Zirkel und Rudel geschaffen hat, um vom Applaus Gleichgesinnter zu leben und in der eigenen Soße zu köcheln, die immer neu umgerührt umd mit schrillem Gewürz pressereif präsentiert wird.“ (ÄuA, 111)
Im Gegensatz zu den Schriftstellern, die auf die politischen Ereignisse nicht eingehen, identifiziert sich Köpf mit denjenigen aus aller Welt, die gegen den herrschenden Zeitgeist, den Staat und andere Instanzen Widerstand geleistet haben, um der Humanität Raum zu verschaffen. Sie müssen mit den Angriffen, der Kritik, den Beschimpfungen, den Folterungen, den Vorwürfen der Machtmaschinerie, die ihnen auferlegt werden, rechnen. Miguel Torga ist einer dieser Schriftsteller, der mit der „Erschaffung der Welt“ nicht einverstanden ist und die Welt jeden Tag neu zu erschaffen versucht, indem er gegen die Instanzen Widerstand leistet, von dem Staat bestraft wird, aber gar nicht daran in seinem Leben denkt, seine schriftstellerische Tätigkeit aufzugeben, weil er davon sehr tief überzeugt ist, durch sein Handeln zu der Umweltverwandlung beizutragen: „Achtzehnjährig kehrt Torga zurück, (...) findet Kontakt zu Literaten und revolutionären Ideen, hilft eine Zeitschrift gründen, kehrt nach dem Abschluss des Studiums ins Dorf zurück, wo er als Häretiker gilt, fällt den dörflichen Intrigen zum Opfer, kann seinen Beruf nicht ausüben, (...) und startet, noch Rekonvaleszent, zu einer längeren Reise durch Spanien, Italien und Frankreich , ehe er in Salazars Portugal zurückkehrt, wo er nach Erscheinen des dritten Bandes seiner “Erschaffung der Welt” von der Staatsicherheitspolizei verhaftet und in Lizabon eingesperrt wird.“ (IeS, 47)
Seine Auseinandersetzung mit den Schriftstellern, den Kritikern und den Literaturwissenschaftlern geht auch auf die Tatsache zurück, dass es ihm nicht daran liegt, die Umstände zu kritisieren, ihm liegt mehr daran, erzählend und sich verwandelnd der Entfaltung der Humanität beizutragen. Er beobachtet in dem Verhalten der Literaturwissenschaftler und der Kritiker mehr die Fortsetzung der bestehenden Inhumanität als die Entfaltung der Menschlichkeit. Schriftsteller zu sein, bedeutet für Köpf, sich auf einen ständigen Kampf zu begeben gegen diejenigen, die das Faktische, das Inhumane reproduzieren. In seinen Essays ist besonders seine Auseinandersetzung mit den Literaturwissenschaftlern und den Kritikern auffallend. Seine Kritik an ihnen focussiert besonders darauf, dass sie der Autorität dienen: „Angst macht mir die bedingungslose Ausrichtung vieler Literaturwissenschaftler am Sekundären. Nicht das literarische Wissen zählt, sondern das Wissen über Literatur, die Sekundärliteratur wird sinn- und autoritätsstiftend. Daraus ergeben sich existenzielle Konsequenzen. Wer sich dem Sekundärwissen huldigend unterwirft, wird autoritätshörig.“ (ZiK, 135) Die Kritiker fördern mit dieser Haltung nicht das freiheitliche humane Denken, sondern etablieren das autoritäre Verhalten, indem sie mit ihren Urteilen den Schriftstellern aufzuzwingen versuchen, nach ihrem Geschmack zu schreiben: “Die totale Beliebigkeit einer Kritik ist soviel wert wie die penetrant wiederholte Wunschvorstellung eines Kritikers davon, was ein Autor wann und wie und wo zu schreiben habe. Ein seriöser Autor darf und kann die Wünsche eines Kritikers nie erfüllen.“(HL, 68) Von den Literaturwissenschaftlern hat Köpf die gleiche Vorstellung wie von den Schriftstellern: Auch die Literaturwissenschaftler sollten sich mit dem Faktischen, der Inhumanität auseinandersetzen: „Autoren wie Literaturwissenschaftler wünsche ich mir dabei gleichermaßen als Brandstifter.“ (ZiK, 145)
Besonders in der Auseinandersetzung mit den Kritikern wird Köpf unerbittlich. Im Anschluss an Hemingway vernichtet Köpf die Rezensionen der Kritiker: „Kritik ist wie Pferdescheiße, aber ohne den angenehmen Geruch von Pferdescheiße oder ihre Nützlichkeit als Dünger. Auch die meisten Komplimente sind Pferdescheiße. Die Kritiker können ihren Arsch nicht von einem Loch im Boden unterscheiden. Ich kenne nicht einen, den ich auf meiner Seite haben oder dem ich mich anvertrauen wollte, wenn wir je für etwas zu kämpfen hätten. Alle Rezensionen sind Scheiße. Kritik wird allmählich verwechselt mit einer Mischung aus F.B.I. – (...)Es ist sehr destruktiv, ein Buch zu veröffentlichen und dann die Besprechungen zu lesen. Wenn sie es nicht verstehen, wird man wütend; wenn sie es verstehen, liest man nur das, was man ohnehin schon weiß, und das nützt einem nichts. (HM, 57)
Anstatt die Schriftsteller, die im Dienst der Humanität ihre Werke verfassen, bei dem Leserkreis bekanntzumachen und zur Aufklärung der Leser zu verhelfen, stehen sie im Dienste der Machthaber. Sie rezensieren die Bücher, ohne die innere Entwicklung des literarischen Werkes zu untersuchen. Sie machen solche Schriftsteller bekannt und berühmt, die die Autorität bejahen. Anstatt die Verhältnisse zu schaffen, wo die Humanität gedeihen könnte, werden die Werke der Schriftsteller wie Günter Grass von den Kritikern „ als Skandalon, Blasphemie und Pornographie.“(HuK, 88) interpretiert. Köpf kritisert auch die Rezensionen der Kritiker zum literarischen Schaffen von Hemingway: „Für Professor Lynn ist Ernest Hemingway ein Muttersöhnchen seit dem Babyalter von der dominanten Mutter in der Geschlechterrolle derart irritiert, dass er sein Leben lang ein maskulines Super- Ego aufrichten mußte, um dahinter seine latente Homosexualität und seine Unterwerfungslust unter starke Frauen zu verstecken.“ (HM, 48) Ein anderer Schriftsteller, Gregor von Rezzorie, ein Idol, eine Verkörperung der schriftstellerischen Existenz für Köpf, wird heftig in der Presse kritisiert: “Dann sagen die Stammtischbrüder (und ihr Zentralorgan Der Spiegel), er komme doch bloß aus dem Reiche Knoblauch und sei wegen seiner anglosächsisch lässigen Geselligkeit eine talmihafte Mischung von Hocharistokratie und Spielcasino - Croupier.“ (VdW, 76 )
Köpfs Auseinandersetzung mit den Kritikern geht auf zwei Gründe zurück, der erste besteht darin, dass die Kritik die bestehende Unvernunft attackieren sollte. Der zweite Grund ist, dass sich die Kritiker auch am Konzept der Humanität und der Vernunft beteiligen und in dem politischen Kampf gegen die Unvernunft einsetzen sollten: „Auch die Kritik, vor allem sie, ist den republikanischen Tugenden verpflichtet. (...) Jenes Gründlich-verstehen-Wollen, von dem Friedrich Schlegel schreibt, bleibt wohlfeiles Lippenbekenntnis, wenn es nicht in Lektüre und Diskurs Humanität und Vernunft praktiziert und verantwortungsvoll differenziert.“ (HL, 67)
Die Kritiker sind aber nur an dem Urteilen interessiert. Sie rezensieren die Werke, ohne sie gründlich gelesen zu haben: „all jene, die in dieses Horn stossen, haben den ‚Butt’ nicht gelesen, haben nicht einmal das Kapitel ‚Vasco kehrt wieder’ zur Kenntnis genommen, sind mithin nicht in den dritten Monat gekommen. Ergebnis: gedankliche Frühgeburten!“( HuK, 98), ohne die literarische und erzählerische Entwicklung Grasscher Werke in Betracht zu ziehen. (Siehe HuK, 100) Die Kritiker sollten den Lesern die Aufklärung der literarischen Motive, Erkenntniszusammenhänge solcher Schriftstller ermöglichen, die sich in den Dienst der Humanität stellen, die aber von ihnen heftig kritisert werden. Die Kritiker verhelfen aber solchen Schriftstellern zum Ruhm, deren Werke das Faktische reproduzieren und nur der Unterhaltung und der Ablenkung dienen. (Siehe HM, 56)
Indem die Werke solcher Autoren in den Zeitungen von den Kritikern als empfehlend rezensiert werden, gelangen sie zu weiteren Leserkreisen. Erste Konsequenz, solche Schriftsteller werden berühmt und dadurch geniessen sie ein hohes Ansehen und ein finanziell gesichertes Leben. Zweite Konsequenz, den Lesern werden bestimmte Werke aufgezwungen, die die Welt als „gegeben“, „schicksalhaft“ und „unveränderbar“ aufweisen, deren Inhalt die Gründe nicht hinterfragt, also das Faktische nur reproduziert. Für Köpf bedeutet dieses Faktische das Inhumane. Durch ihre Rezensionen sind die Kritiker als Komplizen der Unmenschlichkeit. Ein solches Recht, die Leser zu täuschen, hätten die Kritiker nicht. (Siehe HL, 67) Dritte und wichtigste Konsequenz, das Scheitern der Schriftsteller geht zum grössten Teil auf die Rechnung der Kritiker, indem sie denjenigen, die der Autorität dienen, zum Ruhm, Geld, Ansehen verhelfen, und diejenigen, die sich in den Dienst der Humanität stellen, heftig kritisieren, und dadurch ihre Isoliertheit verursachen, wodurch sie verkannt bleiben. Das ist sowohl für die Entfaltung der Menschlichkeit als auch für das Scheitern der Schriftsteller von grosser Bedeutung.
Der Essay als literarische Gattung erlaubt einen direkten Eingriff in die politischen Fragen. In Köpfs Essays fällt seine politische Stellungnahme deutlich auf, aber deshalb ihn als einen politisch engagierten Autor bezeichnen, würde fehlschlagen. Er ist an den politischen Ereignissen interessiert, weil er die schriftstellerische Tätigkeit unter dem Eingriff in das politische Feld versteht und weil er den republikanischen Dienst im gesellschaftlichen Konzept begreift : “Und ich denke, der republikanische Ort wird erreicht, und man befindet sich auf dem Weg zu ihm, wenn man sich klar macht, dass auf der einen Seite das Individuelle, auf der andern Seite aber das Allgemeine, das Gesellschaftliche ist und die zwei Dinge sozusagen, miteinander in ein Verhältnis geraten müssen.“ [118]
In der Auseinandersetzung gegen die Irrationalisierung und die Instanzen profiliert sich nicht nur das Bild eines Schriftstellers, sondern auch eines Intellektuellen oder auch eines Künstlers im weitesten Sinne, der sich die Prinzipien zu bestimmen versucht, durch deren Befolgung ein humaneres Leben gedeihen kann, der die Widersprüche in seiner Persönlichkeit vereint und zu einer Lösung zu bringen versucht, nämlich den Widerspruch zwischen dem Schriftsteller und der Gesellschaft. Er kämpft gegen die Unterdrückung seines Volkes, setzt sich in den Dienst seiner Gesellschaft und gibt die reale Situation ohne Umschweife zum Erkennnen: „ Er sagt, was Sache ist.“(SuN, 110) Er erklärt sich mit den etablierten Werten nicht einverstanden und widersteht dem herrschenden Geschmack nach dem Prinzip, dass der Schriftsteller das Humane, das Allgemeine zur Geltung zu bringen versucht, indem er sich für die Allgemeinheit einsetzt.
Köpf betrachtet als einzige Aufgabe des Schriftstellers die Selbstverwandlung, die die Weltverwandlung auch einschliesst. Die Schriftsteller setzen sich den Angriffen, den Kritiken, den Beschimpfungen, den Vorwürfen der Machtmaschinerie aus, um der Förderung der Allgemeinheit Beitrag zu leisten. Sie bezeichnen es als ihre Verantwortung, die ihnen von keiner höheren Instanz aufgebürdet ist. Um dieser Verantwortung gerecht zu werden, nehmen sie all die Leiden in Kauf und setzen dabei ihre Existenz auf das Spiel. Ob es sich – nach den weltlichen Maßstäben – lohnt, fragt sich der Schriftsteller nicht. Trotz all der Opferbereitschaft des Schriftstellers werden seine Bemühungen von den Mitgliedern der Gesellschaft nicht respektiert, im Gegenteil: er wird abgestossen, führt sein Leben am Rande der Gesellschaft. Scheitern wird für die Schriftsteller unter solchen Verhältnissen unausweichbar: „(...) die Deutschen lieben bekanntlich die Ordnung. Für alles haben sie Kästchen und Schublädchen. Nur der Windhund ist nirgendwo unterzubringen. Immer liegt er quer, klemmt oder macht sich flink davon, als hätte er Gewicht von Rauch. Den Rechten ist er ketzerisch und die Linken reiben sich am Adelsprädikat im Namen.“ (VdW, 72) In diesem Sinne solidarisiert sich der Schriftsteller nicht mit den Machthabern, den Komplizen der Unvernunft, sondern mit der Mehrheit, die den Auswirkungen der unmenschlichen Verhältnisse ausgesetzt wird. So im Falle von Antonio Skármeta: „Ich hatte damals alles verloren. Die Literatur hat mir geholfen. Das klingt ein wenig pathetisch, aber so fühlte ich mich. Ich hatte alles verloren. Das Band tiefer Zuneigung, das mich mit meinem Volk verband; meinen Plan, in und mit meinem Volk zu schreiben; ein künstlerisches Vorhaben, das sich in einem Satz zusammenfassen lässt: Versuchen den Herzschlag des einzelnen mit dem Herzschlag der Massen in Einklang zu bringen, so dass man von beiden die Wahrheit des schlagenden Herzen vernimmt.“( MdWG, 58)
Köpf begreift die Politik nicht im Sinne einer politischen Partei, die nur darauf angelegt ist, zu regieren, sondern unter politischem Eingriff des Schriftstellers versteht er, dass dieser auf politische Begebenheiten reagieren soll. Um die Entfaltung der Humanität zu ermöglichen und der Unmenschlichkeit Einhalt zu gebieten, soll er auf die gesellschaftlich- politischen Umstände eingehen, deren Analyse ist eine Voraussetzung, damit neue Handlungsmöglichkeiten wahrgenommen werden können.
Der Eingriff in die politischen Verhältnisse soll nicht mit politischen Begriffen und Mitteln vollzogen werden, sondern mit denen der Literatur, der Poesie. Anlässlich der Wiedervereinigung beider deutscher Staaten verdeutlicht Köpf, dass die Schriftsteller durch ihre Weit- und Übersicht den Politikern überlegen sind: „Einzig die Schriftssteller beider Staaten haben in der Sprache und der Literatur jene Gemeinsamkeiten bei aller Unterschiedlichkeit aufrechthalten können, zu denen die Politiker nicht fähig waren, weil sie von den falschen Vorstellungen ausgingen und die Geschichten fälschten.“(HuK, 95) Die politische Verwandlung an und für sich ist für Köpf kein Ziel, da sie durch die Verwandlung der Ichs zustandekommt. In Anlehnung an Jean Paul gibt Köpf der Selbstverwandlung den Vorrang: „Die politische Veränderung ist Jean Paul ‚mehr die Tochter als die Mutter einer moralischen. Die Veränderung bedarf also zunächst weniger der politischen als der moralischen Tat.“( ÄuA, 116), da Ichverwandlung unabdingbar zur Verwandlung der Umstände führen wird: „’Jeder verbessere und revolutioniere nur vor allen Dingen statt der Zeit sein Ich; dann gibt sich alles, weil die Zeit aus Ichs besteht’, sagt Jean Paul. Die moralische geht der politischen Veränderung voran.“ ( ÄuA, 116) Die Spannung zwischen Politik und poetischem Denken wird zugunsten des letzteren gelöst, indem das politische Engagement des Schriftstellers betont wird. Das kommt deutlich zum Vorschein am Beispiel von Günter Grass, der ein Parteimitglied der SPD wurde. Köpf bewertet den Fall von Günter Grass mit der Aussage: „Die Reden verdeutlichen auch, wie weit politisches Engagement und Selbstverständnis über die persönliche Freundschaft etwa zu Willy Brandt hinausweisen und wie sehr sie Bestandteil der Literatur und der literarischen Existenz sind.“(IS, 96)Damit kommt deutlich zum Vorschein, dass Köpf die Politik und die schriftstellerische Tätigkeit miteinanderverschmilzt, dass er beide Begriffe, politisches Engagement und poetisches Denken, voneinander nicht trennt und zu einer Einheit bringt; indem der Schriftsteller sich zu den politischen Ereignissen stellt, verzichtet er nicht auf das poetische Denken und Handeln. Politisches Handeln und literarisches Handeln sind keine Gegensätze, sondern bedingen sich einander. Politisches Handeln wird durch poetisches Handeln geleitet und es entsteht dadurch ein produktives, schöpferisches Verhältnis zwischen beiden, indem das poetische Denken zur Realisierung politischer Vorstellungen führt, durch die sowohl die Verwandlung des Ich als auch politischer Umstände vollzogen werden kann.
Köpfs Einstellung zu der Ästhetik wird auch von seiner Grundüberzeugung bestimmt, dass sie im Zusammenhang mit der Entfaltung der Humanität und dem Widerstand gegen die Unmenschlichkeit gedacht werden soll. In seinem Urteil über Heinrich Manns Werk kommt der ästhetische Aspekt deutlich zum Vorschein: „ ‚Ein Roman unter den feinen Leuten’: das ist die republikanische Stimme des Citoyen, die jener kritischen Humanität verplichtet ist, die sich aus dem dialektischen Verhältnis von Ästhetik und Moral herleitet. Bei Heinrich Mann ist die kritische Humanität an die Vernunft gebunden.“ (IS, 34) Sein Ästhetik-Begriff ist nicht auf die Volkommenheit eines literarischen Werkes beschränkt, das einerseits das Verstehensvermögen entfaltet, andererseits aber die Zusammenhänge und Verknüpfungsformen der gesellschaftlichen Verhältnisse erschwert, das also auf öffentliche Belange nicht reagiert. Er begreift auch die Ästhetik in Bezug auf die Relevanz d.h. inwieweit sie der Entfaltung der humaneren Beziehungen beitragen und gegen die bestehenden Wahrnehmungskonzepte, die verordnete Sicht, Widerstand leisten kann. Das ist das entscheidende Kriterium: „Ästhetik und Moral sind nicht käuflich. Vor allem aber beugen sie sich nicht dem “Götzen der Akzeptanz“, denn ‘Akzeptanz ist stets die Diktatur des hergestellten Geschmacks“ (Gerd Herholz). Schließlich sind Ästhetik und Moral keine Angelegenheit bloss des Feuilletons. Ästhetik und Moral beruhen auf Skepsis. Sie ist unmittelbar mit dem Nichteinverbundensein verbunden und damit ein Akt der Auflehnung.“ (ÄuA, 115)
Um das Nichtbestehende – das Humane – heraufzubeschwören, hat die Ästhetik in diesem Kontext die Wahrnehmungskonzepte zu zerstören und die Übersicht zu verschaffen, um den Leser auf alternative Handlungsmöglichkeiten hinzuweisen, was ihm normalerweise verborgen bleibt: „Dabei denke ich nicht an eine normative Ästhetik etwa des Romans. Anderenfalls hätte der Roman die Aufgabe, solch eine normative Ästhetik zu zertrümmern — eindenk des Wortes Heinrich Bölls: ‚Poesie ist Dynamit für alle Ordnungen dieser Welt.‘“ (ÄuA, 115)
Als Schriftsteller beschäftigt sich Köpf immer mit der Problematik, wie die Welt humaner hätte gestaltet werden können. Eine Voraussetzung dafür ist, dass sich der Schriftsteller für die Emanzipation der bürgerlichen Klasse einsetzt, da die Welt in eine menschlichere Gestalt gebracht werden kann, wenn den Bürgern kreative, aktive, kritische Einsichten in das gesellschaftliche, politische Funktionieren vermittellt werden könnte. Das kann nur gelingen, wenn die Schriftsteller sich in den Dienst der Bürger stellen und die kritische Einstellung, alternatives Verhalten und die Verwandlung als möglich darstellen. Köpf versteht sich als „bürgerlicher Schriftsteller“ [119] und als „Stadtschreiber und nicht als Staatschreiber.“ (VrE, 74) Das liegt daran, dass das Bürgertum den grössten Bestandteil der Gesellschaft ausmacht und von den Politikern manipuliert wird, indem die Bürger und die Schriftsteller in den politischen Beziehungen nach ihrem persönlichen Profit suchen. Nach Köpf sollten die Schriftsteller, die Intellektuellen und auch die Bürger nicht zu Komplizen des Machtapparates werden. Es sind aber die Bürger und die Intellektuellen, die den Nationalsozialismus heraufbeschworen haben. Durch ihre Haltungen haben sie auch den Faschisten zur Macht verholfen. „Aber ich denke eben, das steckt in uns, und das steckt auch in der Gesellschaft, aus der ich komme. Die kleinen Leute waren nicht immer Faschisten, aber sie waren es eben auch. Diese Geisteshaltung, die man ja auch unter Hochintellektuellen finden konnte, hat mit zur Stabilisierung dieser Scheußlichkeit beigetragen.“[120]
In dieser Hinsicht will Köpf als Schriftsteller in die aufklärerische Tradition gehören und auf den aufklärerischen Aspekt des Schreibens nicht verzichten.[121] Er betrachtet es im Konzept des republikanischen Dienstes, an das selbstständige - selbstkritische Denken der Bürger zu appellieren.
Der Schrifttsteller fühlt, als Mitglied der Gesellschaft die Verantwortung für die Verhältnisse. Um ihr gerecht zu werden, soll er die Differenz zwischen der Theorie und der Praxis aufheben und zwar sowohl im literarischen Werk als auch im eigenen Leben. Die Spannung zwischen beiden beschäftigt Köpf als Schriftsteller und er zieht daraus Konsequenzen, die sowohl für die schriftstellerische Tätigkeit als auch für die herrschenden Umstände von grosser Bedetung sind: „Dabei muß die altbekannte Aporie von schriftstellerischer Einsicht und politischer Praxis immer wieder neu durchlitten werden.“ (Ks, 168) Er ist davon überzeugt, dass die Theorie erst als eine Theorie betrachtet werden kann, wenn sie praktiziert werden kann. Theoretisches Wissen ist eine unverzichtbare Voraussetzung für die Praxis. Nach Köpf bedingen sich Theorie und Praxis einander. Er kritisiert die Schriftsteller, die Toleranz und Humanität jenseits der Praktizierbarkeit als isolierte und erstarrte Begriffe auffasssen. Wenn eine Theorie keine praktische Konsequenzen hat, kann auch sie keinen Anspruch erheben, als Theorie zu gelten. Die Literaturwissenschaftler, die in ihren Untersuchungen ihre Theorien aufstellen, ohne an die Anwendung zu denken, kritisiert Köpf mit dem Ausdruck „Theorielüsternheit“ (ZiK, 144) Auch die Kritik hat einen Wert, wenn sie zur Entfaltung der Humanität und Vernunft beiträgt und darstellt, wie diese im gesellschaftlichen Leben praktiziert werden können.
Köpf nimmt die Schriftsteller zum Vorbild, die den Unterschied zwischen Theorie und Praxis aufgehoben haben: „Vorbilder sind für mich stets Schriftsteller gewesen, die Leben und Werk auf höchst individuelle Art und Weise miteinander nein: nicht zur Deckung, wohl aber in einen unverwechselbaren Einklang bringen konnten. Da paßte das eine zum anderen. Es sind mithin Autoren, die nicht nur ihr Leben zur Literatur, sondern auch ihre Literatur zu ihrem Leben oder zu ihrem Lebensstil gemacht haben.“ [122]
Köpf gewährt sowohl dem Leser, der mit dem Schriftsteller eine ebenbürtige Stellung hat, als auch dem Schriftsteller den höchsten Platz in seinen Werken. Er und der Leser gehen beide auf die politischen Ereignisse ein, um gemeinsam die Humanität an die Macht zu bringen. Und diese Aufgabe fällt dem Schriftsteller, der auch ein politisch engagierter Bürger ist, und dem Leser zu, der auch Bürger, im weitesten Sinne überhaupt Mensch ist. Dieser Verantwortung, der der Schriftsteller sich nicht entziehen kann, der Entfaltung der Humanität, der Vernunft Beitrag zu leisten, macht Köpf zu seiner Lebensaufgabe: „Der Schriftsteller als Zeitgenosse ist eine Zumutung. Die Zumutung besteht darin, dass er sich nicht abschieben lassen will ins Reich Eswareinmal, sondern penetrant Gegenwart und Geschichte zumutet.“ (SuN,105) Die Verantwortung sowohl seines eigenen Lebens als auch der allgemein herrschenden Verhältnisse darf er nicht an fremde Instanzen verschieben, sondern er übernimmt sie als Schriftsteller auf sich nach der Maxime: „Es gibt kein Unrecht in der Welt, dessen Komplizen wir im Grunde nicht sind.“ [123] Da Köpf sich als Schriftsteller in den Mittelpunkt gesellschaftlich- politischer Umstände stellt, nimmt diese Verantwortung sein ganzes Ich in Anspruch: „eine Aufgabe ein Lebtag lang!“( ZiK, 145 ) Den Schriftsteller betrachtet Köpf in Anlehnung an Jean Paul als Inbegriff der Humanität, der Vernunft und der Gerechtigkeit: „Im Sinne Jean Pauls wird der Schriftsteller zum ’Republikaner vor der Republik’, weil sein Werk keine unmittelbar politische Interpretation der Realien darstellt, sondern erst ein Modell der anthropologischen Bedingungen entwirft, unter denen Ästhetik und Moral vermittelt werden können.“ (ÄuA, 116)
Dadurch gilt es für den Schriftsteller das zu verwirklichen, was er in den literarischen Werken thematisiert. Die weltweit herrschende Unvernunft kann nur aufgehoben werden, wenn der Schriftsteller die erzählend entworfene Welt zum Prinzip seiner Handlungen macht und wenn die Differenz zwischen der in den Büchern dargestellten, humanen Welt und dem eigenen Leben verschwindet. Der Schriftsteller soll nicht nur Werke verfassen, sondern auch die in diesen Büchern entworfene Welt – die Humanität, die Vernunft, die Gerechtigkeit – zu den Grundprinzipien seiner schriftstellerischen Existenz machen, da er überzeugt ist, dadurch die Inhumanität zu bekämpfen: „Die Entscheidung für den Beruf des Schriftstellers ist immer noch eine existenzielle Entscheidung, ein Ganz oder Garnicht.“(Ks, 168) und keine „ökonomische Entscheidung.“(ZiK, 134) Er soll nicht mit abstrakten Themen philosophieren, sondern er muss den Unterschied zwischen der erzählend entworfene Welt und dem Leben aufheben: „Zwischen einem Literaturwissenschaftler und einem Schriftsteller gibt es einen einfachen Unterschied: was für den einen sein Leben ist, das ist für den anderen lediglich Gegenstand für eine Abhandlung über. Was der eine lebt, er-lebt (sic) und erleidet, darüber hält der andere Vorlesung.“ (ZiK, 134) Es ist für Köpf als Schriftsteller ein entscheidender Punkt, von dem ausgehend er seine literarische Existenz zu konstituieren versucht, seiner Verantwortung gerecht zu werden; die Literatur wird zum Maßstab des Handelns, das er literarisches Handeln nennt, das seine Wurzeln von dem poetischen Denken bekommt. Die Literatur prägt seine Existenz: “Die Literatur ist kein Sonderangebot, das unsereiner einfach mitnimmt, weil es gerade günstig zu haben ist und sich bei Gelegenheit vielleicht ganz dekorativ ausmacht. Ohne Literatur ist dem Erzähler das Leben, die Realität gar nicht denkbar.“( LdN, 186) Wie sich hier ableiten lässt, gehört es auch zum Schreiben, die Existenz als ein Kunstwerk zu verwirklichen. Es darf keinen Unterschied zwischen den verfassten Werken und der schriftstellerischen Existenz geben: „Der Schriftstller muss sein, was und wie er schreibt.“ (DB, 163) Schriftstellerische Existenz ist nichts anderes als Inbegriff der Überwindung der Zeit, des Raumes und der Unvernunft, ist also „Vergegenkunft“.
Unter diesen Verhältnissen kann der Schriftsteller mit den gesellschaftlichen Beziehungen nichts anfangen, da jede Beziehung inhumane Verhältnisse fortzusetzen und sie zu reproduzieren bedeuten würde. Die Kunst wird von Köpf als einziger Tätigkeitsbereich betrachtet, wo er seiner freiheitlichen Kraft bewusst werden kann. In diesem Sinne gibt er in Anlehnung an Gustav Flaubert seinen Gedanken Ausdruck: “Deshalb liebe ich die Kunst. Dort wenigstens, in dieser Welt der Fiktionen, ist Freiheit.“ [124] Nur die Kunst ermöglicht dem Schriftsteller seiner Kreativität, die ihm in den Formen des gesellschaftlichen Lebens versagt bleibt, gewahr zu werden. Erst durch die Kunst können die gesellschaftlichen Regeln andere Gestalt bekommen. Der Aufenthalt in den Fiktionen ermöglicht dem Schriftsteller, seiner schöpferischen Kraft, eines humaneren Lebens gewahr zu werden. Köpf versteht auch die Kunst im Konzept des republikansichen Dienstes. Kunst ist von dem Leben, den gesellschaftlichen Verhältnissen nicht isoliert zu verstehen, sondern vielmehr im Dienst der Selbstverwandlung und der Weltverwandlung. Er stellt sich die Kunst auch im politischen Konzept vor. Diese Auffassung könnte auch mit derjenigen von Nietzsche in Verbindung gebracht werden: „eine Herrschaft der Kunst über das Leben“[125] und „ als eine Maßnahme zur Steigerung des Lebens und folglich als ein „Stimulans“ [126] oder „Leben als Kunstwerk“[127] zu gestalten.
Zwar fasst Köpf die Kunst von den gesellschaftlichen Verhältnissen nicht isoliert auf, da er aber die Kunst, die Welt der Bücher, als einzigen Tätigkeitsbereich akzeptiert, das Schreiben, das Erzählen, das Erfinden als den primären Akt (Siehe ZiK, 144) betrachtet, muß er auf jede Kommunikation mit den Menschen, auf alle Werte der Welt verzichten. Ihm bleibt nichts anderes übrig, als auf dieser Welt einsam zu leben: „Wer dazu verflucht ist, die Welt immer wieder neu zu erfinden, wer dazu verdammt ist, den lieben Gott mitsamt seiner Schöpfung immer wieder neu ermorden zu müssen, der bleibt allein sein Lebtag: weil er nur mit sich selbst bezahlen kann, solange er dermaßen freveln und sich doch nicht verloren vorkommen möchte dabei.“(DB, 162) Die Einsamkeit, die Isoliertheit sind mit dem republikanischen Dienst als der zu bezahlende Preis verbunden. Köpf erklärt sich bereit, diesen Preis zu bezahlen.
Das Schreiben, das Lesen, also schriftstellerische Tätigkeiten, die der Autor abgesondert von jeder menschlichen Kommunikation ausübt, werden von Köpf so interpretiert, dass nur durch diese Tätigkeiten die menschheitsvernichtenden Umstände überwunden werden können. Zwar ist Schreiben als „die Kunst der Einsamen - oder besser: der Verletzlichen“ (VdW, 78) verstanden, zwar schliesst das Erzählen die Selbstzerstörung ein, aber das Erzählen ist für den Schriftsteller die einzige Möglichkeit, sich zu erfinden (Vgl. DB, 162); das Lesen, das man nur isoliert vollziehen kann, ist für den Schrifsteller auch eine Tätigkeit, die er als eine Aufgabe betrachtet, die zu erfüllen, sein ganzes Leben in Anspruch nimmt. Die schriftstellerischen Tätigkeiten, das Lesen, das Erzählen und das Schreiben werden den weltlichen Werten vorgezogen, da diese Tätigkeiten seine Existenz bereichern. „Zunehmend mit dem Alter und den Enttäuschungen lebe ich in den Büchern als darin, was andere um mich Alltag und Wirklichkeit heißen und dabei nicht müde werden am fortwährenden Trug. Mag sein, dass ich schon jetzt nicht mehr herausfinde, mag sein, dass ich schon lange nicht mehr herausfinden will aus Büchern und vagantischer Lektüre. (DB, 161) Hier wird deutlich, wie Köpf die Welt der Bücher als Wirklichkeit und den Alltag und die sogenannte Wirklichkeit dagegen als fortwährenden Trug bezeichnet. Das Lesen, das Erzählen sind als die einzigen Tätigkeiten verstanden, die der dichterischen Existenz Sinn verleihen und sie erträglich machen. Köpf ist aber überzeugt, dass es nebst dieser katastrophalen Welt, die man empirisch erlebt, deren man Zeuge wird, andere Welten gibt, und die existierende “Welt nichts als ein lächerliches Mißverständnis” (VdW, 81) ist und es „Wirklichkeiten abseits und jenseits dieser unserer Wirklichkeit gibt, die als die einzige uns bekannte - uns als die einzig vorhandene erscheint.“ (VdW, 92)
Der Autor Köpf stellt der realen Welt die erzählend entworfene Welt entgegen. Sein Ausgangspunkt ist der Vergleich zwischen beiden Welten, der empirisch wahrgenommenen und als real geltende Welt, die aber durch äussere Umstände – die menschliche Hand – gefährdet und aus den Fugen geraten ist, und der Welt, die erzählend entworfene, alternative Welt, die möglicherweise verwirklicht werden könnte. Für Köpf ist die Spannung zwischen der Wirklichkeit und der Fiktion von ausserordentlicher Bedeutung. Er betrachtet den Wirklichkeitsbegriff als einen unabdingbaren Bestandteil der Literatur: So Köpf: “Die poetologischen Diskussionen und Theoriebildungen des 20. Jahrhunderts kreisen um den Bezug der Literatur zur Wirklichkeit außerhalb ihrer selbst Realismus, Parteilichkeit, künstlerische Autonomie.“ (MaT, 11)
Dass er die empirisch wahrgenommene Wirklichkeit in Frage stellt, ist mit dem Prozess der schriftstellerischen Existenz verbunden: „Auf den schöpferischen Akt kommt es dem Schriftstsller an.“ (ZiK, 144) Schöpferische Tätigkeit wird als einzige Voraussetzung für schriftstellerische Existenz betrachtet. Die Schriftsteller lehnen all die Ideologien, die Institutionen, die staatlichen Instanzen ab, versuchen, ihre eigene Existenz ausserhalb der etablierten Werte zu konstituieren, so im Falle Rezzori: „Er macht die Außenwelt zu seiner Innenwelt, weil er allein ist in der einen wie der anderen. So stülpt er sein lnneres nach außen. Verwirklicht sich außerhalb der Welt. In einem Tun, das ihn sich selbst entzieht. Verwirklicht sich in seiner Vorstellung von sich selber. Ichersinger.“ (VdW, 81)
Als Schriftsteller hat Köpf seinen einzigen Aufenthalt in den Büchern, indem er liest, um zu schreiben. Er unterscheidet nicht zwischen dem Leben und der Literatur: „Für mich hat diese Trennung von Leben hier und Literatur dort nicht gegolten. (...) Ausserdem ist für mich die Unterscheidung von Literatur hier und Realität dort sehr fragwürdig, denn was die Literatur mir bietet, ist für mich genauso Bestandteil der Realität wie das Einkaufen im Supermarkt”.[128] Bei Köpf wird auch die Wirklichkeit auf der Straße in Frage gestellt; die Wirklichkeit, die von der überwiegenden Mehrheit für „real“ gehalten wird, kann nicht den Anspruch erheben, für „Wirklichkeit“ gehalten zu werden. „Denn die Wirklichkeit besteht nicht nur aus dem, was sich auf der Gasse tut, sondern vor allem aus dem, was in den Büchern steht und was diese im Kopf des Erzählers, der ja auch sein eigener Leser ist, anrichten.“ (LdN, 185) Es gibt nicht nur eine einzige Wirklichkeit, sondern mehrere Wirklichkeiten “abseits und jenseits unserer Wirklichkeit, die als die einzige uns bekannte - uns als die einzig vorhandene erscheint.“ (VdW, 92) Unsere Wirklichkeit ist auch eine uns medial vermittelte. [129] Die Infragestellung der Wirklichkeit ist nicht ein Wortspiel, sondern durch die Spannung zwischen der Wirklichkeit und der Fiktion wird auf den schöpferischen Prozess der schriftstellerischen Existenz, den Zusammenhang zwischen der Humanität, der Fiktion und der Ästhetik angespielt. Pannenberg verweist auf die schöpferische Kraft der Fiktion: „ Es gibt Fiktives(...) nämlich als Ausdruck menschlicher Kreativität. ”[130] Marquard betrachtet die Fiktion als eine unabdingbare Voraussetzung für die Förderung der Humanität: “ Nicht irgendetwas hängt an einer Fiktion, sondern das Wichtigste: die Menschlichkeit.“[131] Iser seinerseits verweist darauf, dass nur im Bereich der Fiktion das Ästhetische möglich wird.[132]
Die Aussage von Petra S. Fiero: „wo sich die Fiktion und Wirklichkeit zur Ununterschiedbarkeit vermengen, kann als Versuch gewertet werden, die Realität mit Fiktion zu ersetzen,”[133] gilt auch für Köpf. In dieser Hinsicht wäre es nicht falsch, zu behaupten, dass es in Köpfs Werken, sowohl in seinen Essays als auch in seinen fiktionalen Werken darum geht, die Realität – der empirisch wahrgenommene bedrohte Zustand der Welt – mit Fiktion, die erzählend erfundene Welt, in der es um nichts als um Humanität, Gerechtigkeit geht – zu ersetzen. Die Fiktion bzw. die Wirklichkeit der Bücher wird für ihn zum Maßstab aller Dinge. Was der Wirklichkeit der Bücher nicht standhalten kann, hat im Leben keine Bedeutung. Für Köpf besitzt die Fiktion der Bücher mehr Wirklichkeit als die Wirklichkeit auf der Straße.
Die Fiktion ist für das literarische Schaffen des Schriftstellers von grosser Bedeutung; durch sie gelingt es dem Schriftstller, ein gesellschaftliches Modell zu entwerfen, in dem die Umstände derart gezeigt werden, dass die Menschen sich in dieser Fiktion dargestellt betrachten. Durch die Fiktion kann das Dargestellte als Realität interpretiert werden. Köpf berichtet, wie die Leser die von ihm entworfene Heimat – Thulsern – ernst nehmen, wie sie Thulsern als ihre eigene Heimat wahrnehmen, wie Thulsern als Spiegel dient und wie die Fiktion an die Stelle der Wirklichkeit tritt: „Er machte aus einem fremden Buch sein eigenes und glaubte, so den Tresor mit der ihm unbekannten Kombination knacken und dessen Inhalt für sich in Anspruch nehmen zu können (...) Ergebnis: alle glaubten plötzlich, sich im Buch wiederzuerkennen. Was vom Autor lange vorher erfunden worden war, wurde für sie nun pure Realität.“ (LdN, 187)
Wie ernst ein fiktionales Werk genommen oder auch mißinterpretiert wird, die Fiktion die Realität ersetzt und selbst für Realität gehalten wird, beschreibt Köpf mit der Aussage: „Einer hielt sich für denjenigen, von dem im Buch erzählt wurde, er habe eine Studentin durchs Examen gevögelt, der nächste bekannte sich als Vater zu einer Tochter, obgleich im Buch Sohn stand, jemand fühlte sich sein Fach beschmutzt, wieder ein anderer bezog den Ausdruck Bauernfängerei auf sich, ein weiterer verstand das Wort Greis als Angriff auf seine professorale Würde. Jeder zog sich den Anzug an. Und siehe da: jedem passte er" (LDN, 187) In diesem Sinne ist die Fiktion mehr als die Wirklichkeit: um die Wirklichkeit zu definieren, ist man auf die Fiktion angewiesen: „Was wir Wirklichkeit zu nennen geneigt sind, ist erst über die Fiktion von ihr erzählbar.“ (Ks, 170 )
Es gibt auch Übergänge zwischen der Wirklichkeit und der Fiktion, so dass man nicht wissen kann, wo die Fiktion beginnt, wo die Wirklichkeit endet: „Was ist solches möglich, fragte ich mich? Was ist hier Fiktion, was Wirklichkeit? Dürften die Grenzen derart verwischt werden? (IS, 38) Dass Köpf auf Ununterschiedbarkeit zwischen der Fiktion und der Realität, zwischen der Literatur und dem Leben verweist, ist nicht als Wortspiel zu lesen, sondern die Fiktion, die der Schriftsteller als ein Gesellschaftsmodell erschafft, in dem die Humanität als erreichbar, durchsetzbar dargestellt wird, ist eine Anweisung[134], um dies mit Wolfgang Iser zu formulieren, dieses Modell im Alltag zu realisieren. Dass die Grenzen zwischen der Fiktion und der Realität aufgehoben werden können, ist wohl so zu interpretieren, dass die Humanität, die in den Büchern, den literarischen Werken dargestellt wird, im alltäglichen Leben, in der empirisch wahrgenommenen Welt ihren Platz auch erobern soll. Köpf betrachtet das nicht als Unmöglichkeit, er ist davon tief überzeugt, dass es im Möglichkeitsbereich menschlichen Wesens liegt, die Welt humaner zu gestalten. Dass die Unvernunft überall auf der Welt herrscht, hat mit dem Wahrnehmungskonzept einen sehr engen Zusammnehang, d. h. dass die Welt als „unveränderbar“, als „faktisch” aufgefasst wird. Die einzige Konsequenz, die sich aus diesem Konzept ergibt, ist, dass die bestehenden Umstände nicht verwandelt werden können. Da beginnt die Aufgabe des Schriftstellers: die Welt aus den anderen Perspektiven zu betrachten, die Hindernisse zu überwinden. Um sie aber näher zu verstehen, sollte man sich von der Welt distanzieren. Erst Distanz, die die Fiktionen dem Betrachtenden, dem Wahrnehmenden gewährleistet, ermöglicht nähere Einsicht in den Lauf der Dinge: „Manchmal muss man sich von den Dingen entfernen, ein Meer dazwischen legen, um die Dinge aus der Nähe zu betrachten.“[135]
Um den Lauf der Dinge aus der Distanz zu sehen, sind viele Grenzen zu überschreiten. Horizontale, d.h. ländliche und geographische, um der universalistischen Gesellschaft gewahr zu werden. Um aber der göttlichen Ordnung gewahr zu werden, soll auch die vertikale, d.h die menschliche, vergängliche Grenze überschritten werden: „Das Leben spielt sich in Satiren ab ... Die Welt ist aus Gelächter aufgebaut; die Engel lachen über die Menschen, die Erzengel über die Engel und Gott über alles ... Die Welt, mein Herr ist finster, feucht und windig wie der Arsch eines alten Mannes.“(VdW, 93) Um der humaneren Welt gewahr zu werden, soll die Grenze der Fiktionen überschritten werden; der Schriftsteller erweist sich in Köpfs Poetik als Grenzen- und Gedankengänger.[136] Durch diesen Gedankengang identifizert sich der Schriftsteller mit den anderen Schriftstellern, die unermüdlich, ihr Leben lang an der Entfaltung der Humanität gearbeitet haben. Er will sich auch an diese Kette der Schriftsteller anschliessen, um diese unvollendete Arbeit nicht zu verraten: „Die Preisgabe aber des republikanischen Verständnisses von Literatur und vom Beruf des Schriftstellers käme einem Verzicht auf die bedeutungsvollsten Traditionsstränge und -zusammenhänge gleich, an denen wir hängen wie am Tropf; es wäre schließlich die Verleugnung all jener, die dafür gelitten und mit ihrem Leben bezahlt haben.“( Ks, 168)
Die Schriftsteller gehören zu keiner bestimmten Nation, keinem Staat, sondern zu dem lesenden Publikum, der Universalrepublik[137], wo es weder um Regieren noch um Machtausübung geht, sondern um die Kommunikation mit dem Leser, dem Mitspieler des Schriftstellers. Dort sind die geographischen Grenzen aufgehoben, da geht es um universelle Prinzipien und in dieser Republik gibt es keinen Staat, dem man zu dienen hat, der Schriftsteller schreibt nur für die Freiheit des lesenden Publikums und betrachtet sich als Verteidiger der universalistischen Gesellschaft, deren Regel und Politik er durch die Literatursprache zu bestimmen versucht, die „als jene Universalsprache, die – politischen Grenzziehungen zum Trotz – vielleicht die letzte humane Kraft darstellt, die alle verbinden kann, ohne den einzelnen einzuschränken, sondern ihn vielmehr zu jener Vorstellungskraft ausbildet, die Grenzen und Schranken als untauglich verwirft.“( SuN, 103)
Der Schriftsteller ist der wichtigste Bestandteil der „Vergegenkunft“ in der Köpfschen Poetik. In den Essays von Köpf geht es darum, den Unterschied zwischen der erzählten Welt, der Humanität, der Literatur und dem empirisch wahrgenommenen Leben, dem Alltag aufzuheben. Das Leben als ein literarisches Werk zu gestalten, erweist sich als einzige Lösung. Diese Aufgabe zu vollenden, fällt nicht nur dem Schrifttsteller zu, sondern auch dem Leser, ohne den kein literarisches Werk zur Geltung kommen kann. Wenn die Welt als ein Kunstwerk verstanden wird, so ist der Autor auf den Leser angewiesen.
4.2. Lesen als Weg zum Humanen
In der Neuzeit wird der Text im weitesten Sinne erfasst; er wird nicht nur als literarischer Text verstanden, sondern auch die Welt, die analog dem Text entziffert und erschlossen werden kann, gehört zu dem Textbegriff. Um diese Reichweite bzw. Unbegrenzheit des Textbegriffs formulieren zu können, kann hier Jacques Derrida angeführt werden:
„Das, was ich also Text nenne, ist alles, ist praktisch alles. Es ist alles, das heisst, es gibt einen Text, sobald es eine Spur gibt.(...) der Text beschränkt sich folglich nicht auf das Geschriebene, auf das, was man Schrift nennt, im Gegensatz zur Rede. Die Rede ist ein Text, die Geste ist ein Text, die Realität ist ein Text, in diesem neuen Sinne. (...) Der Text ist kein Zentrum. Der Text ist diese Offenheit ohne Grenzen der differentiellen Verweisung.“[138]
Es geht nicht nur darum, die Bücher, sondern auch die Welt, das Leben, und die Umstände zu lesen. Welche praktischen Konsequenzen sich daraus fürs Leben ergeben, es vom Buch-Lesen zum Welt- und Lebenlesen zu bringen, ist schon unübertrefflich von Schopenhauer zum Ausdruck gebracht worden:
„Die Gelehrten sind Die, welche in den Büchern gelesen haben ; die Denker, die Genies, die Welterleuchter und Förderer des Menschengeschlechts sind aber Die, welche unmittelbar im Buch der Welt gelesen haben.“[139]
Diese Aussage begreift die Welt als einen Text, den zu entziffern dem Leser zufällt. Dieser Grundgedanke liegt auch im Zentrum der Köpfschen „Vergegenkunft“. Die Bedeutung des Lesers spielt dort eine zentrale Rolle, da Köpf den Menschen mit der Entstehung der gegebenen Unvernunft, deren Überwindung er in den Mittelpunkt seiner Poetik stellt, eng verbunden sieht. Der Schriftsteller, der Leser, und das literarische Werk bilden den Mittelpunkt der Köpfschen Poetik, wo er die Überwindung inhumaner Verhältnisse zum zentralen Thema der „Vergegenkunft“ erhebt. Daraus lässt sich die Konsequenz ziehen, dass die Überwindung der Unvernunft durch Zusammenarbeit und Mitwirkung des Lesers und des Schriftstellers gelingen kann. In diesem Sinne wird der Leser bei Köpf als diejenige Instanz begriffen, durch die die Verwandlung gesellschaftlich- politischer Umstände hervorgebracht werden kann. Sein Ausgangspunkt ist die hermeneutische Theorie,[140] in der der Autor, der Leser und das literarische Kunstwerk aufeinander angewiesen sind. Der Leser ist in diesen Kettenreaktionen ein wichtiger und kein passiver Bestandteil, weil von der Existenz eines Schriftstellers sowie eines literarischen Werkes erst gesprochen werden kann, wenn der Schriftsteller und das Werk von den Lesern rezipiert werden. Aus diesen dialogischen und dialektischen Beziehungen der hermeneutischen Theorie [141] entwickelt Köpf seine Poetik. Er erhebt den Autor, das Werk und den Leser nicht nur zum Mittelpunkt seiner Poetik, sondern auch zu den wichtigsten Trägern einer humaneren Welt und erklärt dieses Dreieck zum Ausgangspunkt und zu den allerwichtigsten Prinzipien eines menschenwürdigeren, humaneren Lebens, universaler Verständigung, durch die die gegenwärtige Bedrohung, in der die Menschheit hockt, überwunden werden kann bzw. könnte.
In Bezug auf die Überwindung der Unvernunft und die Förderung der Humanität haben die Leser eine ebenbürtige Verantwortung und keine geringere als die des Schriftstellers. Der Leser ist der Bürger, im weitesten Sinne der Mensch überhaupt. Der Bürger ist aber der Citoyen, der sich mit den gegebenen Umständen auseinandersetzt, und der Citoyen ist nicht der Bürger der Prototyp in der bürgerlichen Gesellschaft, sondern derjenige, der “aus der verordneten Mittelmäßigkeit auszubrechen” (dG, 14) versucht und sich den republikanischen Ideen verpflichtet fühlt. Das hat mit der Tatsache zu tun, dass der Widerstand gegen die Unvernunft dann erfolgen kann, wenn der Leser bzw. der Bürger oder der Mensch in diesen politischen Kampf miteinbezogen wird. Er erhöht den Leser auf das Niveau des Schriftstellers. Für Köpf gibt es keinen Unterschied zwischen dem Leser und dem Schriftsteller. Die Schriftsteller sind eben ihre eigenen Leser: „Ein Autor ist als Schöpfer zuerst immer auch Leser.“ (MaT,16) Im Anschluss an Novalis vertritt Köpf die These, dass der Leser ein Koautor ist, indem er die Aufgabe übernimmt, das literarische Werk des Schriftstellers zu vollenden, und zu ihrer Entstehung beizutragen: „ Nach Novalis ist der ‚wahre Leser’ ein ‚erweiternder Autor’“(dG, 19)
Die Ununterscheidbarkeit zwischen Leser und Autor gilt auch für beide Haupttätigkeiten, nämlich fürs Lesen und Schreiben. Beide sind für Köpf keine getrennten Tätigkeiten, sondern sie gehören zusammen: „Lesen und Schreiben sind zwei Seiten einer Münze.“ (LdN, 184) In Anlehnung an Luis Borges betont Köpf, dass das Lesen vor dem Schreiben Vorrang hat: „Borges hat einmal gesagt: ‚Mögen andere sich mit den Seiten brüsten, die sie geschrieben haben; mich machen die stolz, die ich gelesen habe.’ “ (LdN, 186) Die Aufwertung des Lesens hat mit der Tatsache zu tun, dass Lesen eine unverzichtbare und unersetzbare Tätigkeit ist sowohl für das Schreiben als auch für das Leben. Köpfs Aussage, dass es zwischen dem Lesen und Schreiben keinen Unterschied gibt und die Schriftsteller auch Leser sind, ist als ein Appell an den Leser zu interpretieren, es von der Leserschaft zur Autorschaft zu bringen. Dass Köpf durch diese Aussage ihn auf die Stufe des Schriftstellers erhebt und den Leser zur Mitautorschaft einlädt, hat weitreichende Konsequenzen für den Leser. Durch die Gleichstellung mit dem Schriftsteller nimmt der Leser eine für ihn schwer erfüllbare Verantwortung auf sich, Schriftsteller bzw. Künstler zu werden, und konsequent an dem Projekt des Autors mitzuwirken. Der Leser wird ein gleichberechtigter Partner des Autors. Er wird genauso wie der Schriftsteller mitverantwortlich für die Verwirklichung dieses Projekts, indem er sich auf diese Partnerschaft, bzw. Mitautorschaft einlässt. Aus dem Leser wird ein Komplize des Autors. Durch diese Partnerschaft erklärt er sich bereit, das gemeinsame Vorhaben mit dem Autor zum Leben zu erwecken. In Köpfs Poetik trägt der Leser nicht nur zur Vollendung des literarischen Werks des Autors bei, sondern beteiligt sich dadurch auch an dem Werk, gemeint ist nicht nur das von dem Autor entworfene, literarische Werk, sondern auch das Werk, nämlich das Vorhaben des Autors, die Humanität an die Macht zu bringen, was aber nur durch die Mitwirkung des Lesers, des Bürgers oder des Menschen überhaupt entstehen kann.
Die Gleichstellung des Lesers mit dem Schriftsteller hängt mit seiner Festellung zusammen, dass es zwischen der herrschenden Dummheit und den Handlungen der Menschen ein dialektisches Verhältnis gibt. Die Dummehit existiert an und für sich nicht, sondern bekommt ihre Gestalt erst durch die Einstellungen der Menschen, der Bürger. Nach Köpf sind es die Bürger, die Hitler zur Macht verholfen haben, indem sie sich mit den Verheissungen dieser Ideologie identifiziert, indem sie ihrem privaten Glück nachgejagt und gegen dieses Regime keinen Widerstand geleistet haben:
“Kleinbürgertum ist also keine Kategorie des Einkommens, sondern eine der Bewußtseinshaltung gegenüber historischen Vorgängen und gegenüber der Durchsetzbarkeit privaten Glücks und der privaten Glücksvorstellungen, die ausgeht von den jeweils beschränkten eigenen Mitteln und diese zu kombinieren versucht mit den großen Illusionswolken, die die Geschichtsmächtigen an den Kulissenhimmel zaubern, auf den viele unserer Bürger in Vergangenheit und Gegenwart zumarschiert sind und sich da im Faschismus als Apotheose des Kleinbürgertums am gewaltigsten und am blutigsten verrannt haben.“ [142]
Wie ersichtlich, gibt es einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen den Haltungen der Menschen und den herrschenden Umständen. Der Mensch kann sich aus der Verantwortung nicht herauslösen, gegen diese inhumane Welt zu kämpfen. Die Auffassung, wonach die Welt und das Leben als menschliches Werk begriffen wird, stellt den Menschen vor die Aufgabe, bei der Gestaltung seines Lebens und der Welt die Verantwortung auf sich zu nehmen und sich auf einen schöpferischen Prozess zu begeben. Bei der Köpfschen „Vergegenkunft“ fühlt sich der Mensch mit der selbstauferlegten Aufgabe verpflichtet, sich und die Welt neu zu erfinden: „Wer dazu verflucht ist, die Welt immer wieder neu zu erfinden“ (DB, 162) Diese Aufgabe auf sich zu nehmen, ist nicht nur den Schriftstellern, den Künstlern, den Intellektuellen, den Akademikern vorbehalten, sondern es kommt auch auf die Bürger an, die in dieser Gesellschaft leben. Die Bürger haben sich mit der ihnen im gesellschaftlichen Leben zugeschnittenen Rolle auseinanderzusetzen, da die Anpassung an gesellschaftliche Verhältnisse die rigorose Unvernunft zu bejahen bedeutet. Widerstand zu leisten, ist das wichtigste Kriterium des Lebens überhaupt. Seine Maxime lautet : “Wer lebt, stellt sich ein.” (IS, 39) Der Mensch unterwirft sich keiner Macht, sondern verwirklicht sein eigenes Ich. Das ist äußerst wichtig für alle Figuren : “ Nur tote Fische schwimmen mit dem Strom!“ (N, 86)
Für Köpf ist der Mensch ein aktiver ebenso kreativer Bürger, der die Inhumanität zu bekämpfen und die Humanität zu etablieren hat. Er setzt sich mit den herrschenden gesellschaftlichen und politischen Verhältnissen auseinander: “ Das Mass des Bürgers enthält in sich den Freibrief, es zu sprengen und ein neues zu setzen.“( dG, 14) Der Schriftsteller ist auf der Seite der Bürger: „Ja, ich bin ja ein bürgerlicher Schriftsteller, und der Roman ist eine bürgerliche Kunstform.“[143] Köpf thematisiert sowohl in seinen theoretischen Aufsätzen, seinen Essays als auch in seinen fiktionalen Texten die „verkehrte“ Welt, und unter welchen Umständen diese inhumane Welt entstanden ist. Er versucht seine Poetik so aufzubauen, dass sie der Überwindung dieser inhumanen Welt dient. Der Held ist bei Köpf ebenso der Leser: „meine Helden sind keine Drachentöter, sondern der Held ist, sofern es ihn überhaupt gibt, immer der Leser.“ (MvL, 184)
Der Leser hat schriftstellerische Attribute zu erwerben, um bei diesem Kampf aktiv mitzuwirken; da das Bestehende den Eingriff des Lesers, nämlich seinen Widerstand erfordert, misst Köpf dem Leser eher eine aktive als eine zusehende Rolle bei. Der Leser hat auch an dem Vorhaben des Schriftstellers, dem Schaffensprozess teil; er ist ein Komplize des Autors. „Ich will meinem Leser nichts erklären, weil ich ihn damit in eine passive Rolle versetzen würde. Ich will meine Geschichte nur Stück für Stück preisgeben und meinen Leser zu meinem Mitspieler machen.“(VdW, 86)
Der Autor hat keine willkürliche Freiheit, den Leser zu irgendeiner Entscheidung zu zwingen. Nicht einmal gegenüber den Figuren, die er in seinen Werken schafft, verfügt er über diese willkürliche Freiheit, sie beliebige Taten begehen zu lassen. So Köpf über Unamuno: „Was erdreistete sich da eine ausgedachte Figur, sich gegen ihre Schöpfer zu erheben? (...) als ich den Roman ‚Nebel’ von Miguel de Unamuno las. Darin erwägt der Romanheld Augusto Pérez, sich das Leben zu nehmen. In seiner Verzweiflung beschließt er, nach Salamanca zu fahren und Miguel de Unamuno um Rat zu fragen. Die Romanfigur verläßt die Ebene des Fiktiven und wendet sich an ihren Schöpfer. Es kommt zu einer erregten Auseinandersetzung über das Recht des Autors, seine Figur Selbstmord begehen zu lassen. Wie es sein Recht gewesen sei, ihn in die Welt zu rufen, so könne er ihn auch wieder aus ihr abberufen.“ (IS, 38-39)
Der Leser nimmt die Verantwortung, die ihm weder der Schriftsteller noch irgendeine andere Instanz aufzwingen kann, für seine Beziehungen zum eigenen Leben und zur Welt freiwillig auf sich. Zwar versucht der Autor, den Leser für sein Projekt zu gewinnen, aber die Entscheidung wird ihm überlassen: „An den Leser zu denken, heißt freilich auch nicht, als Schriftsteller den Lesern vorschreiben zu wollen, was sie lesen und gut finden sollen.“ (MaT, 19) Aus freiem Entschluss stellt er sich der Unvernunft. Er wird nicht dazu gezwungen; die Verantwortung als Mensch erlegt ihm eine solche Aufgabe auf.
Köpf schreibt für Leser, die lesende Minderheit, damit sie an seinem Aufklärungsprozess teilnimmt. Er begreift den Leser im Zusammenhang seiner politischen Freiheit, seiner politischen Mitwirkung und seines Beitrages zur Förderung der Humanität und zur Überwindung der Unvernunft. „Es gibt sie immer noch: die einst von Schiller beschworene republikanische Freiheit des lesenden Publikums! Und ich bin einer ihrer leidenschaftlichen Verfechter.“ (MaT, 20) Als Schriftsteller kämpft er mit dem Leser gegen die Unvernunft an der selben Front. Unter diesen Verhältnissen ist der politisch engagierte Schriftsteller und Bürger gefragt: „(....) es geht ums Mit- und ums Dreinreden: als Bürger und als Zeitgenosse.“(SuN, 104)
Dem Leser fällt die Aufgabe zu, die vom Autor entworfene Welt hervorzubringen. Er wird auch wie der Schriftsteller mit der Verantwortung beauftragt, den toten Buchstaben Leben zu verleihen. Lesen verlässt den gewöhnlichen Sinn und wird als ein Prozess begriffen, bei dem es nicht nur um Bücher-Lesen geht, sondern vielmehr darum, die Geheimnisse der Welt und des Lebens zu entdecken, und die Gründe, die zur Unvernunft führen, zu entziffern, um sie dadurch, zu bekämpfen: „Ein guter Leser strebt nicht danach, die Bewegungen eines Textes bloß durchzuschauen, sondern er will sie vielmehr mitvollziehen. Das kann er nur, wenn er sich auf dieses Gespinst einlässt, denn Poesie macht stellvertretend etwas vor, das erst voll zur Entfaltung kommt, wenn wir mitmachen.“ (EwB, 86)
Der Lesevorgang ist es, der den Leser auf den Widerstand vorbereitet. Köpf betont in Anlehnung an Skármeta, dass es sowohl bei der Entstehung literarischer Werke als auch bei der Förderung schöpferischer Gedanken nur auf den Lesevorgang ankommt, dass er den Anstoß zum Schreiben gibt und dass das Lesen vor dem Schreiben die Priorität hat. Es ist auch dem Lesevorgang zu verdanken, dass die Literatur entsteht und der Schaffensprozess in Gang tritt. Der Lesevorgang erfüllt das Leben des Schriftstellers; er liest, und das bewegt ihn zum Schreiben, so Skármeta: „Der Leser und ich teilen eine flüchtige Erfahrung in einer kurzlebigen, beschleunigten und leider gewalttätigen Welt. In diesem kurzen Moment liegt für mich das ganze Phänomen der Literatur. Das ist meine Welt, meine Haltung, mein Schaffenskonzept.”[144]
Doch Köpf erklärt diesen Vorgang, nämlich Lesen–Anreger und Anfang der schriftstellerischen Tätigkeit, nicht nur zu dem wichtigsten Prozess des schriftstellerischen Lebens, sondern er erhebt das Lesen auch zu der bedeutendsten und unabdingbarsten Tätigkeit eines humaneren und menschenwürdigeren Lebens auf der Erde überhaupt. Es ist eine Beschäftigung, durch die man seiner Stellung auf der Welt bewusst werden und sich Orientierung im Leben verschaffen kann: „Lesen hieß für mich den Fisch an Land ziehen. Es erklärte mir die Welt und meinen Platz in ihr, es ließ mich schwarz auf weiß teilhaben an etwas, von dem ich wusste, dass es auf geheimnisvolle Weise unmittelbar mit mir selbst zu tun hatte. In den Büchern brachte ich jenes Leben unter, das ich selbst gerne gelebt hätte.“( MaT, 15)
Dem Leser wird nicht alles vermittelt, sondern ein Teil dieser „möglichen“ Welt entworfen. Er ist in einer ständigen Suche nach Verknüpfungspunkten zwischen dem Text und dem Leben. Ihm gilt es, den Text neuzuschöpfen und neuzuschaffen, wie er es in Bezug auf Ernest Hemingway ausdrückt: „Auf jeden sichtbaren Teil kommen sieben Achtel, die sich unter Wasser befinden, ist mehr als ein Bonmot. Dass es eben auf diese sieben Achtel ankommt, dass sie die Stärke des Eisbergs ausmachen und dass es darum geht, dem Leser ihr Vorhandensein zu suggerieren, ohne sich auf subalterne Beschreibungen einzulassen - darauf wollte er aufmerksam machen.“ (HM, 63)
Der Lesevorgang wird bei Köpf dem Leben gleichgesetzt; denn es bekommt seinen Sinn durch das Lesen. Er will zwischen dem Leben – dem Erlebten – und dem Lesen nicht unterscheiden: „(...) und das Gelesene gehört genauso zu seiner Lebenserfahrung wie das Kauen von Käse.“ (MaT, 31) Unter Lesen versteht er weder Unterhaltung, noch Ablenkung von der Realität, sondern eine Tätigkeit, durch deren Vollzug er mit der eigenen Wirklichkeit konfrontiert werden und dadurch sie erschaffen kann: „Das Schreiben und das Erzählen müssten als Formen von Diagnose und Realitätsprüfung, nicht als Therapie des bedürftigen Ich, praktiziert werden.“[145] Das Lesen ist keine Tätigkeit, die der Entlastung des Ich dient, sondern eine, die ihm Antworten auf die drängenden Fragen des Lebens vermittelt: „Lesen ist mehr als ein bloßes Zurkenntnisnehmen, es ist Antwort und Entgegnung und damit Potenzierung der Fiktion.“ (dG, 19) Bei dem Lesen geht es auch nicht um Wissensanhäufung, sondern um Erwerb poetischen Wissens, das die Dinge nicht als isoliert, sondern in der Verbindung mit dem Ganzen wahrzunehmen dient.
Die durch den Lesevorgang erzeugte Wahrnehmung erlaubt es, die Dinge in einer anderen, „poetischen“ Ordnung wahrzunehmen und mit der eigenen Wirklichkeit konfrontiert zu werden. Durch das Lesen wird die empirisch wahrgenommene Wirklichkeit aufgehoben. Während der Lektüre wird hinterfragt, wo was für normal, wirklich, real, vernünftig, ordentlich gehalten wird. Die mit Hilfe der bei dem Lesevorgang gewonnenen Lektüre ermöglicht einem, die Werte dieser verkehrten Welt in Frage zu stellen: „Die Glocken sind im Keller, / Kartoffeln auf dem Turm;/ Der Tisch steht auf dem Teller, / Und Hühner frisst der Wurm.“ (IS, 29)
Bestehende Denkgewohnheiten werden durch den Leseprozess nicht reproduziert, sondern aufgebrochen. Der Leser befreit sich und gelangt zu einer neuen Wahrnehmung der Welt, die , um es mit Iser zu formulieren,: „Eingriffe in die Welt, in herrschende Sozialstrukturen”[146] ermöglicht. Durch diese beim Lesevorgang erworbene Erkenntnis verliert die empirisch wahrgenommene Welt ihre Anziehungskraft. Ihr stellt Köpf die Welt der Bücher entgegen. Durch das Gelesene wird die empirische Welt als eine bedrohte, die Welt der Bücher dagegen als eine heile, alternative Lebenswelt wahrgenommen, es erlaubt dem Leser, eine andere mögliche und zu verwirklichende Lebenswelt wahrzunehmen. Durchs Lesen wird die herrschende, erstarrte Wirklichkeit, in die man hineingeboren ist, durchbrochen, indem Einsicht in die alternativen, möglichen Lebenswelten vermittelt wird. Das Lesen ist eine nichtlineare Tätigkeit, da man durch das Lesen geographische und zeitliche Grenzen überschreiten und dadurch die Dinge aus anderen Perspektiven wahrnehmen kann: „Als Kind habe ich mir dabei vorgestellt, welche Reisen ich unternehmen könnte. Auch nach Alaska oder Australien: mit dem Finger auf der Landkarte. Die schönsten Reisen mache ich immer vom Fenster aus. Übersicht ist freilich eine verlorengegangene Errungenschaft.“ (H, 117)
Das lineare Denken, das Köpf als Ursache der bestehenden Umstände betrachtet, kann in einem nichtlinearen Lesen überwunden werden, indem der Leser die Kapitel eines Romans nicht der Reihe nach liest. Um der dem Menschen aufgezwungenen offiziellen Ideologie zu entkommen und die isolierende und beschränkte Perspektive, der er dadurch ausgesetzt wird, zu überwinden, schlägt Köpf ein nichtlineares Lesen vor, das zu einem nichtlinearen Lesen der Welt führt, da das lineare Denken unausweichlich zu einem linearen Verhalten führt, bei dem sich der Mensch für seine Handlung in Bezug auf herrschende Umstände nicht verantwortlich betrachtet und das Bestehende durch seine alltäglichen Handlungen reproduziert:
„Also am Ende von Kapitel neun lies Kapitel drei, nach drei hundertzehn. Das ist eine offene Form des Lesens, (....) eine nichtlineare. Und da setzt auch meine Kritik an dem ministeriell verordneten Lektürekonzept an, das überall Linearitäten suggeriert. Entwicklungslinien, bei denen man sagt: Du steigst beim Barock ein und hörst bei Thomas Mann auf. (...) Mir käme es viel stärker darauf an, ganz divergierende und ganz unterschiedliche Textreihen zu bauen (...) “[147]
Durch das Lesen wird Einsicht in andere möglichen Welten vermittelt: „Es geht beim Lesen um nichts anderes als um Möglichkeiten. Vergiß das nie! Nichts anderes bieten dir die Bücher an als Möglichkeiten. Die Bücher weisen dir den blauen Weg. Der bIaue Weg ist der Weg des Möglichen. Du mußt das herausfinden, was zwischen den Zeilen nistet.“ (MaT, 14) Das Lesen verschafft auch Orientierung, Bedeutung im Leben und die Erkenntnis angemessenen Handelns auf die gesellschaftlich- politischen Verhältnisse: „ Nicht hinter Max Frisch zurück führt der Weg, sondern darüber hinaus in Richtung auf ein Ich und Wirklichkeit zusammenfügendes, produktives und doch auch politisches Lesen.“[148]
Die Lektüre ist die treibende Kraft im Leben. Erst durch sie wird das Leben bereichert. Köpf ist davon überzeugt, dass die Antworten auf die Lebensfragen durch das Lesen und Wiederlesen gefunden werden können:
„Also ein Lese- und Lernprogramm, wenn man so etwas überhaupt im Sinne eines Programms entwickeln kann, hätte man nach meiner Vorstellung sehr viel mit dem Lesen und dem Wiederlesen zu tun. Dass a1so über die Lektüre Lektüre erst möglich wird, dass das Lesen die Einstiegsdroge für das Neu- und Weiterlesen wird. Und dass auf diese Weise ein Leserbewusstsein entsteht, das überall nach den Verknüpfungsformen sucht,(...)“ [149]
Keine andere Tätigkeit erfüllt das Leben wie Lesen, da der Leser in diesem Prozess sein Selbst realisieren kann, und er sich durch diesen Prozess bereichert fühlt: Der Lesevorgang ist aktiv und schöpferisch zugleich; indem der Leser die Beziehungen miteinander verknüpft, wird er mit einem schöpferischen Prozess konfrontiert. Das hat auch Folgen auf sein Leben, denn im Lesevorgang liest er nicht nur den Text, sondern er schafft den Text neu, erfindet die Welt in anderen Beziehungen. Indem er eine humanere Welt reflektiert erlebt, gelangt der Leser durch diesen Prozess zur Selbstentfaltung und -verwirklichung: “Die besten und wertvollsten Erfahrungen machte ich lesend, weil ich meine Phantasie dabei ausbildete. Lesen war ein Gespräch mit mir selbst. Gewissenserforschung, Beichte und Absolution in einem.(...)“ (MaT, 15)
Lesen bleibt nicht wirkungslos im Leben, sondern das Leben wird durch das Gelesene gestaltet, indem der Leser bei Gelegenheit die in Büchern erfahrenen Orte besucht. Beim Autor Köpf sind Lesen und Leben aufeinander angewiesen: „Und je öfter ich die wunderbare Gelegenheit habe, God‘s Own Country zu bereisen, desto vertrauter werden mir die Schauplätze (...)Immer lasse ich mich auf meinen Reisen weniger von den lnterstates und Highways der Straßenkarte als von den Wegweisern auf der Landkarte der Literatur leiten. So bin ich stets als Leser durch Nordamerika gereist. Und immer wieder ist mir dabei, als holte ich erst jetzt nach, was ich mir als Kind und als Jugendlicher aus den Büchern herausgeträumt und als Lebens- und Schreibziel vorgenommen habe.“ (MaT, 16) Dies ist auf die Kraft der bei dem Lesevorgang erfahrenen Lektüre zurückzuführen, die die Zeiten, die Räume miteinander verbindet und ihre Geheimnisse aufdeckt und dadurch gleichzeitig auch die Verwandlung des Ich ermöglicht. Die Lektüre ist ein Vorgang, in dem man die beste Unterhaltung geniesst und nicht nur das Buch liest, sondern auch einen Hauch sowohl von dem eigenen Leben als auch von der Welt vermittelt bekommt. „Damals aber wusste ich nichts von der Lektüre und der Lust, dabei zu sein: Als Mitspinner und als Hineinverwobener. Damals ahnte ich noch nicht, dass es nicht darum geht, die Bewegung eines Textes zu duchschauen, sondern dass es vielmehr darauf ankommt, seine Bewegungen mitzuvollziehen: weil Literatur stellvertretend etwas vormacht, und weil sie ihre Kraft erst entfaltet, wenn wir mitmachen.“ (IS, 41)
Die bei dem Lesevorgang gewonnenene Lektüre ist Köpf wichtig, da in dem Lesen die wahrste Kommunikation erlebt wird: nämlich das Selbstgespäch, indem er genießt und sich mit Erkenntnis ausstattet. Selbstrealisierung wird im Konzept der Humanität erreicht und nicht der empirischen Welt. Das verlangt von den Menschen ein individuelles Leben, das insofern als erfüllt gilt, wenn es zur Enfaltung einer humaneren Gemeinschaft seinen persönlichen Beitrag leistet. Es geht Köpf nicht um Selbstfindung, um ein individuelles Leben abseits gesellschaftlichen Lebens, sondern es geht ihm um die Selbstentfaltung, die nur im gesellschaftlichen Leben gelingen kann, d.h. in dem komplexen gesellschaftlichen, politischen Prozess, die Entfaltung einer humaneren Welt in Gang zu bringen und ihre Entstehung zu beinflussen. „Nein, nicht um die sogenannte Selbstfindung war es mir gegangen, wie man das heutzutage ausdrückt, denn nach all meinen Erfahrungen bin ich jetzt davon überzeugt, dass die sogenannte Selbstfindung ein psychologischer Quatsch ist. Mir ging es um den unendlichen, nicht abschließbaren Vorgang der Lektüre.“ (MaT, 15)
Als Idealleser betrachtet Köpf Don Quichotte[150], der das Gelesene in die Wirklichkeit zu überführen versucht. Um die Unvernunft zu bekämpfen, fällt jedem Leser, d.h jedem Bürger, die Don Quichottische Aufgabe zu, die in den Büchern dargestellte Welt zu realisieren. Es geht bei diesem Lesen nicht nur um Bücher-Lesen, sondern die Welt und sich selbst zu lesen. Bei diesem Lesen sind die Buchstaben nicht tot, sondern lebendiges Modell einer humaneren Welt. Wenn die Welt als eine bedrohte erscheint und eine humanere ihre Stelle ersetzen soll, muss die empirisch wahrgenommene Welt trotz aller Anziehungskraft abgelehnt werden und die humanere, die Welt der Bücher, ins Leben überführt werden.
Mitspieler des Autors zu sein, verlangt von dem Leser, den toten Buchstaben Leben einzuhauchen, den Unterschied zwischen dem Gelesenen und dem Erlebten sowie dem zu Erlebenden aufzuheben. Das literarische Werk kommt nicht nur durch Leser zur Enstehung, sondern der Leser sollte auch die in dem Kunstwerk erzählte Welt in seinem alltäglichen Leben realisieren. Das Erlebte bzw. das zu Erlebende sollte wie ein Kunstwerk gestaltet werden, in dem der Autor diese Welt erzählend erschafft; es ist die Aufgabe des Lesers, in seinen alltäglichen Handlungen das erzählte Werk zu verwirklichen. Da die bestehende Welt als verkehrte und die Welt der Bücher dagegen als heile gilt, erscheint als einzige Lösung: die Kluft zwischen der verkehrten und der heilen Welt aufzuheben. Da überkreuzen sich die Handlungen und das literarische Werk, so dass es zwischen dem Gelesenen und dem Leben keinen Unterschied geben soll, dass es dem Leser darauf ankommt, die Lektüre mit den Handlungen identisch zu machen, und das Gelesene in das Erlebte umzusetzen, oder anders ausgedrückt, aus seinen Handlungen ein Kunstwerk entstehen zu lassen: „Die Biographien von Menschen, die ihr Leben als ihr Werk ausgegeben hatten, faszinierten mich besonders.“ (MaT, 15) Der Leser vollendet nicht nur das literarische Werk, sondern er reproduziert auch dieses Kunstwerk, im doppelten Sinne, einmal beim Lesevorgang, zum zweitenmal, indem er dieses Werk nachlebt, er in seinen Handlungen diese „künstliche“ Welt wieder zum Leben erweckt, und dadurch an dem Projekt des Schriftstellers arbeitet.
Genau so wie ein Künstler oder wie der Schriftsteller an seinem Werk arbeitet, erlegt die Verwirklichung der Humanität dem Menschen eine solche Verantwortung auf, an seinem Leben zu arbeiten, dem eigenen Leben die Gestalt eines Kunstwerks zu geben. Nach Köpf ist das ist eine Aufgabe, die zu erfüllen eigentlich jeder Leser vepflichtet ist. Der Leser bleibt nicht bei Leseeindrücken, sondern ihm geht es dabei darum, auf die eigene Lebenswirklichkeit und öffentlichen Fragen einzugehen, bzw. das Gelesene mit sozialer Praxis in Verbindung zu bringen. Zwar erfordert Lesen ein einsames Leben, da es individuell vollzogen wird, aber der Mensch verwirklicht sein Selbst im gesellschaftlichen Konzept: „ So könnte geradezu die Sprengung der Ich – Verkapselung erreicht werden, denn die ist ja antirepublikanisch.“[151]
Die Figuren in Köpfs Werken betrachten sich als Auserwählte dazu berufen, das verbreitete Übel zu bekämpfen. Sie sind sich dessen bewusst, dass es an ihren Handlungen und Entscheidungen liegt, ob auf der Welt Unvernunft oder Humanität herrscht; Widerstand gegen die Unvernunft zu leisten, steht im Mittelpunkt seiner Poetik. Das gilt sowohl für den Schriftsteller als auch für die Leser. Auch von dem Leser erwartet Köpf Widerdstand. Was er aber hier unter dem Widerstand versteht, hängt auf keinen Fall mit politischen Mitteln zusammen, etwa Protestbewegungen gegen das existierende Regime oder den Staat, da dieser das Regime und den Staat legitimieren könnte und da auch diese von dem Regime blutig geschlagen werden könnten. Widerstand artikuliert sich aber auch nicht in irgendeiner organisierten Protestbewegung einer Partei gegen die herrschende Partei oder das Regime, da eine solche organisatorische Bewegung in Gewaltakten verwandelt werden könnte und dies die bestehende Unvernunft eher stabilisieren würde. Eine solche Auffassung hiesse, die Gründe, die zu der Unvernunft führen, zu verkennen. Widerstand artikuliert sich vielmehr in der Lebensführung im Alltag und in der Verrichtung der Arbeit. Der Widerstand kann nur durch alltägliche Handlungen gelingen; da es auf „jede“ Handlung ankommt und keine „einzige“ ohne Folgen auf herrschende Verhältnisse bleibt, braucht der Mensch keine grossen Taten zu vollziehen, um gegen inhumane Verhältnisse Widerstand zu leisten, sondern jedes alltägliches Handeln ist ein Versuch, eine Gelegenheit, die Unvernunft zu überwinden.
Köpf geht auch der Weltverwandlung auf den Grund. Die Selbstverwandlung vollzieht sich im gesellschaftlichen Kontext. Die Erschaffung seines eigenen Lebens geht mit der Wiederherstellung einer humaneren Welt einher. Die Förderung der Humanität kann nur durch Selbstverwandlung in der Alltagspraxis erfolgen. Welt- und Selbstverwandlung stehen in keinem Widerspruch, sondern bedingen sich gegenseitig. Der Prozess der Ichverwandlung vollzieht sich bei dem Lesevorgang. Erst durch ihn gelangt der Leser zu der Vertiefung der Erkenntnis, die den Selbstverwandlungprozess leitet und beschleunigt. Der Lesevorgang ist Motor sowohl der Selbst- als auch der Weltverwandlung. Um das große Bild zu begreifen, hat man jede Handlung mit den politischen Umständen in Beziehung zu bringen. Ein Verhalten in einer Situation, in einem gegebenen Land, ist unmittelbar ein Teil des Unheils weltweiter Dimension. Die Bedeutung einer Handlung kann erst dann erschlossen werden, wenn sie mit den gegebenen Umständen in Beziehung gebracht wird. Die Unvernunft liegt in den menschlichen alltäglichen Handlungen verankert und sie wird von den Menschen durch jede Handlung aufs Neue wieder reproduziert. Der Mensch sieht sich bei Köpf mit der Aufgabe konfrontiert, sich und seine Welt neu zu lesen, was auch damit gleichkommt, sein Selbst und seine Welt zu erschaffen, da Lesen auch Neuschaffen und Neugestalten bedeutet: eine fast göttliche Aufgabe. (Vgl. dG, 19-20)
Auch ein Familienspaziergang steht in einem engen Zusammenhang mit den herrschenden politischen Machtverhältnissen; denn durch dieses alltägliche Verhalten kann die Familie zu der Entstehung der Unvernunft beitragen, indem sie sich gegen die bestehenden Verhältnisse keinen Widerstand geleistet hat: „Das Vorstadtidyll, eine junge Frau in einem bunten Kleid, ein kleines Mädchen, den Jungen, der mit seinem Vater spielt (wie?), sonnige Kleinbürgerlichkeit, Alltag, Normalität. Was aber sind wir, wenn wir sehen? “Das Auge der Welt” oder der blinde, taube, stumme, normale Nachbar, bequem eingerichtet.“(MLK, 28) Wenn man auf die Hintergründe genau achtet, sind Zusammenhänge zwischen den herrschenden Umständen und den menschlichen Einstellungen zu finden: „Hilfreicher ist schon die geduldig genaue Betrachtung einzelner Mosaiksteinchen. Jedes einzelne Zahnrad im Räderwerk hat Folgen, und eines greift ins andere. Der Blick aufs Ganze aber wiederum zeigt, dass dieses Ganze mehr ist als die Summe seiner Einzelteile.“[152]
Köpf hat in seiner Epik beschrieben, dass sogar eine harmlose Handlung die Unvernunft heraufbeschwören kann; in seiner Novelle “Borges gibt es nicht.”[153] weist das erzählende Ich auf die Mittäterschaft seiner Mutter hin. Sie war in einem Orden beschäftigt, ohne zu ahnen, dass dort Menschen systematisch getötet wurden. Sie schweigt, isst, trinkt, beobachtet die Natur, geniesst ihr Leben, denkt keinen Augenblick daran, in die Ereignisse einzugreifen, um den Mordakten ein Ende zu setzen: „Liebe Mutter, Du sitzt in Deinem Stuhl am Fenster in Deinem Stift. Weisst du, wo dein Stuhl steht, in welchen Mauern, mit welcher Aussicht? Dein Stift war nicht immer Stift. (...) Es war einmal ein Stift, das früher einmal eine Heil- und Pflegeanstalt, in der weder geheilt wurde noch gepflegt. Dort wurde getötet. Sogenanntes lebensunwertes Leben wurde dort getötet von frommen Ordensfrauen und braven Helferinnen, von Priestern abgesegnet, unter aller Augen. Auch du musst davon gewusst haben, Mutter.“ (B, 98)
Indem sich die Mutter dem Ereignis nicht stellt, arbeitet sie der Unvernunft zu und begünstigt die Mordakte in diesem Orden. Dieses Nichteingreifen bedeutet auch ein Handeln, das der Forsetzung der Inhumanität dient. Köpf setzt das Handeln in das Zentrum des Lebens überhaupt, da jedes Handeln oder Nichthandeln seine Folgen auf existierende Umstände hat. Es wird bei Köpf in dem Handeln und Nichthandeln entschieden, ob auf der Welt humane oder inhumane Verhältnisse herrschen. Die Handlung der Mutter ist nicht als einzelnes, isoliertes und harmloses Ereignis zu betrachten, sondern als Ursache und zugleich als Wirkung für die herrschende Unvernunft. In dieser Hinsicht beschwert sich das erzählende Ich über seine Mutter, weil sie sich dessen nicht bewusst ist, dass ihre damalige Handlung die kommende Gefahr, für deren Entstehung das erzählende Ich sie für mitverantwortlich erklärt, hervorgebracht hat: „Wie gefällt Dir die Aussicht, Mutter? Du siehst hinüber auf ein Wäldchen mit gemütlichen Ruhebänken und schönen Spazierwegen. Darunter liegen die Verscharrten, Mutter.“ (B, 100)
Die Unvernunft ist menschlichen bzw. gesellschaftlichen Ursprungs, da sie aus den alltäglichen Handlungen der Bürger entsteht, die zu ihrer Ursache werden, und die wieder zu ihrer Fortsetzung führen. Durch das Verhalten, den Mordakten keinen Widerstand zu leisten, bereitet der Mensch den Boden für das mörderische Regime. Die Mutter in dieser Situation ist weit davon entfernt, wahrzunehmen, dass sie durch ihr Verhalten die Unvernunft heraufbeschwört. Ihre Sorge in diesem Orden ist nur, ihr Leben fortzusetzen. Das erzählende Ich beklagt sich über die Ignoranz seiner Mutter: „Es war einmal eine Festschrift, in der dies Kapitel fehlt. Die Mütter sitzen still und vorwurfsvoll in ihren Stühlen vor den Fenstern zum Park und singen das schöne Lied Eswareinmal. Längst wissen sie nicht mehr, was vorgeht in der Welt vor den Toren ihres Stiftes, denn sie haben die Welt ins Stift verlegt, und das genügt ihnen.Draussen geht die Saat auf, liebe Mutter.“(B,101)
Das nationalsozialistische Regime resultiert aus den Folgen solcher alltäglichen Handlungen. Es ist sowohl Resultat menschlicher Handlungen als auch deren Ursache. Statt Unterwerfung ist politische Verantwortung für die bestehenden Umstände und Mitwirkung jedes Einzelnen erforderlich. Um bei dem Beispiel der Mutter zu bleiben, es fehlt ihr das Wissen und es gelingt ihr in dieser Situation nicht, gegen die Ordnung in diesem Orden Widerstand zu leisten, und den erforderlichen Preis für ihr Verhalten zu bezahlen, da der Widerstand immer mit einem zu bezahlenden Preis verbunden ist. Ihr fehlt der Mut, diesem Regime entgegenzutreten, und sich auf die damit verbundenen Gefahren zu begeben. Wie aus dem Verhalten der Mutter ersichtlich wird, steht jede Handlung in einer Verbindung mit den gesellschaftlich- politischen Verhältnissen in einer gegebenen Zeit. Auf den ersten Blick mag das Verhalten der Mutter als ein isoliertes, harmloses Handeln erscheinen, wenn man aber dieses Handeln mit der bestehenden Unvernunft in Verbindung bringt, verliert es seine Harmlosigkeit erst durch die Kraft des poetischen Denkens, das durch das Lesen erzeugt wird. [154]
Um ein Ziel zu erreichen, muss man sich nach Köpf bereit erklären, etwas Wertvolles, auch wenn das sein eigenes Leben sein mag, zu riskieren: “ Der Umgang mit Menschen, meine Lieben, sagt der Herr Präfekt von Tschernopol, der in seiner nie getrübten Liebenswürdigkeit durchaus auch launisch sein konnte, der Umgang mit Menschen ist auch nichts weiter als eine Frage des Preises, den man zu zahlen gewillt ist. Verschaffen Sie sich das Kapital, indem Sie Lebenskenntnis erwerben.“ (VdW, 84) Das Kapital, worauf es ankommt, ist Erkenntnis und Wissen; es ist das unentbehrlichste und kostbarste Mittel, das seine Wirkung in jeder Handlung zeigt und den Ablauf der Handlungen steuert und sie in der Verbindung mit dem Ganzen wahrzunehmen erlaubt, das geographische und zeitliche Grenzen aufzuheben ermöglicht, und für die Handlung und die Erfahrung eine gestaltende Funktion ausübt und den Menschen befähigt, nach dem Warum seiner Handlung in einer gegebenen Situation zu fragen.
Köpf ist von der Verkehrtheit der Welt und der Gestaltbarkeit dieser in eine humane Welt überzeugt. Es wird in jeder menschlichen Handlung entschieden, ob auf der Welt Unvernunft oder Humanität herrscht. Eine solche Auffassung betrachtet das ganze Leben als einen Kampfplatz; in einer solchen Lebensführung fühlt er sich nicht nur für sein eigenes Leben verantwortlich, sondern für das Schicksal des menschlichen Geschlechts. Das Leben wird ihm zu einer Aufgabe. Er betrachtet jede Handlung als einen Kampf, diese Aufgabe zu erfüllen, da in diesen Handlungen entschieden wird, ob auf der Welt Humanität oder Unvernunft herrscht. In den Handlungen geht es nur um Untergang oder Existenz des Ich, da Köpf sehr tief davon überzeugt ist, dass ein Nachgeben in einer einzigen Handlung dem Verrat der Humanität gleichkommt und dieses Nachgeben schon ein Beitrag zur Fortsetzung der Unvernunft bedeutet.
In seinem Roman „Die Strecke“[155] kann eine Parabel Einsicht in den Ausgangspunkt seiner Poetik vermitteln, denn er misst der Erkenntnis und der Einsicht in den Handlungen die Priorität bei. Der Streckenwärter ermahnt den Revisor, seinen Antipoden: „Bitte sehr, Herr Revisor: wer ein gesundes und leistungsfähiges Tier will, der muss auch für einen einwandfreien Stall sorgen.“(S, 50) Diese Aussage veranschaulicht, dass Köpf die bestehenden Umstände als menschliches Werk auffasst und dass Erkenntnis über jede Einzelheiten und Einsicht in das reibungslose Funktionieren für den Betrieb eine unabdingbare Bedingung ist. Nur durch die Erkenntnis und Einsicht in die Ganzheit der Details kann der Eingriff in das System unternommen werden. In dieser Hinsicht ist Erkenntnis das allerwichtigste und kostbarste Mittel, das das System im Betrieb regelt.
Die Erkenntnis ist daher nicht bloßes auch nicht spezifisches Wissen, das auf einen bestimmten Bereich beschränkt ist, sondern die Einsicht in das ganze System und in die Bestandteile, die das Ganze ausmachen und sowie in die Funktionen, die ihre Rolle im Ganzen spielen. Gemeint ist hier poetisches Wissen, das durch Einbildungskraft die Welt umspannt, indem es durch die Verknüpfungen der Beziehungen das Ganze wahrzunehmen erlaubt. Der Erwerb des poetischen Wissens ist das unentbehrlichste Mittel im Leben, so dass derjenige, der das Wissen nicht beherrscht, keinen Anspruch erheben kann, zu leben. Das Wissen, ohne das ein erfülltes Leben kaum vorstellbar ist, wird bei Köpf dem Leben gleichgesetzt. „Das Wissen ist lang, das Leben ist kurz, und wer nichts weiss, der lebt auch nicht.“( B, 88)
Das Wissen wird hochgepriesen, da von dem poetischen Wissen Kräfte ausgehen, die „in den Aktivitäten des Erkennens, Handelns und Verhaltens eine ebenso große Rolle (...) spielen.“[156] Lesen bekommt in Köpfs Poetik daher eine zentrale Stellung, weil Lesen zur Erkenntnis führt, sowohl das gesellschaftliche als auch das individiuelle Leben bestimmt. Die Handlungen sind die Praxis des Wissens überhaupt. Wenn die Handlungen ihren Lauf durch den Mangel des poetischen Wissens bekommen, münden sie unverweigerlich in die Unvernunft, die Dummheit ein. Eine einzige Handlung beherbergt in sich den Kern zerstörerischer Kräfte, die sich kumulieren und weltweite Dimension bekommen. Im Gegensatz zu der Mutter in „Borges gibt es nicht“ ist der Streckenwärter in „Die Strecke“ fest entschlossen, seine Strecke zu verteidigen und gegen die Stillegung der Strecke Widerstand zu leisten: „In jedem Falle werde ich auf Jammern, Heulen und Zähneknirschen verzichten und statt dessen handeln. Nicht reagieren, sondern handeln.“( S, 57 ) In seinem Roman „Die Strecke“ profiliert Köpf durch die Streckenwärterfigur Aggwyler einen engagierten Bürger, der zugleich auch intellektuelle Eigenschaften besitzt und daher auch als ein Prototyp für den Citoyen gehalten werden kann. Der Streckenwärter Aggwyler ist entschieden, seine Strecke zu verteidigen, sie „ist längst tot, ist doch schon lange am Verkrauten.“ (S, 152) Die Eisenbahngesellschaft hat aber ihre Stillegung schon geplant. Die Strecke zu verteidigen, steht in keiner Verbindung mit einer bezahlten Arbeit, sondern ist eine selbstauferlegte Aufgabe, die aber sein ganzes Leben in Anspruch nimmt. Endlich kann diese Lebensaufgabe als erfüllt gelten, wenn es ihm gelingt, die Stillegung seiner Strecke zu verhindern. Allein durch die Arbeit kann die Strecke erhalten werden: „Aber nicht Verzweiflung ist die Folge, sondern das Glück der Arbeit.“ (S, 22) Er setzt sich für die Strecke ein, weil die Strecke schon mit den anderen Eisenbahnlinien der Welt verbunden ist. In diesem Kontext machen “jede Schraube, jede Lasche die Strecke aus, die eben Teil des Weltplans ist.” (Siehe S, 91) Auf dieser Strecke ist jedes Detail in Bertracht zu ziehen, weil es das Ganze ausmacht: „Jede Schrunde ist wichtig, jede Schramme verweist auf eine Geschichte; es gibt nichts, was nicht von grosser Bedetung wäre.“(S, 208) Sein Wille, die Stillegung der Strecke zu verhindern, hängt mit der Bedeutung zusammen, die er ihr beimißt. Die Strecke sichert nicht nur Abfahren und Ankommen der Züge, sondern auch das Leben bekommt seine Gestalt durch die Strecke: „Dabei regelt die Kleinbahn den Tages-, ich behaupte sogar den Lebenslauf.“(S, 28) In dieser Hinsicht ist sie ein Faktor, wodurch auch die natürlichen Ereignisse in der Umgebung der Strecke geregelt werden: „Und wer beeinflußt den Wind, Herr Revisor? Selbstverständlich die Strecke.“ (S, 210) Durch die Verkrautung um die Strecke, die niemand zu verteidigen gewillt ist und niemand anzugehen scheint, wird auch die Umwelt zerstört: „Ein holdes Bild, wäre da nicht die Verrottung, die nichts ausläßt. Alles fällt zum Opfer; Häuser, Weiler, Wege, Wälder.“(S, 405) Er versucht, was in seinem Machtbereich steht, seine Strecke zu sanieren. Er stellt die fehlenden Materialien seiner Strecke fest, meldet sich bei der Eisenbahngesellschaft. Auf seinen Wunsch gehen aber die bezahlten Beamten nicht ein: „Aber die meisten Drähte sind gekappt, fast sämtliche Leitungen sind unterbrochen. Ich habe auf diesen unerträglichen Zustand der Thulserner Eisenbahngesellschaft schon hundertmal hingewiesen. Im Laufe der Jahre habe ich regelmäßig Meldung gemacht, Bericht erstattet: ohne Erfolg. Ohne auch nur einen Hauch von Erfolg. Niemand hat es höheren Orts für notwendig erachtet, meine Hinweise zur Kenntnis zu nehmen. Alles in den Wind gesprochen.“ (S, 123) Er kämpft gegen die Eisenbahngesellschaft, die für die Sanierung der Strecke nichts unternimmt und die in dem Roman mit dem Namen „Herr Revisor“ als Gesprächspartner des Wärters personifiziert wird. Er versucht sich gegen den Herrn Revisor durchzusetzen, um die Auflösung der Strecke zu verhindern. Der Revisor ist im Gegensatz zum Wärter ein Beamter, der von der Eisenbahngesellschaft bezahlt wird. Er hat keine eigene Meinung und erfüllt die von seinen Vorstehenden erteilten Befehle. Indem der Streckenwärter sich für jedes Detail an und in der Umgebung der Strecke interessiert, und mit ihr in Beziehung bringt, und dadurch ihre Bedeutung in seiner Vorstellung ständig zunimmt, scheint Aggwylers Antipode der Herr Revisor keine Aufmerksamkeit auf die Strecke aufzuweisen, weil er in seinem Büro sitzt: „Fähigkeit ist nicht gerade Ihre Stärke. Eher schon Anpassung und Duckmäuserei. (...) Zum eigenen Urteil, Herr Revisor, sind Sie nicht fähig. Sie lassen die Eisenbahn für sich denken. Sie selbst sind nichts als ein Vollstrecker. Befehl ist Befehl. Wohin die Züge fahren, ist ihnen gleichgültig, solange nur die Fahrpläne stimmen, (...) für die Kleinigkeiten haben Sie keinen Sinn. Gehorchen jedem Befehl, und sei er noch so erbarmungslos. Sie werden ihn ausführen, koste es, was es wolle.(...) So aber mangelt es Ihnen am Blick für das Wesentliche: der Strecke! Sie scheuen Auseinandersetzungen. Kontroversen gehen Sie aus dem Weg. Sie sind feige, Herr Revisor. Im Büro buckeln Sie, und zu Hause spielen Sie den Tiger.“ (S, 345)
Die Eisenbahngesellschaft geht nicht auf seine Wünsche ein. Angesichts der Tatsache, dass die Strecke niemanden außer ihn angeht, fühlt er sich sprachlos, weil er von niemandem in seiner Umgebung ernst genommen wird: „Warum hörte mir denn keiner zu, dass es mir gelingen würde, warum redeten sie alle durcheinander, ohne auf mich zu achten, sie auf meine Seite zu bekommen, sie herüberzuziehen auf die richtige Seite, aber ich war keiner von ihnen, wie sollte das je gelingen, wo ich keiner von ihnen war, auf meine Seite, so dass sich die alte Fallmühle unmöglich, ganz unmöglich neigen konnte und die alte Gerechtigkeit mit dem gewohnten Gleichgewicht, der geliebten Balance wieder hergestellt werden konnte.“ (S, 173)
Doch diese zu erfüllende Aufgabe erweist sich als Erzählen und daher keine leichte, kaum erfüllbare und das Leben eines Menschen überdauernde: „Wo Berge abzutragen sind, da reicht das Händereiben nicht.“ (S, 78) Köpf gebraucht diese Metapher fürs Erzählen, Erzählen heißt nämlich, den Berg abzutragen. „Unsereiner ist schon alt geworden, und wir selbst müssen das letzte Wort über uns sagen: um erzählend die Zeit zu besiegen und Dauer zu ermöglichen, obwohl alles dagegen spricht.“ (S, 241)
Der Wärter ist sich zwar dessen bewusst, dass seine Arbeit vergeblich ist. Aber trotz der Vergeblichkeit seiner Arbeit denkt er nicht daran, mit ihr aufzuhören: "Ungebeugt tue ich das Vergebliche, Schritt für Schritt, und das macht mich unangreifbar, Herr Revisor. Ich bin stärker als das Verhängnis, weil ich mit jedem Schritt von Schwelle zu Schwelle das Vergebliche neu wage.“ (S, 22 ) Diese Arbeit, seine Strecke erzählend zu verteidigen, stellt kein Zeichen für die Sanierung der Strecke, weil die Eisenbahngesellschaft stumm bleibt und in der Umgebung niemand ihn versteht. Er ist aber fest überzeugt, seine Arbeit fortsetzen zu müssen, auch wenn die Aussicht auf den Erfolg seines Vorhabens sehr gering ist, seine Versuche wird er nicht aufgeben. Die Strecke kann nur durch diese Arbeit, durch Erzählen erhalten werden. Auch wenn unter diesen Verhältnissen alles dagegen spricht, ist Erzählen das einzige Mittel, „die einzige Chance, zugleich die letzte Chance.“ (S, 359)
Aufgrund der Bedeutung der Strecke fühlt Aggwyler sich verpflichtet, gegen die Auflösung der Strecke Widerstand zu leisten, was nur durch Erzählen gelingen kann: „Mein Recht auf Widerstand gegen die Stillegung liegt in der Natur der Sache.“ (S, 92) An der Erfüllung dieser Aufgabe teilzunehmen, gehört zu der unverzichtbaren Aufgabe des Menschen und des Menschseins: „Es wird ein Recht sein, wie es jedem Menschen zusteht: weil er Menscht ist.“(S, 92) Er will zu dieser Strecke gehören, wo die Geschichten erzählt werden: „Davon Teil zu sein, das war mein Ziel.“(S, 17) In diesem Kampf ist das Ende noch offen und er ist nicht endgültig beschlossen: „Denn nichts ist entschieden. Nichts ist verloren.“(S, 12) Um die Auflösung seiner Strecke zu verhindern, sind andere Geschichten zu erzählen, eine nie endende Aufgabe trotz der Vergeblichkeit: „Eine neue Phantasie, eine neue Geschichte beginnt, ein anderer Traum, noch höher, noch verschraubter.“ (S, 399) Es gibt kein Ende in diesem Kampf. Jedes angebliche Ende einer erzählten Geschichte ist eigentlich ein neuer Anfang, eine neue zu erzählen, weil die schon erzählten Geschichten auf taube Ohren gestoßen sind und dadurch die Verkrautung um die Strecke nicht rückgängig gemacht werden konnte: “Gegen die Auflassung der Strecke setze ich meine Schritte über die Endstation hinaus, und auf diese Weise verlängere ich das Gleis, lege neue Schwellen, von Schritt zu Schritt. Immer weiter, immer steiler, die Strecke nimmt kein Ende, es wird keine Endstation mehr geben, auch die Fallmühle ist nichts anderes als eine jener Stationen, die ich hinter mir lasse, eine mehr. Draußen in der Ebene, stelle ich mir vor, hat die Verkrautung längst überhandgenommen.“ (S, 412) Er erwartet von keiner Instanz und niemandem Zustimmung, ist sich schon im Voraus bewußt, dass er nicht belohnt wird: „Ich bin gefaßt auf Verachtung und Abneigung und Mißverständnis seitens der übrigen Welt außerhalb von Blanchland, die nicht zu der zwingenden Notwendigkeit verflucht ist, die Welt Satz für Satz neu zu erfinden.“(S, 409) Auch die Instanzen wissen nicht einmal, welche Macht die Erzähler und die erzählten Geschichten auslösen werden: „Aber die Herrschaften haben keine Ahnung. Indem sie uns unterschätzen, begehen sie einen groben Fehler.“ (S, 82) Trotz seiner Überzeugung der Vergeblichkeit seines Vorhabens, die Strecke nicht verteidigen zu können, ist er nicht bescheiden und hadert sogar mit Gott: „Und dennoch: mein Wissen schien mir in diesen Augenblicken nicht viel geringer als das Gottes.“(S, 272) und auch mit dem von Gott erschafften Universum: „Angeblich bin ich jemand, auf den man verzichten, den man entbehren kann. Das ist ein gewaltiger Irrtum. Ich werde mich gegen die Stillegung meiner Strecke wehren. Sogar die Sterne werden staunen.“(S, 289)
Wie anhand der Streckenwärterfigur ersichtlich wird, soll jeder in jeder Situation sein Handeln an der bestehenden Unvernunft abmessen und angemessen handeln, wenn ihn auch dieses zum Scheitern führen kann. Er soll das in Kauf nehmen. Die Verlierer sind nicht die Gescheiterten, sondern diejenigen, die auf den Widerstand gegen die Unvernunft verzichten. In jeder Situation geht es um Erfolg oder Scheitern. Handeln ist das äußerste Lebenszeichen von Köpfs Menschen: „Für sie gilt Bestehen oder Untergang. Bestehen kann, wer aktiv ist, sich nicht aufgibt, Mut besitzt, moralische Integrität trotz persönlicher Härten, von denen er getroffen wird. Verloren ist, wer sich aufgibt, in die Resignation verfällt.“ (HM, 58) Um die Unvernunft zu überwinden, sollte man dagegen Widerstand leisten. Das ist die allerwichtigste Aufgabe im Leben, sich der Inhumanität zu stellen, auch wenn es keine Aussicht auf einen Erfolg verspricht, da die Humanität auf der Welt nur durch eine mühsame Arbeit eingerichtet werden kann: „Nur mit brennender Geduld werden wir die “strahlende Stadt” erobern, die allen Menschen Licht, Gerechtigkeit und Würde schenken wird.“ (MdWG, 54)
In Deutschland gilt Köpf als ein angesehener aber auch umstrittener Schriftsteller. Als Literaturwissenschaftler befaßt er sich mit den dialektischen Beziehungen zwischen dem Autor, dem Werk und dem Leser. Für ihn aber sind diese nicht nur relevant, weil der Autor und das Werk angesichts der Tatsache, dass ohne den Leser weder der Autor noch das Werk zur Entstehung und Geltung kommen kann, auf den Leser angewiesen sind sondern er entdeckt in diesen Kettenreaktionen auch eine humanisierende Kraft, durch die die gegenwärtigen und menschheitsvernichtenden Umstände überwunden werden können. Aus dieser Perspektive heraus verläßt Köpf das herkömmliche Zeitmodell der Erzählung und wendet sich der von Günter Grass angehobenen „Vergegenkunft“ der er aber noch eine weitere Dimension einverleibt, die im Laufe dieser Arbeit untersucht wurde.
Köpfs Poetik beruht auf dem Widerspruch zwischen der erlebten und der dargestellten Welt, die ihm zuerst als Leser dann als Schriftsteller zuteil wird. Der Widerspruch zwischen der erlebten und der dargestellten Welt besteht darin, dass die erlebte Welt, mit ihren Katastrophen, mit ihren Kriegen, atomaren Gefahren, ihren Hungersnöten der in den Büchern dargestellten Welt nicht standhalten kann, in der es nach Köpf um die Humanität geht. Diese Festellung, dass die bestehende Welt als Unvernunft, die dargestellte Welt dagegen als eine heile Welt ist, bestimmt auch seine Einstellung zum Schreiben, zum Lesen, zur Sprache, zur Wirklichkeit, zum Erzählen, dem Gespräch, dem Schriftsteller, dem Leser, zur Literatur, zum Leben überhaupt.
Die Überwindung der Unvernunft ist durch Geschichten – Erzählen zu erreichen. Dabei fällt die entscheidende Aufgabe sowohl dem Schriftsteller als auch dem Leser, da beide engagierte Bürger sind zu. Der Schriftsteller und die Leser haben dies zu verantworten. Diese Aufgabe ist ihnen von keiner anderen höheren Instanz aufgezwunden, sondern eine selbst auferlegte.
Köpf ist davon überzeugt, dass es allein das Erzählen, der bestehende Diskurs die Unvernunft zusammenhält. Es ist daher eine unabdingbare Voraussetzung, den Gegendiskurs ins Zentrum des Alltags zu bringen. Der Diskurs, der den Menschen von den Massenmedien aufgezwungen wird, hat eine überwiegende, überindividuelle Macht über die Menschen. Solange man an den von den Massenmedien verbreiteten Diskurs anschließt, reproduziert man konsequent den bestehenden Diskurs. Es bleibt dem Menschen nichts anderes übrig, als die Sprache neu zu erfinden. Dabei fällt dem Schriftsteller die Aufgabe zu, die bestehenden Gefahren schriftlich zu erzählen. Köpfs Mensch denkt nicht im geringsten daran, nach einem Schuldigen, einem anderen Verantwortlichen außer sich selbst zu suchen, da niemandem die politische Verantwortung für die erlebte inhumane Welt übertragbar ist. Er fühlt sich inmitten der Geschehnisse und ist auch davon tief überzugt, dass die Welt ihre Gestalt von seiner Handlung bekommt. Bei Köpf stellt sich der Mensch ein. Das ist die wichtigste Maxime, wobei sowohl Geschichten-Erzählen als auch Geschichten-Zuhören als Handeln begriffen wird. Für Köpf sind Lesen, Erzählen, Zuhören und Schreiben als schöpferische Handlungen zu verstehen. Es kommt nur auf sein Handeln in einem Moment an, das eben auch ein historisches Moment ist, in dem gehandelt, gedacht, gesprochen und zugehört wird, ob auf der Welt Vernunft oder Unvernunft herrscht.
Es mag eben utopisch, fiktional klingen, durch das Gespräch gegen die Unvernunft Widerstand zu leisten, ihr Regelwerk, ihre Maschinerie anzugreifen, und die Humanitat an die Macht zu bringen. Vielleicht mag auf den ersten Blick Geschichten-Erzählen keine Aussicht auf Erfolg versprechen, die Unvernunft, diesen verwalteten, organisierten, überindividuellen, überstarken, weltweit herrschenden, institutionalisierten, und durch Interessengruppen unterstützten Machtapparat, dessen Existenz der herrschende Diskurs sichert, indem er im Umgang bleibt, durch Geschichten-Erzählen zu besiegen. Köpf geht aber von diesem Punkt aus, dass die Unvernunft durch ein humaneres Erzählen überwunden werden kann. Für ihn gibt es keinen Zweifel an der Richtigkeit seines Vorhabens. Schreiben, Lesen, und Erzählen sind eben Handeln und Leben. Die Humanität ist kein leeres Wort, sondern eine Idee, vielleicht eine Fiktion, die aber Wirklichkeit werden kann. Es kommt nur darauf, daran zu glauben. Der Widerspruch zwischen der herrschenden Unvernunft und der Humanität kann überwunden werden, wenn Widerspruch zwischen der Fiktion und der Wirklichkeit aufgehoben wird. Diese Möglichkeit, die gleichzeitig auch angesichts der vorgefundenen und etablierten Unvernunft als Vergeblichkeit wahrgenommen werden kann, ist aber für Köpf diese kleinste aber auch die einzige Möglichkeit, die zu erfüllen sein ganzes Leben in Anspruch genommen wird.
Köpf spricht den Leser, nämlich sich und den Menschen an; er versucht unter den Bedingungen der herrschenden Mediengesellschaft einen Ausweg in der Ausweglosigkeit zu finden. Die Hoffnung ist der Leser, nämlich er selbst, und der Mensch überhaupt, der damit beauftragt wird, sein Selbst und die Welt zu verwandeln. Er ist aber auch damit konfrontiert, den Diskurs, dem der Mensch ausgesetzt ist, zu bestimmen, was soviel wie der Tatsache, ein bewußtes Leben zu führen, gleichkommt. Der Widerstand, der im Zentrum Köpfscher Poetik bzw. der „Vergegenkunft“ steht, kann durch nichts als durch Erzählen gelingen. Er braucht nichts als Geschichten zu erzählen.
Geschichtenerzählend Widerstand zu leisten, bildet den Kern seines Erzählprogrammes, das zugleich auch ein Lebensprogramm ist, weil Erzählen auch Leben ist und es gestaltet. Jede erzählte Geschichte, durch die sowohl persönliches Leben als auch bestehende Umstände ihre Gestalt bekommen, ist daher auch ein historisches Moment an und für sich. Beim Geschichten – Erzählen ist das Gespräch ist nicht bloß Austausch der Worte, sondern ein gestaltendes Moment, in dem sich analog dem Lesen der Erzähler und der Zuhörer auf eine schöpferische Tätigkeit begeben. Der Diskurs erfordert die Teilnahme sowohl des Erzählers als auch des Zuhörers. Der Zuhörer ist genauso verantwortlich für den herrschenden Diskurs wie der Erzähler. Damit die Humanität gedeihen kann, ist die Rolle des Sprechenden und des Zuhörenden von großer Bedutung. Der Leser bzw. der Bürger sollte humanen Geschichten zuhören, um den bestehenden Diskurs zu verdrängen, indem er sich ihm nicht anschließt und ihn nicht weiter vermittelt; d. h. seinen Umgang dadurch verhindert. Das Gespräch, das Erzählen als Medium und die erzählten Geschichten überhaupt hinterlassen geschichtliche Wirkungen, daher lastet auf dem Sprechenden und dem Zuhörenden die Verantwortung für eine humanere Welt. Es liegt allein an ihnen, ob die Humanität durch einen humaneren Diskurs zu gründen ist oder nicht.
Köpf verweist auf eine radikale Bedeutungsveränderung des Sprachgebrauchs und begreift ihn in der Beziehung zu seinem eigenen Leben und zu den herrschenden Machtverhältnissen; er versteht ihn innerhalb der Machtfrage, ohne dabei irgendeine Absicht zu haben, im parteipolitischen Sinne, an die Macht zu kommen. Der engagierte Bürger braucht keine andere größere Tat zu vollziehen, als humane Geschichten zu erzählen und ihnen zuzuhören, um die Humanität in die Wirklichkeit, in das Leben umzusetzen. Die Gefahr globaler Zerstörung verlangt geschichtliches und universales Bewußtsein
Jedes Gespräch ist eine Gelegenheit, jede Minute ist ein historisches Moment sowohl seines eigenen Lebens als auch der herrschenden Verhältnisse. Bei Köpf ist alles mit allem auf innigste verbunden. „Vergegenkunft“ ist kein Wortspiel sondern ein Programm, das aber formale Konsequenzen hat. Bei diesem Erzählprogramm geht es um die Überschreitung der zeitlichen und örtlichen Grenzen. Erzählte Geschichten sind Bestandteil der weltweitherrschenden Unvernunft, solange sie dagegen keinen Widerstand leisten. Die zu erzählenden Geschichten irgendwo auf der Welt sollten daher die Regierenden nicht als Sieger begrüßen, da dies sie bekrönen würde. Die Herrscher unternehmen nichts, als ihre Herrschaft in den und durch die erzählten Geschichten zu garantieren. Es ist daher eine Mittäterschaft, die Geschichten der Herrscher weiterzugeben und ihnen zuzuhören. Für Köpf sollten sich die Schriftsteller daher in den Dienst der engagierten Bürger stellen, sich für die Aufklärung der Allgemeinheit einsetzen und jede Komplizenschaft mit den Herrschern vermeiden. Es ist nicht umsonst, dass Köpf das Geschichten-Erzählen mit der Metapher „Den-Berg-Abtragen“ vergleicht. Eine zu erzählende Geschichte irgendwo auf der Welt sollte der gloabalen Zerstörung Einhalt gebieten, weil Widerstand dagegen nur geschichtenerzählend geleistet werden kann. Durch nichts anderes. Um aber diesen Diskurs in den Umgang zu bringen, ist geschichtliches und universales Bewußtsein erforderlich, was nur durch Lesen erworben werden kann. Die zu erzählenden Geschichten sollten die gegenwärtige Situation in Frage stellen, und auch Handlungsmodelle entwerfen, wie und mit welchen Mitteln die Unvernunft besiegbar ist.
Daher ist sowohl Geschichten-Erzählen als auch Geschichten-Lesen und -Zuhören von grundsätzlicher Bedeutung und an und für sich ein schöpferischer Prozeß, was aber eine bewußte Lebensführung auf das zu verwirklichende Ziel verlangt. Damit das geschieht, sind die Prioritäten auf die gestaltende Bedeutung des Gesprächs hin umzudenken. Daher ist ein Wissen, d.h. nicht ein spezifisches, sondern ein Vor-Wissen nötig, das Einsicht in das Funktionieren dieses Machtapparates gewährt, um ihm Einhalt zu gebieten.
Köpf will nicht die Welt als solche verwandeln, die Selbstverwandlung ist ihm der Weltverwandlung voraus, denn sie bringt die andere hervor. Seine Auseinandersetzung mit der Unvernunft ist auch nicht mit der Gesellschaftskritik zu verwechseln. Ihm geht es darum, sein Selbst im Konzept der in den Büchern dargestellten Welt zu verwirklichen, da durch die Konfrontierung mit der beim Lesen gewonnenen Einsicht die existierende Welt als verkehrt erscheint. Es ist daher die Aufgabe des Menschen, die in den Büchern dargestellte humane Welt ins Zentrum des gesellschaftlichen Alltags zu rücken. Das kann nur gelingen, wenn der Widerspruch zwischen der dargestellten Welt und dem eigenen Leben aufgehoben, d. h. wenn das Leben in ein Kunstwerk verwandelt werden kann. Es gilt die bestehende Welt abzulehnen, die dargestellte Welt dagegen zu verwirklichen. Köpf geht es nur darum, durch sein Handeln, sei es durch Erzählen, Lesen oder Schreiben, an die Stelle der aus den Fugen geratenen verkehrten Welt die Grundlagen humaneren Lebens auf der Welt zu schaffen. Das setzt aber voraus, sich mit all den etablierten Begriffen wie der Zeit, des Diskurses, der Realität, der Fiktion, der Heimat, der Literatur, der Vernunft auseinanderzusetzen.
Der Mensch hat seine Geschichten aber auf die zu verwirklichende humanere Welt zu erzählen, nicht wie die Welt ist, „sondern, wie es gewesen sein könnte.“ Allein Erzählen ermöglicht die Selbst- und Weltverwandlung, die Überschreitung der zeitlichen und örtlichen Grenzen und die Erschaffung einer humaneren Welt in der Zukunft. Erzählend wird Widerstand gegen den Ablauf der Zeit geleistet, denn nach Köpf heißt „Vergegenkunft“: „ erzählend voraussehen, wie es gewesen sein könnte, wenn es dereinst geschähe.“
Literaturverzeichnis
Primärliteratur
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Ders.: Ayren gibt es nicht: Eine Richtigstellung. In: Loquai, Franz (Hrsg.) : Gerhard Köpf. Portrait. Eggingen 1993, S. 165 – 167.
Ders.: Borges gibt es nicht. Eine Novelle. Frankfurt/M. 1991
Ders.: Das Märchen vom Lesen mit Schneidbrenner. In: Köpf, Gerhard: Vom Schmutz und vom Nest. Aufsätze aus zehn Jahren. Frankfurt/M. 1991, S. 187 – 188.
Ders.: „....der Geschlagene kann überhaupt nichts repräsentieren.“ Versuch über Jean Amérys „Charles Bovary“ In: Köpf, Gerhard: Vom Schmutz und vom Nest. Aufsätze aus zehn Jahren. Frankfurt/M. 1991, S. 7 – 21.
Ders.: Der Kühlmonarch. Nebst einer einleitenden Durchleuchtung der poetologischen Rumpelkammer. In: Rowohlt Literaturmagazin. 29 1992, 100 – 118.
Ders.: Der Thulserner Konjunktiv oder Rede über das allmähliche Flechten eines Zopfes während des Erzählens. In: Loquai, Franz (Hrsg.): Der blaue Weg des Möglichen. Materialen zum Werk Gerhard Köpfs. Bamberg 1993, S. 126 – 131.
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Ders.: Die Vorzüge der Windhunde. In: Köpf, Gerhard: Vor-Bilder, Tübinger Poetik-Vorlesung. Tübingen 1999, S. 71 – 94.
Ders.: Drei Blindbände. In: Köpf, Gerhard: Vom Schmutz und vom Nest. Aufsätze aus zehn Jahren. Frankfurt/ M.1991, S. 160 –163.
Ders.: Eine Asphodele. Über Ilse Schneider- Lengyel. In: Literatur für Leser H.1 1996, S. 32 – 45.
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Ders.: Friedrich Schiller: Der Verbrecher aus verlorener Ehre. Geschichtlichkeit, Erzählstrategie und „republikansiche Freiheit“ des Lesers. München 1978
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Ders.: Heimat, Melancholie und Totentanz. Skizzen zu Walter Mehring (1896-1981) In: Literatur für Leser H. 2.1983, S. 84 – 100.
Ders.: Humanität und Vernunft. Eine Studie zu Heinrich Manns Roman „Heinrich Quatre“ Frankfurt/M. 1975
Ders.: Hund und Katz und Maus, Schnecke, Butt und Ratte: Günter Grass zum sechzigsten Geburstag. In: Köpf, Gerhard: Vom Schmutz und vom Nest. Aufsätze aus zehn Jahren. Frankfurt/M. 1991, S. 87 – 101.
Ders.: Im Schlaraffenland oder wie ich in Heinrich Manns Roman hineingeriet: Erzählung von einer Lesereise. In: Köpf, Gerhard: Vom Schmutz und vom Nest. Aufsätze aus zehn Jahren. Frankfurt/M. 1991, S. 29 – 42.
Ders.: In extremer Schräglage. Ein Nachmittag mit Miguel Torga. In: Köpf, Gerhard: Vom Schmutz und vom Nest. Aufsätze aus zehn Jahren. Frankfurt/ M.1991, S. 43 – 48.
Ders.: Innerfern. Roman. Frankfurt/M. 1983
Ders.: Komm, stirb mit mir ein Stück. Antwort auf eine literarische Umfrage. In: Köpf, Gerhard: Vom Schmutz und vom Nest. Aufsätze aus zehn Jahren. Frankfurt/ M. 1991, S. 164 – 173.
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Ders.: Maria Luise Kaschnitz „Hiroshima“ Geschichte und Gedicht. In: Köpf, Gerhard: Vom Schmutz und vom Nest. Aufsätze aus zehn Jahren. Frankfurt/M. 1991, S. 22-28.
Ders.: Mein amerikanischer Traum. In: Köpf, Gerhard: Vor-Bilder, Tübinger Poetik-Vorlesung. Tübingen 1999, S. 9 – 41.
Ders.: Nachwort. In: Köpf, Gerhard (Hrsg): Ein Schriftsteller schreibt ein Buch.. Dichter über Dichter und Dichtung. Frankfurt/M. 1984, S. 279 – 282.
Ders.: Nurmi oder die Reise zu den Forellen: Eine Erzählung. München 1996
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Sekundärliteratur zu Gerhard Köpf
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BÖTTCHER, Wolfgang-Michael: Auftritt der Tod im Wirbel der Konfetti. Erzählen zwischen Erfinden und Verschwinden in Gerhard Köpfs Frühwerk. Frankfurt/M. 2000
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[1] Ralf Schnell: Geschichte der deutschsprachigen Literatur seit 1945. Stuttgart 1993, S. 444
[2] Vgl. ebd. 444-450
[3] Zitiert in Gerhard Köpf: Komm, stirb mit mir ein Stück. Antwort auf eine literarische Umfrage. In: Gerhard Köpf: Vom Schmutz und vom Nest. Aufsätze aus zehn Jahren. Frankfurt/ M.1991, S. 172
[4] Gerhard Köpf: Im Schlaraffenland oder wie ich in Heinrich Manns Roman hineingeriet: In: Gerhard Köpf: Vom Schmutz und vom Nest. Aufsätze aus zehn Jahren. Frankfurt/ M.1991, S. 29-42
[5] Gerhard Köpf: Abgefeiert. Heinrich Böll in memoriam. In: Gerhard Köpf: Vom Schmutz und vom Nest. Aufsätze aus zehn Jahren. Frankfurt/ M.1991, S. 29-42
[6] Gerhard Köpf: In extremer Schräglage. Ein Nachmittag mit Miguel Torga. In: Gerhard Köpf: Vom Schmutz und vom Nest. Aufsätze aus zehn Jahren. Frankfurt/ M.1991, S. 43-48
[7] Gerhard Köp: Maria Luise Kaschnitz “Hiroshima” Geschichte und Gedicht. In: Gerhard Köpf: Vom Schmutz und vom Nest. Aufsätze aus zehn Jahren. Frankfurt/ M. 1991, S. 22-28
[8] Gerhard Köpf: “.... der Geschlagene kann überhaupt nichts repräsentieren.” Versuch über Jean Amérys “Charles Bovary” In: Gerhard Köpf: Vom Schmutz und vom Nest. Aufsätze aus zehn Jahren. Frankfurt/ M.1991, S. 7 – 21.
[9] Gerhard Köpf: Hund und Katz und Maus, Schnecke, Butt und Ratte: Günter Grass zum sechzigsten Geburstag. In: Gerhard Köpf: Vom Schmutz und vom Nest. Aufsätze aus zehn Jahren. Frankfurt/ M. 1991, S. 87 – 101.
[10] Gerhard Köpf: Die Metaphoras der Witwe Gonzales. Anmerkungen zu Antonio Skármetas Roman “Mit brenneder Geduld” In Gerhard Köpf: Vom Schmutz und vom Nest. Aufsätze aus zehn Jahren. Frankfurt/ M.1991, S. 49 – 63.
[11] Gerhard Köpf: Ein wunderbares Beispiel für die Kraft der Poesie Rede zur Neuausgabe des Romans “Die sieben Briefe des Doktor Wambach” von Klaus Nonnenmann. In: Gerhard Köpf: Vom Schmutz und vom Nest. Aufsätze aus zehn Jahren. Frankfurt/ M.1991, S. 80 – 86.
[12]Gerhard Köpf: Die Hemingway- Melodie. In: Gerhard Köpf: Vor-Bilder, Tübinger Poetik-Vorlesung. Tübingen 1999, S. 43 – 67.
[13] Gerhard Köpf: Die Vorzüge der Windhunde. In: Gerhard Köpf: Vor-Bilder, Tübinger Poetik-Vorlesung. Tübingen 1999, S. 71 – 94.
[14] Gerhard Köpf: Eine Asphodele. Über Ilse Schneider- Lengyel. In: Literatur für Leser H.1 1996, S. 32 –45.
[15] Gerhard Köpf: Phantasie und Hoffnung. Über Günter Herburger. In: Literatur für Leser H. 4 1981, S. 220 – 236.
[16] Vgl. Alexander von Bormann, Manfred Durzak, Anne Artmann, Manfred Karnick, Thomas Koebner, Lothar Köhn, Jürgen Schröder: Postmoderne und Spätmoderne: Erzählerische Tendenzen der achtziger Jahre. In: Wilfried Barner (Hrsg.): Geschichte der deutschen Literatur von 1945 bis zur Gegenwart. Band XII. München 1994, S. 817
[17] Vgl. Achim Escher: Vom ‘postmodernen’ Roman zur postmodernen Lesart: Theorie und Praxis metaphorologischer Lektüren von euro-amerikanischen Romanen des 20. Jahrhunderts. Essen 1996, S. 76
[18]Vgl. ebd. S. 35
[19] ebd. S. 78
[20] Zitiert in Paul Michael Lützeler: Von der Spätmoderne zur Postmoderne. In: Paul Michael Lützeler (Hrsg.) : Spätmoderne und Postmoderne. Beiträge zur deutschsprachigen Literatur. Frankfurt/ M.1991, S. 15
[21] Hanns – Josef Ortheil: Schauprozesse. Beiträge zur Kultur der 80er Jahre. München. 1990, S. 208
[22] Vgl. Paul Michael Lützeler: Von der Spätmoderne zur Postmoderne. In: Paul Michael Lützeler (Hrsg.) : Spätmoderne und Postmoderne. Beiträge zur deutschsprachigen Literatur. Frankfurt/ M.1991, S. 12-13.
[24] Hans Theo Siepe: „Eulensehen“ Oder im Anfang war die Post, am Ende die Moderne(zu einem Roman von Gerhard Köpf) In: Kunibert Bering/ W.L. Hohnmann (Hrsg.): Wie postmodern ist die Postmoderne? Essen 1990, S. 182
[25] Vgl. Gerhard Köpf: Ästhetische Erfahrung und literarisches Verstehen. In: Gerhard Köpf. (Hrsg.): Rezeptionspragmatik. Beiträge zur Praxis des Lesens. München 1981, S. 83
[26] Monika Emans–Schmitz: Schrift und Abwesenheit. Historische Paradigmen zu einer Poetik der Entzifferung und des Schreibens. München 1995, S. 12
[27] Gerhard Köpf: Friedrich Schiller: Der Verbrecher aus verlorener Ehre. Geschichtlichkeit, Erzählstrategie und „republikansiche Freiheit“ des Lesers. München, 1978, S. 32
[28] Vgl. ebd. S. 25-30
[29] Gerhad. Köpf: Innerfern. Roman. Frankfurt/M. 1983, Die Strecke. Roman. Frankfurt/M. 1985, Die Erbengemeinschaft. Roman. Frankfurt/M. 1987, Eulensehen. Roman. München 1989, Borges gibt es nicht. Eine Novelle. Frankfurt/M. 1991, Bluff oder Das Kreuz des Südens. Roman. Basel 1991, Piranesis Traum. Roman. Hamburg 1992, Papas Koffer. Hamburg 1993, Der Weg nach Eden. Roman. München 1994 und Nurmi oder die Reise zu den Forellen. Eine Erzählung. München 1996
[30]Gerhard Köpf: Lesegedichte. In: Literatur &Erfahrung 1981, H. 4, S. 90 – 92. und Abgefeiert. Heinrich Böll in memoriam. In Gerhard . Köpf: Vom Schmutz und vom Nest. Aufsätze aus zehn Jahren. Frankfurt/M. 1991, S. 147 – 159.
[31] Gerhard Köpf: Der Volkenschieber. Sender Freies Berlin. 4. 10. 1983, Fischwinter. Ein Spiel mit Dokumenten. Bayerischer Rundfunk, 28.1. 1984, Der Kampf mit Drachen. Südwestrundfunk, 18. 9. 1984, Landfunk. Sender Freies Berlin. 20. 11. 1984, Nachtpost: Ein Spiel. Uraufführung: Landestheater Schwaben. Theater am Schweizberg . Memmingen, 6. 5. 1993 und Ezra & Luis oder Die Erstbesteigung des Ulmer Münsters. Ein Spiel. Mit essayistischen Kletterhilfen zu Pound und Trenker. (Hrsg.): Christina Karafiat und Fabian Kametz. Innsbruck 1994. Uraufführung: Theatergruppe “Dekadenz”. Anreiterkeller. Brixen, 15. 10. 1994
[32] Wolfgang Michael Böttcher: Auftritt der Tod im Wirbel Konfetti. Erzäehlen zwischen Erfinden und Verschwinden in Gerhard Köpfs Frühwerk. Frankfurt/M. 2000, S.11
[33] Sigrid Mayer: Der blaue Weg des Möglichen oder südpazifisch – deutsche Literaturbeziehungen. In: Wolf Volker (Hrsg.): Lesen und Schreiben. Tübingen 1995, S. 137
[34] Vgl. Herbert Kaiser: Gerhard Köpf In : Heinz Ludwig Arnold(Hrsg.): Kritisches Lexikon zur deutschsprachigen Gegenwartsliteratur – KLG. München 1993
[35] Vgl. Herbert Kaiser: Nachrichten aus Grön- und Feuerland. Zu Gerhard Köpfs Roman „Innerfern“ In: Franz Loquai (Hrsg.): Portrait Gerhard Köpf. Eggingen 1993, S. 31
[36] Vgl. Herbert Kaiser: Das Ich als Gedankengänger auf dem Weg zu sich selbst. In: Literatur für Leser. H.2 1986, S.72
[37]Vgl. Herbert Kaiser: Erfinden und Verschwinden. Über Phantasie, Tod und Metapher bei Gerhard Köpf In: Franz Loquai (Hrsg.): Portrait Gerhard Köpf. Eggingen 1993, S. 183
[38] Edgar Platen: Erzählen als Widerstand. Zu Gerhard Köpfs Roman „Die Strecke“ im erzählerischen Umfeld der 80er Jahre. Frankfurt/M. 1994
[39]Vgl. ebd. S. 8- 13
[40] Vgl. Wolfgang-Michael Böttcher: Auftritt der Tod im Wirbel der Konfetti. Erzählen zwischen Erfinden und Verschwinden in Gerhard Köpfs Frühwerk. Frankfurt/M. 2000, S. 237
[41] Gerhard Köpf: Der Thulserner Konjunktiv oder Rede über das allmähliche Flechten eines Zopfes während des Erzählens. In: Franz Loquai (Hrsg.): Der blaue Weg des Möglichen. Materialen zum Werk Gerhard Köpfs. Bamberg 1993, S. 127
[42] Wolfgang Michael Böttcher: „Sterben mit offenen Augen über “Borges gibt es nicht.” Rheinischer Merkur, 29.3.1991, Ab nach Neuseland über “Bluff oder das Kreuz des Südens” Die Welt, 16. 11. 1991 und: „Unterwassermalerei eines Untergangenen. Gerhard Köpfs Roman “Piranesis Traum”
Franz Loquai (Hrsg.): Der blaue Weg des Möglichen. Materialen zum Werk Gerhard Köpfs. Bamberg 1993
[43] Vgl. Wolfgang Michael Böttcher: Gerhard Köpf: Die Erbengemeinschaft In: . Herbert Kaiser, Gerhard Köpf (Hrsg.) : Erzählen/Erinnern. Deutsche Prosa der Gegenwart. Frankfurt/M. 1992, S. 330
[44] Vgl. ebd. S. 334
[45] Vgl. Wolfgang Michael Böttcher: Manchmal stimmt das, was wir erzählen. Aber es stimmt viel eher, wenn wir es erfinden Gerhard Köpfs „Bluff oder das Kreuz des Südens.“ In: Franz Loquai (Hrsg.): Portrait Gerhard Köpf. Eggingen 1993, S. 84 - 106
[46]Vgl. Loquai, Franz: Schöne, neu erfundene, alte Welt. In: Arbitrium. Zeitschrift für Rezensionen zur germanistischen Literaturwissenschaft H. 1. 1987, S. 104
[47] Vgl. Franz Loquai: Der Sternengucker, mit dem’s der Teufel gut meint In: Franz Loquai (Hrsg.): Portrait Gerhard Köpf. Eggingen 1993, S. 96
[48] Franz Loquai: So weit weg wie irgend möglich.Gerhard Köpfs „Bluff oder das Kreuz des Südens“ In: Franz Loquai (Hrsg.): Portrait Gerhard Köpf. Eggingen 1993, S.107
[49] Franz Loquai: Sie selber, lieber Leser, sind der wahre Held! „Papas Koffer“ von Gerhard Köpf. In: Franz Loquai (Hrsg.): Portrait Gerhard Köpf. Eggingen 1993
[50] ebd. S.118
[51]Vgl. Franz Loquai: Bilder vom Totentanz des Lebens. Gerhard Köpfs dritter Thulsern-Roman „Die Erbengemeinschaft“ In: Franz Loquai (Hrsg.): Portrait Gerhard Köpf. Eggingen 1993, S.51
[52] Franz Loquai: Der Künstler im Kerker. Zu „Piranesis Traum“ von Gerhard Köpf In: Franz Loquai (Hrsg.): Portrait Gerhard Köpf. Eggingen 1993, S.108
[53] Vgl. Franz Loquai: Der erfundene Autor. Eine Collage über Fiction, Köpf und Ayren. In: Franz Loquai (Hrsg.): Der blaue Weg des Möglichen. Materialen zum Werk Gerhard Köpfs Bamberg 1993, S. 168- 172
[54] Vgl. Franz Loquai: Der blaue Weg des Möglichen. Franz Loquai im Gespräch mit Gerhard Köpf: In: Franz Loquai (Hrsg.): Der blaue Weg des Möglichen. Materialen zum Werk Gerhard Köpfs. Bamberg 1993, S. 115-146
[55] Franz Loquai (Hrsg.): Der blaue Weg des Möglichen. Materialen zum Werk Gerhard Köpfs. Bamberg 1993 und Franz Loquai (Hrsg.): Portrait Gerhard Köpf. Eggingen 1993
[56]Monica Fröhlich: Techniken der „Vergegenkunft“ in Gerhard Köpfs „Innerfern“ und „Borges gibt es nicht“ In: Franz Loquai (Hrsg.): Der blaue Weg des Möglichen. Materialen zum Werk Gerhard Köpfs. Bamberg 1993, S. 50
[57] Georg Kempkes: Thulsern, Europa, Macao und das Fliegen. „Vergegenkunft“ als neues Erzählen am Beispiel von „Borges gibt es nicht“ In: Franz Loquai. (Hrsg.): Gerhard Köpf. Portrait. Eggingen 1993
[58] ebd. S. 82
[59] Vgl. Sigrid Mayer: Der blaue Weg des Möglichen oder südpazifisch – deutsche Literaturbeziehungen. In: Volker Wolf (Hrsg.): Lesen und Schreiben. Tübingen 1995, S. 139- 140
[61] Vgl. Joachim Kaiser: Virtuose Flucht in Rausch und Fiktion Gerhard Köpfs Debüt-Roman ‚Innerfern’ Süddeutsche Zeitung 10.9. 1983
[62] Zitiert in Karlheinz Fingerhut: Erarbeitung moderner Signaturen – Gerhard Köpfs Romankapitel „Schwellengang“ als Einführung in zeitgenössisches Erzählen. In: Diskussion Deutsch. H.101. 1988, S. 235
[63] Peter Utz : Steckbrief eines Briefträgerromans. Zu Gerhard Köpf: „Eulensehen“ In: Schweizer Monatshefte für Politik, Wirtschaft, Kultur Februar 70. Jahr Heft 2 1990, S. 172.
[64] Franz Loquai: Der blaue Weg des Möglichen. Franz Loquai im Gespräch mit Gerhard Köpf: In: Franz Loquai (Hrsg.): Der blaue Weg des Möglichen. Materialen zum Werk Gerhard Köpfs. Bamberg 1993, S. 115 – 148 Klaus Hübner,: Aus einem Werkstattgespräch mit Gerhard Köpf. In: Irmgard Ackermann. Klaus Hübner (Hrsg.): Gerhard Köpf. München 1989, S. 50 – 58 und Karlheinz Fingerhut: Es geht um die Wiedergewinnung des republikanischen Orts für Literatur und Leser. Gespräch mit Gerhard Köpf. In: Diskussion Deutsch 19 H1, 1988, S. 245 – 253.
[65] Gerhard Köpf. Vom Schmutz und vom Nest. Aufsätze aus zehn Jahren. Frankfurt/M. 1991
[66] Gerhard Köpf: Vor-Bilder, Tübinger Poetik-Vorlesung. Tübingen 1999
[67] Gerhard Köpf : Piranesis Traum. Roman. Hamburg, Zürich 1992
[68] Zitiert in Hermann Glaser, Jakob Lehmann, Arno Lubos: Wege der deutschen Literatur. Frankfurt/M. 1981, S. 147-148
[69] Günter Grass: Die Deutschen sterben aus. Werkausgabe in zehn Bänden. Band VI. Darmstadt 1987, S. 233
[70] Gerhard Köpf: Der Thulserner Konjunktiv oder Rede über das allmähliche Flechten eines Zopfes während des Erzählens. In: Franz Loquai (Hrsg.): Der blaue Weg des Möglichen. Materialen zum Werk Gerhard Köpfs. Bamberg 1993, S. 126
[71] Günter Grass: Die Deutschen sterben aus. Werkausgabe in zehn Bänden. Band VI. Darmstadt 1987, S. 233
[72] Georg Kempkes: Thulsern, Europa, Macao und das Fliegen. „Vergegenkunft“ als neues Erzählen am Beispiel von „Borges gibt es nicht“ In: Franz Loquai. (Hrsg.): Gerhard Köpf. Portrait. Eggingen 1993, S. 74
[73]Zitiert in Rolf Geissler: Versuch über das poetische Denken. Frankfurt / M. 1994, S. 48
[74] Zitiert in Gerhard Köpf: In extremer Schräglage. Ein Nachmittag mit Miguel Torga. In: Gerhard Köpf: Vom Schmutz und vom Nest. Aufsätze aus zehn Jahren. Frankfurt/ M. 1991, S. 46
[75] Zitiert in Eckhard Lobsien: Wörtlichkeit und Wiederholung. Phänomenologie poetischer Sprache. München 1995, S. 21
[76]Zitiert in Rolf Günter Renner: Die postmoderne Konstellation. Theorie, Text und Kunst im Ausgang der Moderne. Freiburg 1988, S. 206
[77] Zitiert in Ernesto Grassi: Die Macht der Phantasie. Zur Geschichte abendländischen Denkens. Koenigstein/Ts. 1979, S. 262
[78] Michel Foucault: Die Ordnung des Diskurses. Frankfurt/M. 1991, S. 11
[79] Rolf Günter Renner: Die postmoderne Konstellation. Theorie. Text und Kunst im Ausgang der Moderne. Freiburg 1988, S. 218
[80] Barbara Keller: Rekonstruktion von Vergangenheit. Opladen 1996, S. 74
[81]Zitiert in Peter Klier: Im Dreieck von Demokratie, Öffentlichkeit und Massenmedien. Beiträge zur Politischen Wissenschaft; Bd. 56, Berlin 1990, S. 14
[82] Michel Foucault: Die Ordnung des Diskurses. Frankfurt/M. 1991, S. 11
[83] Vgl. Günter Waldmann: Vom produzierten zum produzierenden Leser In: Gerhard Köpf. (Hrsg.): Rezeptionspragmatik. Beiträge zur Praxis des Lesens. München 1981, S. 117
[84] Zitiert in Jürgen Schiewe: Die Macht der Sprache. Eine Geschichte der Sprachkritik von der Antike bis zur Gegenwart. München 1998, S. 198
[85] Hanns – Josef Ortheil: Schauprozesse. Beiträge zur Kultur der 80er Jahre. München 1990, S. 132
[86] Zitiert in Carsten Schmidt: Der Umgang mit der NS- Vergangenheit im Spannungsfeld zwischen individuellem und gesellschaftlichem Unbewussten. In : Erich Fromm Heute. Zur Aktualität seines Denkens. München 2000, S. 210
[87] Jürgen Schiewe: Die Macht der Sprache. Eine Geschichte der Sprachkritik von der Antike bis zur Gegenwart. München 1998, S. 7
[88] Zitiert in Ulrich Klotz: Ästhetik als Dialektik. Prolegomena zum Literaturbegriff bei Miguel de Unamuno. Hamburg. Duisburg 1998, S. 22
[89] Markus Rieger: Ästhetik der Existenz. Eine Interpretation von Michel Foucaults Konzept ‚der „Technologien des Selbst“ anhand der „Essais“ von Michel de Montaigne. Münster 1997, S.79
[90] Zitiert nach Jürgen Schiewe: Die Macht der Sprache. Eine Geschichte der Sprachkritik von der Antike bis zur Gegenwart. München 1998, S. 91
[91] Franz Loquai: Der blaue Weg des Möglichen. Im Gespräch mit Gerhard Köpf. In: Franz Loquai. (Hrsg.): Der blaue Weg des Möglichen. Materialen zum Werk Gerhard Köpfs. Bamberg 1993, S. 136
[92] Zitiert in Gerhard Köpf: Ästhetik und öffentliche Anästhesie. Ein Zuruf. In: Gerhard Köpf: Vom Schmutz und vom Nest. Aufsätze aus zehn Jahren. Frankfurt/ M. 1991, S. 116
[93] Jürgen Nendza: Wort und Fiktion. Eine Untersuchung zum Problem der Fiktionalität in der Sprachzeichenkommunikation. Aachen 1991, S. 25
[94] Jean-François Lyotard: Das postmoderne Wissen. Wien 1994, S . 68
[95] Gemeint sind hier “Piranesis Traum“, „Borges gibt es nicht“ und „Papas Koffer“ Vgl. Franz Loquai: Der blaue Weg des Möglichen. Im Gespräch mit Gerhard Köpf. In: Franz Loquai. (Hrsg.): Der blaue Weg des Möglichen. Materialen zum Werk Gerhard Köpfs. Bamberg 1993, S. 132
[96] Franz Loquai: Der blaue Weg des Möglichen. Im Gespräch mit Gerhard Köpf. In: Franz Loquai. (Hrsg.): Der blaue Weg des Möglichen. Materialen zum Werk Gerhard Köpfs. Bamberg 1993, S. 132
[97] ebd. S. 139
[98] Achim Escher: Vom “postmodernen Roman” zur postmodernen Lesart. Theorie und Praxis metaphorologischer Lektüren von euro-amerikanischen Romanen des 20. Jahrhunderts. Essen 1996, S. 297
[99] Zitiert in Gerhard Köpf: Die Metaphoras der Witwe Gonzales. Anmerkungen zu Antonio Skármetas Roman “Mit brenneder Geduld” In: Gerhard Köpf: Vom Schmutz und vom Nest. Aufsätze aus zehn Jahren. Frankfurt/M. 1991, S. 59
[100] Gerhard Köpf: Der Thulserner Konjunktiv oder Rede über das allmähliche Flechten eines Zopfes während des Erzählens In: Franz Loquai (Hrsg.): Der blaue Weg des Möglichen. Materialen zum Werk Gerhard Köpfs. Bamberg 1993, S. 128
[101] Franz Loquai: Der blaue Weg des Möglichen. Im Gespräch mit Gerhard Köpf. In: Franz Loquai. (Hrsg.): Der blaue Weg des Möglichen. Materialen zum Werk Gerhard Köpfs. Bamberg 1993, S. 136
[102] Gerhard Köpf: Der Thulserner Konjunktiv oder Rede über das allmähliche Flechten eines Zopfes während des Erzählens In: Franz Loquai (Hrsg.): Der blaue Weg des Möglichen. Materialen zum Werk Gerhard Köpfs. Bamberg 1993, S. 129
[104] Gerhard Köpf: Der Thulserner Konjunktiv oder Rede über das allmähliche Flechten eines Zopfes während des Erzählens In: Franz Loquai (Hrsg.): Der blaue Weg des Möglichen. Materialen zum Werk Gerhard Köpfs. Bamberg 1993, S. 129
[105]Gerhard Köpf: Der Thulserner Konjunktiv oder Rede über das allmähliche Flechten eines Zopfes während des Erzählens. In: Franz Loquai (Hrsg.): Der blaue Weg des Möglichen. Materialen zum Werk Gerhard Köpfs. Bamberg 1993, S. 126
[106] ebd. S. 126
[107] Franz Loquai: Der blaue Weg des Möglichen. Im Gespräch mit Gerhard Köpf. In: Franz Loquai. (Hrsg.): Der blaue Weg des Möglichen. Materialen zum Werk Gerhard Köpfs. Bamberg 1993, S. 121
[108] Georg Kempkes: Thulsern, Europa, Macao und das Fliegen. „Vergegenkunft „ als neues Erzählen am Beispiel von „Borges gibt es nicht.“ In: Franz Loquai. (Hrsg.): Gerhard Köpf. Portrait. Eggingen 1993, S. 74
[109] Edgar Platen: Erzählen als Widerstand. Zu Gerhard Köpfs Roman „Die Strecke“ im erzählerischen Umfeld der 80er Jahre. Frankfurt/M. 1994 , S. 19
[110] Vgl. Georg Kempkes: Thulsern, Europa, Macao und das Fliegen. „Vergegenkunft „ als neues Erzählen am Beispiel von „Borges gibt es nicht.“ In: Franz Loquai. (Hrsg.): Gerhard Köpf. Portrait. Eggingen 1993, S.74
[111] Gerhard Köpf: Innerfern. Roman. Frankfurt/M. 1983
[112] Gerhard Köpf: Eine Asphodele. Über Ilse Schneider – Lengyel. In: Literatur für Leser 2. 1996, S. 44
[113] Gerhard Köpf: Die Metaphoras der Witwe Gonzales. Anmerkungen zu Antonio Skármetas Roman „Mit brenneder Geduld.“ In: Gerhard Köpf: Vom Schmutz und vom Nest. Aufsätze aus zehn Jahren. Frankfurt/ M. 1991
[114] Gerhard Köpf: Humanität und Vernunft. Eine Studie zu Heinrich Manns Roman „Henri Quatre“ Frankfurt/M. 1975, S. 15
[115] Markus Rieger: Ästhetik der Existenz. Eine Interpretation von Michel Foucaults Konzept der „Technologien des Selbst“ anhand der „Essais“ von Michel de Montaigne. Münster 1997, S. 78
[116] Westdeutsche Allgemeine Zeitung , 26 Oktober 1985
[117] Zitiert in Gerhard Köpf: Vom Schmutz und vom Nest. Tutzinger Rede zur auswärtigen Kulturpolitik. In: Gerhard Köpf: Vom Schmutz und vom Nest. Aufsätze aus zehn Jahren. Frankfurt/ M. 1991, S. 108
[118] Karlheinz Fingerhut: Es geht um die Wiedergewinnung des republikanischen Orts für Literatur und Leser. Gespräch mit Gerhard Köpf. In: Diskussion Deutsch. H. 101 1988, S. 252
[119] Vgl. Karlheinz Fingerhut: Es geht um die Wiedergewinnung des republikanischen Orts für Literatur und Leser. Gespräch mit Gerhard Köpf. In: Diskussion Deutsch. H. 101 1988, S. 247
[120] Klaus Hübner: Aus einem Werkstattgespräch mit Gerhard Köpf. In: Irmgard Ackermann und Klaus Hübner. (Hrsg.): Gerhard Köpf. München 1989, S. 57
[121] Vgl. Karlheinz Fingerhut: Es geht um die Wiedergewinnung des republikanischen Orts für Literatur und Leser. Gespräch mit Gerhard Köpf. In: Diskussion Deutsch. H. 101 1988, S. 248
[122] Vorrede. In: Gerhard Köpf: Vor-Bilder, Tübinger Poetik-Vorlesung. Tübingen 1999, S. 6
[123] Michel Foucault: Dispotive der Macht. Über Sexualität, Wissen und Wahrheit. Berlin 1978, S. 121
[124] Zitiert in Gerhard Köpf: “...der Geschlagene kann überhaupt nichts repräsentieren.” Versuch über Jean Amérys “Charles Bovary” In: Gerhard Köpf: Vom Schmutz und vom Nest. Aufsätze aus zehn Jahren. Frankfurt/ M. 1991, S. 15
[125] Zitiert in Michael Thalken: Ein bewegliches Heer von Metaphern. Sprachkritisches Sprechen bei Friedrich Nietzsche, Gustav Gerber, Fritz Mauthner und Karl Kraus. Frankfurt/M. 1999., S. 84
[127] Jürgen H. Petersen: Mimesis – Imitation – Nachahmung. München 2000, S. 438
[128] Franz Loquai: Der blaue Weg des Möglichen. Im Gespräch mit Gerhard Köpf. In: Franz Loquai (Hrsg.): Der blaue Weg des Möglichen. Materialen zum Werk Gerhard Köpfs. Bamberg 1993, S. 129
[130] Wolfhart Pannenberg: Das Irreale des Glaubens. In: Dieter Henrich. Wolfgang Iser.(Hrsg.): Funktionen des Fiktiven. München 1983, S. 17
[131] Odo Marquard: Kunst: als Antifiktion –Versuch über den Weg der Wirklichkeit ins Fiktive. In: Dieter Henrich. Wolfgang Iser(Hrsg.): Funktionen des Fiktiven. München 1983, S. 37
[132] Vgl. Wolfgang Iser: Akte des Fingierens. In: Dieter Henrich. Wolfgang Iser.(Hrsg.): Funktionen des Fiktiven. München 1983, S. 157
[133] Petra S. Fiero: Schreiben gegen Schweigen. Grenzerfahrungen in Jean Amérys autobiographischem Werk. Hildesheim 1997, S. 117
[134] Vgl. Wolfgang Iser: Der Akt des Lesens. Theorie ästhetischer Wirkung. München 1976, S. 7
[135] Gerhard Köpf: Der Kühlmonarch. Nebst einer einleitenden Durchleuchtung der poetologischen Rumpelkammer. In: Rowohlt Literaturmagazin. 29 1992, S. 107
[136] Vgl. Herbert Kaiser: Das Ich als Gedankengänger zu sich selbst. In: Literatur für Leser. H2. 1986, S. 65
[137] Vgl. Herbert Kaiser: Jean Paul Lesen. Versuch über seine poetische Antropologie. Würzburg 1995, S. 192
[138] Zitiert nach Peter Engelmann (Hrsg.): Postmoderne und Dekonstruktion. Texte französischer Philosophen der Gegenwart. Mit einer Einführung von Peter Engelmann. Stuttgart 1990, S. 21
[139] Zitiert in Monika Emans – Schmitz: Schrift und Abwesenheit. Historische Paradigmen zu einer Poetik der Entzifferung und des Schreibens. München 1995, S. 109
[141] Vgl. Ulrich Klotz: Ästhetik als Dialektik. Prolegomena zum Literaturbegriff bei Miguel de Unamuno. Hamburg 1998, S. 157
[142] Zitiert in Klaus Hübner: Aus einem Werkstattgespräch mit Gerhard Köpf. In: Irmgard Ackermann und Klaus Hübner. (Hrsg.): Gerhard Köpf. München 1989, S. 57
[143] Karlheinz Fingerhut: Es geht um die Wiedergewinnung des republikanischen Orts für Literatur und Leser. Gespräch mit Gerhard Köpf. In: Diskussion Deutsch. H. 101. 1988, S. 247
[144] Zitiert in Gerhard Köpf: In extremer Schräglage. Ein Nachmittag mit Miguel Torga. In: Gerhard Köpf: Vom Schmutz und vom Nest. Aufsätze aus zehn Jahren. Frankfurt/ M. 1991, S. 57-58
[145] Karlheinz Fingerhut: Es geht um die Wiedergewinnung des republikanischen Orts für Literatur und Leser. Gespräch mit Gerhard Köpf. In: Diskussion Deutsch. H. 101. 1988, S. 251
[146] Wolfgang Iser: Der Akt des Lesens. Theorie ästhetischer Wirkung. München 1976, S. 7
[147] Karlheinz Fingerhut: Es geht um die Wiedergewinnung des republikanischen Orts für Literatur und Leser. Gespräch mit Gerhard Köpf. In: Diskussion Deutsch. 1988. H. 101. S. 249
[148] Karlheinz Fingerhut: Es geht um die Wiedergewinnung des republikanischen Orts für Literatur und Leser. Gespräch mit Gerhard Köpf. In: Diskussion Deutsch. H. 101. 1988, S. 253
[149] ebd. S. 249
[150] Siehe Gerhard Köpf: “Der Don Quichotte sitzt mir immer im Genick” In. Westdeutsche Allgemeine Zeitung. Samstag, 26. 10. 1985
[151] Karlheinz Fingerhut: Es geht um die Wiedergewinnung des republikanischen Orts für Literatur und Leser. Gespräch mit Gerhard Köpf. In: Diskussion Deutsch. H. 101. 1988, S.249
[152] Gerhard Köpf: Der Thulserner Konjunktiv oder Rede über das allmähliche Flechten eines Zopfes während des Erzählens. In: Franz Loquai (Hrsg.): Der blaue Weg des Möglichen. Materialen zum Werk Gerhard Köpfs. Bamberg 1993, S. 129
[153] Gerhard Köpf: Borges gibt es nicht. Eine Novelle. Frankfurt/M. 1991
[154] Vgl. Rolf Geissler: Versuch über das poetische Denken. Frankfurt/M. 1994, S. 41
[155] Gerhard Köpf: Die Strecke. Roman. Frankfurt/M. 1985
TUTANAK
Ege Üniversitesi Sosyal Bilimler Enstitüsü Yönetim Kurulu’nun ....../........./......... tarih ve ........... sayılı kararı ile oluşturulan jüri ......................................................... anabilim dalı doktora öğrencisi ....................................................................’nın ............................................................... ............... ......................................... başlıklı tezini incelemiş ve adayı ...../........./......... günü saat ............’da.................... süren tez savunmasına almıştır.
Sınav sonunda adayın tez savunmasını ve jüri üyeleri tarafından tezi ile ilgili kendisine yöneltilen sorulara verdiği cevapları değerlendirerek tezin başarılı/başarısız olduğuna oybirliğiyle / oyçokluğuyla karar vermiştir.
BAŞKAN

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Not: Doktora Tezi Savunma Süresi asgari 90 dakika - azami 120 dakikadır.
Ege Üniversitesi Sosyal Bilimler Enstitüsü Müdürlüğüne sunduğum
Das Verhältnis Zur Zeit und die “Vergegenkunft” in Gerhard Köpfs Prosa adlı yüksek lisans/doktora tezinin tarafımdan bilimsel, ahlak ve normlara uygun bir şekilde hazırlandığını, tezimde yararlandığım kaynakları bibliyografyada ve dipnotlarda gösterdiğimi onurumla doğrularım.
Hüseyin Kahramanlar
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